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Auf einen Whiskey mit Master Distiller Andy Shapira

Können wir die Diskussion über die sogenannten Non-Age-Statements versus Abfüllungen mit Reifezeit eigentlich noch hören oder nicht? Eher nicht. Zumindest nicht aus Schottland. Versuchen wir es also noch einmal mit dem Bourbon. Und erleben mit Andy Shapira von Heaven Hill eine Überraschung.

Andy trinkt einen gemütlichen Remember the Maine, halb auf dem Barhocker des Hamburger Le Lion gelehnt, erkundigt sich nach meiner Reise, schiebt den Whiskey Smash über den Tresen vor meine schnaufende Brust und findet, dass der nun genau das Richtige sei. Ohne Zweifel an Andys Einschätzung, stellt sich im Grunde auch die Frage nach dem verwendeten Bourbon nicht. Selbstredend ist das Elijah Craig und damit der Bourbon, der neben Evan Williams für das Renommee von Heaven Hill sorgt. Die sich in Bardstown und Louisville in Kentucky befindlichen Destillerien erbrennen sich mit einem Lagerbestand von rund 900.000 Fässern den zweitgrößten Bestand an Bourbon. Das liegt unter anderem auch daran, dass Heaven Hill Abfüllungen in ihrem Programm hat, die - für einen Bourbon, wohlgemerkt - besonders lange lagern. Sucht man auf Anhieb einen Bourbon mit Angabe der Reifezeit, wird es oberhalb der Zwölfjahresgrenze dünn, zumindest, wenn man das für den durchschnittlichen Whiskeytrinker bezahlbare Segment betrachtet.


NAS - ein katastrophentouristischer Spaziergang

Wenn man nun bedenkt, dass Andy für seinen 12-jährigen Elijah Craig gerade einmal 50-75 Fässer seiner mittleren Lagerebene verwenden konnte, kann man sich etwa vorstellen, dass es eine ganz schön umfassende Arbeit darstellt, diesen geringfügigen Prozentsatz brauchbarer Fässer zu finden, die sich für den 12-Jährigen eignen. Kein Wunder daher, dass Andy die Angelegenheit zu mühsam wurde.

„Die Fässer für unseren 12-Jährigen müssen am aller besten ausgewählt werden", so Andy. Die Gefahr nämlich sei, dass einige der 12-jährigen Fässer schlichtweg zu viele Tannine enthielten. Und dabei ginge es nicht nur um Massengenießbarkeit, sondern auch um Andys eigene. Im Whiskey Smash vor mir steht also der Elijah Craig, der den 12-jährigen „Elijah" in nächster Bälde ersetzen wird. Selbstverständlich und wie immer gab es panische Aufschreie in der Bourbon-Riege, weil überhaupt und immer jetzt alle zu NAS-Abfüllungen greifen würden, weil profitgeil, weil intransparent, qualitätsreduziert und im Allgemeinen ganz umfassend betrügerisch. Wem das zu dramatisch klingt, möge sich gerne einmal durch diverse Bourbon-Foren klicken und einen katastrophentouristischen Spaziergang durch die digitale Emotionslandschaft wagen.


Der Jugend gehört die Zukunft, auch bei Elijah Craig

„Wir waren schon sehr aufgeregt," räumt Andy ein, mittlerweile bei einem Greenpoint angekommen. Dass Umstiege vom Whiskey mit Altersangabe zu NAS in Konsumentenkreisen eine sensible Angelegenheit ist, war ihm klar gewesen. Allerdings hätte er die 12-jährige Abfüllung auf Dauer nicht mehr zum herkömmlichen Preis verkaufen können - und das war ihm wichtiger.

„Die Arbeit, ausreichend gute Fässer für diese Abfüllung zu finden, rechnet sich einfach nicht", so Andy. Je älter die Fässer, umso mehr Tannine enthalte der Whiskey. Einige Fässer so viele, dass sie den Bourbon schlichtweg ungenießbar machten, wenn man nicht mit ausreichend intakten Fässern arbeite. Andy ist die preisliche Zugänglichkeit der Spirituose wichtiger. Was nicht bedeutet, dass die neue NAS-Abfüllung qualitativ gelitten hat. Im Vergleich, muss man wenig überraschend sagen, ist die NAS-Abfüllung von Elijah Craig deutlich lieblicher, süßer, weist weniger Eichenfass auf und hat einen weniger opulenten Körper.

Im Grunde ist die NAS-Abfüllung genau das, was man erwartet, wenn man ein 12-jähriges Age-Statement mit acht- bis zwölfjährigen Fässern vermählt. Das ist nicht negativ zu bewerten, bloß absehbar. Wer den 12-Jährigen nicht kennt, wird mit der neuen Abfüllung seine Freude haben, ob pur oder im Sour. Wer den 12-er allerdings für seine eichigen Röstaromen mochte, könnte ein klein wenig enttäuscht werden. Immerhin kann man Andy nicht vorwerfen, dass er schlecht kommuniziere. Bei Knob Creek beispielsweise ist die Jahreszahl der 9-jährigen Abfüllung ebenso im Nirvana verschwunden - allerdings unkommentiert. Außerdem sind die geschmacklichen Unterschiede hier deutlich wesentlicher als im Falle von Elijah Craig. Der neue Elijah Craig ist, und dass bestätigt auch Andy, ein grundsolider Whiskey, der jüngere Bourbonianer und auch Einsteiger besser abholt als sein Vorgänger. Muss man ihm lassen.

Apropos Jugend und Zukunft - wann wird es für Andy eigentlich Zeit, an die Stelle seines Vaters Max zu treten? Mit seinen 73 Jahren steht er zwar nach wie vor in der Blüte seiner Arbeit als Eigentümer der Heaven Hill-Destillerie. „Und das wird er auch nicht mehr aufgeben", prophezeit Andy. Gemeinsam mit seiner Schwester Kate und ihrem Ehemann Allen halten die vier die Destillerie zusammen. Als Familie hat das natürlich Vor- und Nachteile. „Klar, Diskussionen und Auseinandersetzungen werden eher persönlich und es ist kaum Raum, dem auszuweichen." Andererseits kenne man sich doch sehr gut und finde schneller Wege der Lösung.


Nur noch ein paar Monate

Das Problem um die Selektion der 12-jährigen Fässern jedenfalls wäre zunächst einmal gelöst. Wir sind recht zuversichtlich, dass die Shapiras auch noch viele weitere Probleme, die sich auf ihrem weiteren Weg der Familiendestillerie stellen werden, lösen können. Vom 12-jährigen Elijah Craig sind mittlerweile noch 4.000 Stück übrig. Und dann ist er weg. Der Senior Brand Manager von Borco-Marken-Import Michael Rennies gibt dem Ausverkauf drei Monate. Es gibt also einigen Grund, nervös zu werden ­- und entweder nimmt man die Beine in die Hand und macht eine Großbestellung, oder man freundet sich mit der neuen Abfüllung an.

Photo credit: Foto via Nico Schreck/Shutterstock. Andy Shapira via Justin Ames.

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