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Der Charmeur

Tomáš Sedláček: „There is no exit from belief systems.“

Tomáš Sedláček bot mit seinem Vortrag „Die göttliche Ökonomie“ einen unterhaltsamen Start in die Konferenz

In einem Vampir-Film kommt immer diese eine typische Figur vor: Sie ist rational, bodenständig, glaubt natürlich nicht an Vampire, selbst wenn sie ihr gegenüberstehen, meist ist es der Polizist oder der Anwalt. Wir sitzen vor dem Fernseher und möchten diesen Menschen am liebsten anschreien: „Wie dumm bist du denn?! Wie kannst du denn nicht an Vampire glauben?“ Wir machen uns lustig über eine Person, die wir in der Realität selbst wären. Denn wer glaubt schon an Vampire?


Der Pop-Ökonom Tomáš Sedláček erzählt bei seinem Eröffnungsvortrag „Die göttliche Ökonomie“ eine Geschichte nach der anderen. Denn eins scheint er besonders gut verstanden zu haben: Wir können abstrakte Thesen um einiges besser nachvollziehen, wenn sie uns jemand als bilderreiche Geschichte veranschaulicht. Die Vampirfilm-Anekdote taugt dann auch für seine zentrale These: So wie Leute in Filmen an Fiktionen glauben, selbst wenn diese eigentlich nicht der Realität entsprechen, so hängen Mainstream-Ökonomen den Fiktionen und Modellen ihrer Wissenschaft an.


Eine andere Geschichte von ihm geht so: Treffen sich zwei Physiker in einer Bar. Sagt der eine zum anderen: „Weißt du, was ich heute herausgefunden habe?“ – „Nein. Was denn?“ – „Dass es Luftreibung nicht gibt.“ – „Oh, stimmt!“, sagt da der andere. „Das macht einiges einfacher.“ Sedláček möchte auch mit diesem Beispiel zeigen, dass manche Annahmen nicht unbedingt die realen Verhältnisse wiedergeben, aber in manchen Fällen sehr praktisch sind. Die modellhafte Annahme ist einfach ein guter Trick, um Wirklichkeit berechenbar zu machen.


Sedláčeks Vortrag hat eine leicht selbstverliebte Note: Mit voller Stimme schweift er in lange Monologe ab, spricht während des gesamten Vortrags komplett frei und fesselt das Publikum mit seiner charmanten Art. Das scheint er zu genießen. Er lächelt verschmitzt, wenn das Publikum bei seinen Witzen lacht, und trumpft mit immer mehr Vergleichen auf: Wenn man glaubt, dass jeder Tag ein sonniger sein wird, so ist das ein sehr schöner, romantischer und naiver Glaube, allerdings auch ein Rezept für ein trauriges Leben. Wenn man annimmt, dass es an jedem Tag windig sein wird, so wird man niemals ein gutes Schiff bauen. Ähnlich sei es, wenn man glaubt, die Wirtschaft würde stetig wachsen. Das stimme einfach nicht, und ein gutes Wirtschaftssystem gibt ein solcher Glaube auch nicht her, so Sedláček.


Genauso wie wir es einem Vampir-Film abnehmen, dass es Vampire gibt, gehen wir in der Realität davon aus, dass Menschen rational und egoistisch sind. In der Wirtschaft beruhen alle Berechnungen auf dieser Annahme. Wir sehen es als gegeben an, dass Menschen rational und egoistisch seien, und das sei der Fehler, denn wir verwechseln hier Glauben mit Wissen. Für Sedláček ist der derzeitige Wachstumsglaube pure Ideologie und die perfekte Religion für unser Zeitalter. Ein geraumes Stück vor dem tatsächlichen Ende seines Vortrags sagt Sedláček: „Ich glaube, die Zeit ist um… Ja, ist sie, aber lasst uns einfach so tun, als wäre es nicht so.“


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