Keine Abos und 4 Abonnenten
Artikel

Hunderte Linke demonstrieren in Berlin gegen „Corona-Leugner"

Um 3:36 Uhr in der Nacht zu Donnerstag richtet sich die Berliner AfD mit einer dringenden Bitte an Mitglieder und Förderer: "Kommen Sie bitte (...) am 4. Februar um 19:30 Uhr zu einer Demonstration", man solle sich in der Nähe der Zionskirche in Mitte einfinden. Dort solle spontan gegen "linken Hass" und für "Freiheit und Sicherheit" demonstriert werden. Hintergrund des eilig von der AfD organsierten Gegenprotests war ein Aufzug der linken Szene: Die zog am Donnerstagabend um 18 Uhr am Senefelderplatz los, um gegen "Corona-Leugner" und "Faschisten im Kiez" zu ihre Stimme zu erheben. Rund 500 Leute nahmen daran teil.

Bereits in der vergangenen Woche demonstrierten einige hundert Menschen gegen die "Scotch und Sofa"-Bar in der Kollwitzstraße, in der wiederholt Treffen von Gegnern der aktuellen Corona-Maßnahmen und "Querdenkern" stattfanden.

Bei dem Versuch, in den Räumlichkeiten der Kneipe eine Partei zu gründen, kam es zu massenhaften Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung sowie zum Angriff einer Teilnehmerin auf eine Pressevertreterin.

Nachdem das "Scotch und Sofa" am vergangenen Donnerstag still und dunkel blieb, während wenige Meter entfernt der linke Aufzug aus Anwohnerinitiativen und antifaschistischen Bündnissen endet, entschieden sich die Organisatoren der Demonstration diese Woche für eine neue Route des Aufzugs.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten aus Berlin und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Nicht nur die Bar in der Kollwitzstraße steht nunmehr im Fokus der Demonstration, sondern auch andere Örtlichkeiten der "Neuen Rechten" in Mitte und Prenzlauer Berg. So verlief die Protestroute durch die Rosa-Luxemburg-Straße, in der sich das Hutgeschäft der Designerin und Anwältin Viviane Fischer befindet, die an der Parteigründung im "Scotch und Sofa" maßgeblich beteiligt war.

Auch das Büro von "Ken FM" lag auf der Demo-Route

Auch das Büro des verschwörungsideologischen Medienformats "Ken FM" um den ehemaligen RBB-Moderator Ken Jebsen in der Ackerstraße wurde passiert. In der Nähe grüßten andere Linke die Demonstrierenden mit Pyrotechnik.

Die linke Demo endete schließlich an der Zionskirche, in deren Nähe sich die Geschäftsadresse des Vereins "Zivile Koalition e.V." befindet, der von AfD-Politikerin Beatrix von Storch gegründet wurde und von Expert:innen als "christlich-fundamentalistisch" beschrieben wird. Während der Demonstration sprach von Storch, woraufhin Anwohner:innen mit Kochtöpfen eine Geräuschkulisse erzeugten, um sie zu übertönen.

Von Storch gilt als harte Abtreibungsgegnerin

Von Storch selbst gilt als energische Abtreibungsgegnerin und nimmt regelmäßig am sogenannten "Marsch für das Leben" teil, bei dem jeden Sommer tausende Abtreibungsgegner:innen in Berlin-Mitte demonstrieren.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Die AfD-Politikerin sprach zu den Anhänger:innen aus ihrer Partei, die vor dem Büro des Vereins eine Gegenkundgebung zu dem linken Aufzug angemeldet hatte. Es waren mehr als die angekündigten 50 Teilnehmer:innen erschienen. Die Polizei riegelte die Zionskirchstraße jedoch so ab, dass die beiden Gruppen nicht direkt aufeinander trafen.

Erst nachdem sich die linke Demo aufgelöst und zerstreut hatte, kamen einige linke Demonstrierende von Storchs Anhänger:innen recht nahe. Es blieb jedoch bei Wortgefechten.

Zum Original