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Ehrenamtler wirft Impfzentrum Verschleppung vor - obwohl es genügend Vakzin gibt

Der Verein "Deutsches Ehrenamt" schreibt auf der hauseigenen Website, sich ehrenamtlich zu engagieren bedeute, "für eine Organisation freiwillig und ohne Vergütung Arbeit zu leisten. Dies kann verschiedene Gründe haben".

Für Michael Tischler (Name geändert) hat sein ehrenamtliches Engagement vor allem einen Hintergrund: endlich aktiv an der Bekämpfung der Pandemie mitwirken zu können, endlich "mal nicht nur zu Hause rumsitzen, sondern auch was gegen den weltweiten Virus tun", sagt er.

Seit vergangener Woche arbeitet Tischler als ehrenamtlicher Helfer in einem Berliner Impfzentrum. Um welches Zentrum es sich handelt, soll die Redaktion nicht veröffentlichen, denn eigentlich dürfen Mitarbeitende in den Impfzentren über ihre Tätigkeit überhaupt nicht reden - zu ihrem Schutz und zum Schutz der Impfzentren vor möglichen Übergriffen militanter Impfgegner.

Bei seiner Tätigkeit im Impfzentrum hat Tischler viel und engen Kontakt zu Personen, die bei einer Corona-Erkrankung eine besonders hohe Gefahr für einen schweren Verlauf haben. Bekanntlich erhalten die Corona-Hochrisikogruppen der Alten und Chronisch-Kranken priorisiert ihre Impfungen.

Da eine nahezu vollständige Immunisierung gegen das Virus erst mindestens zwei Wochen nach der zweiten Spritze erfolgt ist, stellt eine Ansteckung im Impfzentrum eine reale Gefahr dar. Vor allem deswegen stuft die offizielle Berliner Impfreihenfolge alle Mitarbeitenden der Hauptstadt-Impfzentren in die höchste Priorisierungskategorie des zu erhaltenden Vakzins ein.

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Obwohl es im Impfzentrum Tegel, in dem Astrazeneca an Menschen unter 65 Jahre gespritzt wird und das damit zuständig ist für die allermeisten Ehrenamtlichen, zurzeit genügend Impfstoff gibt, haben Tischler und seine ehrenamtlichen Kolleg:innen den Pandemie-Schutz bisher nicht erhalten. Als "Riesen-Sauerei" bezeichnet das Tischler.

Vorhandene Impfcodes würden den Ehrenamtlichen absichtlich vorenthalten, sagt der Berliner. Der Betreiber des Impfzentrums würden die Erhaltung der Impfung von dem Pensum des ehrenamtlichen Engagements abhängig machen, obwohl genug Impfstoff für alle da ist, so der Vorwurf.

Durch die herausgezögerte Impfung soll also sozusagen "Mehrarbeit" erpresst werden, sagt der Ehrenamtler. Das Vakzin als Belohnung trotz genügend Impfkapazitäten?

Interne Mail koppelt Impfung an regelmäßigen Einsatz

Auf Anfrage des Tagesspiegels teilt der Betreiber mit, dass man "selbstverständlich an einer zügigen Impfung aller Mitarbeitenden interessiert sei." Für weitere Nachfragen wird auf die Senatsverwaltung für Gesundheit verwiesen und klargestellt: "Haupt- und Ehrenamt werden (...) gleichbehandelt."

Auch dort betont man, dass keine Unterschiede zwischen Haupt- und Ehrenamtlern gemacht würden. "Die Priorisierung der Impfungen von Helfenden richtet sich nach Art und Umfang des Einsatzes. Hierfür hat die Senatsverwaltung festgelegt, die Häufigkeit der Einsätze zu berücksichtigen", heißt es aus der Pressestelle.

Die internen Mail der organisatorischen Leitung des entsprechenden Zentrums, die dem Tagesspiegel vorliegt, klingt jedoch weniger nach Gleichbehandlung von Haupt- und Ehrenamt. Demnach soll die Zuteilung des Impfstoffs an einen ehrenamtlichen Helfenden erst dann erfolgen, wenn ein regelmäßiger Einsatz absehbar ist. Dazu müssten bereits geleistete und geplante Dienste ausgewertet werden, so der Wortlaut der Mail.

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