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Brewdog und die Stone-Brewing-Übernahme in Mariendorf

Die befreundeten Brauereien geben sich in Mariendorf die Klinke in die Hand. Was die US-amerikanische Stone Brew Brauerei mit Herzblut versucht hat, treibt Brewdog aus Schottland nun weiter. Noch größer, bloß anders. Wir haben uns einen Abend lang mit den Beteiligten unterhalten.


"Schwer zu sagen, wie die Stimmung am 10. April in der Berliner Ackerstraße 29 eigentlich ist; da hört man James Watt und Martin Dickie, die beiden Brewdog-Gründer, lauthals lachen und mit einem Lost Lager, einem Pilsner nach deutschem Vorbild, vor dem langen Tresen anstoßen."

Und da sitzt rechts in der Ecke der einem American Diner nachempfundenen Sitzsituation des Brewdog Mitte Greg Koch, Mitgründer der Stone Brewing Company; deren Stone Brewing Bistro & Gardens Berlin jetzt von keinem geringeren Unternehmen übernommen wird als Brewdog.


Tja, des einen Freud, des andern Leid, ist man gewillt zu denken. Stimmt ein bisschen, es hätte allerdings deutlich schlimmer kommen können für die Stone-Crew. Denn die beiden Brauereien pflegen seit geraumer Zeit ein freundschaftliches Verhältnis, haben etliche Kollaborationen an den Start gebracht und nie ein böses Wort übereinander verloren haben. Was in der Szene nicht selbstverständlich ist.


Übernahme von Brewdog ab dem 1. Mai

Brewdog und Stone Brewing allerdings sind seit 2008, seit dem ersten Besuch von James bei Greg in Kalifornien, eng befreundet. Ab da begann ein regelmäßiger Austausch. Zwar hätten sie viele gemeinsame Projekte mit anderen Brauereien, erzählt James, Sierra Nevada zum Beispiel, oder AleSmith, "aber die engste Zusammenarbeit ist doch immer die mit Stone gewesen."

Und so wird es auch weiterhin Stone-Beer vor Ort geben: 12 bis 20 Hektoliter sind der Plan. Nachdem in den nächsten 6 bis 12 Wochen der Umbau stattfindet und sich die Stone-Crew entscheiden kann, mit wem sie weiterziehen will, wird Brewdog ab dem 1. Mai das Gelände bezogen haben und neu eröffnen.


Nach der Übernahme: ein Museum für Mariendorf

Martin und James sind sich sehr bewusst darüber, wo das Gelände gelegen ist, und dass der Berliner in Mobilitätsfragen bisweilen zur Lethargie neigt: "Klar, ist nicht um die Ecke - deswegen muss der Ort an sich funktionaler werden, es braucht triftige Gründe, sich nach Mariendorf aufzumachen. Und die wollen wir liefern."

Das soll mithilfe eines Museums, Coworking-Spaces, Festivals, Braukursen, In- und Outdoor-Erlebniswelten und möglicherweise sogar einem zweiten Bierhotel stattfinden. Dann hätte man immerhin die Fahrerei los. Apropos Transport: Wie rechtfertigt eine Brauerei, die sich den einsilbigen Slogan "Craft" auf die Fahne schreibt und somit auch nach Lokalität und Nachhaltigkeit ruft, eigentlich ein Projekt wie die Brewdog Airlines, die zwischen London und Ohio verkehrt? "Ist doch besser, wenn alle in einem Flieger sitzen, anstatt dass alle einzeln fliegen."

Der kam schnell, denn Presse können sie, die Brewdog-Captains. Und so halten sie sich auch mit nachgefragten Zahlen bedeckt. Wer etwas wissen will, muss raten. 9 Millionen? "Ein kleines bisschen weniger", so James. Das aber neben dem laufenden Investment dieser und der kommenden Tage. Mehr ist an Zahlen nicht zu holen.

Zwischen Malewitsch und Mariendorf

Es waren gerade einmal die letzten beiden Wochen, in denen die Übernahme dingfest gemacht wurde, und nicht wenige gingen von einem verspäteten, makabren Aprilscherz aus. Auch für die Stone-Mitarbeiter war konkret dieser Ausgang vorher nicht absehbar, und das ist der Stimmung dieses Abends anzusehen.

Stöbert man durch die Berichte der Übernahme, stößt man ganz und gar nicht nur auf objektive Dokumentation, im Gegenteil. Vom "größten Flop der Bier-Branche" spricht man da, von der "arroganten Idee" der amerikanischen Brauer, den Deutschen das Brauen nahe zu bringen. Und ja, vielleicht hatte Greg Koch da mit seiner Eröffnungsaktion, deutsches Bier zu zerschmettern, nicht kollateral für Gönner gesorgt. Vielleicht war die Idee einer so großen Anlage zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort ein ambitioniertes Anliegen.

Ziehen wir aber unseren Hut umso eher vor. Denn das ist ein wenig wie neben Malewitschs' Schwarzem Quadrat zu stehen und zu sagen: „Kann ich auch". Bloß, dass es keiner tut, weil es bisher Dagewesenes neu und möglicherweise auch größer denkt. Also: Macht doch mal! Ein Brauereigelände um 25 Millionen Euro mit Restaurant und Taproom auf hundert Mariendorfer Quadratmeter setzen und von anvisierten 100 HL im ersten Jahr die Hälfte umsetzen; mit dem Anspruch, von hier aus den europäischen Markt mit Stone Beer zu versorgen.


Zur Übernahme vielleicht ein Sauerbier?

Jeder, der schon einmal etwas auf die Beine gestellt hat, weiß, dass ein Quäntchen Großspurigkeit Not tut, um Kräfte zu mobilisieren und Durststrecken zu überdauern. Und wer das noch nicht versucht hat, ja, der sollte sich geschlossen halten und sich die Häme sparen. Denn die ist nicht nur unprofessionell, sondern auch charakterlich hochgradig fraglich.

In der Zwischenzeit fragen James und Martin frenetisch über Berlins beliebte Bierstile aus und was hier derzeit getrunken wird. So kann man ein Interview natürlich auch nutzen. "Sauerbier, möglicherweise?" "Sounds like a plan", findet Martin, den passenden Namen dazu wollen sie auch wissen. "Zirkus Berlini", entscheide ich. Martin schreibt es auf und klatscht ab. Nun, wir werden sehen und über Abschlagszahlungen sprechen.

Dankeschön für ein leidenschaftliches Engagement

"Es geht weiter, aber anders" - das ist der Konsens der drei Gründer, die, in ähnlicher Mission zwar, aber immer schon ein verschiedenes Klientel angesprochen haben. Zu welcher Zeit auch immer für welche Methode der Bierbotschafter die Zeit reif sein sollte - wir knicksen vor einer Crew, der Berlin und Deutschland dank ihres leidenschaftlichen Engagements viel zu verdanken hat; und von der man gewiss wieder hören wird, nachdem die Wunden geleckt sind.

Nun, darauf einen Schluck "Enter Night Pilsner", und aus den Boxen singt einer:


Something's wrong, shut the light,

heavy thoughts tonight.

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