Hinter vorgehaltener Hand spricht man über Gesine Rolls Sauvignon Blanc als einen der besten Sauvignons Deutschlands. Das ist unverständlich. Man kann die Hand vor dem Mund getrost beiseite nehmen. Dann hören es immerhin alle.
Heute hat die zumeist geschäftige Gesine einen Kater. Das ist ein bisschen beruhigend, denn offenbar ist Gesine Roll auch nur ein Mensch. Ein ziemlich akkurater zwar, aber einer, dem der Spaß an der Sache mindestens so wichtig ist wie die Perfektion. Und das muss man erst einmal schaffen, wenn man auf der ständigen Jagd nach Vollendung ist - ein ausgewiesen ambitioniertes Unterfangen. Superlative Ansprüche bei gleichzeitiger Bescheidenheit ist ein Ding der Unmöglichkeit? Gesine zeigt, wie es geht. Man muss sie nur fragen, ob sie wirklich einen der besten Sauvignon Blancs Deutschlands macht.Gesine: Nun, es gibt ja nicht besonders viele Sauvignon Blancs in Deutschland auf diesem Qualitätsniveau. Ich befasse mich einfach unglaublich viel mit der Rebsorte, und das schon seit langer Zeit. Im Jahr 2003 haben wir den ersten Sauvignon Blanc ausgebaut. Damals gab es noch kaum deutschen Sauvignon Blanc und wir waren zunächst unsicher, in welche Richtung es gehen sollte. Heute würde ich sagen, dass er eher in die steierische Richtung geht. Das ist immer die Grundfrage, geht man Sauvignon Blanc francophil an oder soll´s in Richtung Steiermark gehen? Letztere sind dann nicht besonders grün, sondern recht reif. Das ist eine ziemlich schwierige Angelegenheit und ich kann jeden verstehen, der sagt, er lasse die Finger vom Sauvignon Blanc.
Für Gesine jedoch keine Option. Ganz im Gegenteil: mit einem Glas ihres Sauvignon Blanc Fumé in der Hand, erklärt sie, wie sie es mit Biosiegeln hält. Nicht schwarz und nicht weiß, nämlich. Gesine weiß es besser, als sich blindlinks Dogmen zu unterwerfen. Ein Siegel ist ihr nicht wichtig. Der Verzicht auf Herbizide und Insektizide hingegen schon. Gesine scheint ein Resultat dessen zu sein, was passiert, wenn man Intuition mit Idealismus kreuzt.Gesine: Ich entschiede von Mal zu Mal, wie lange der Wein liegen bleiben muss. Mal sind das 12 Monate, letztes Jahr 18, da haben Wein und Holz dann einfach mehr Zeit gebraucht, um miteinander warm zu werden. Das Holz baut die Tanninstruktur im Wein auf und dieser hier muss auf jeden Fall noch liegen bleiben. Dadurch, dass mein Keller relativ warm ist, habe ich beinah zehn Prozent Verdunstung im Jahr. Das bedarf einiger Pflege und man muss genau kontrollieren, dass nichts verkrustet und keine Pilze sich bilden. Mir geht es immer darum, wie man Weine so optimieren kann, dass man wirklich das Beste aus ihnen herausgeholt hat. Natürlich kann man an den Trauben nichts mehr machen. Aber oft helfen bei einem Cuvée schon fünf, manchmal auch nur ein halber Prozent - das ist immer wieder erstaunlich, was man alles tun kann, damit ein Wein so gut wird, wie er nur sein kann.
Das ist ein bisschen wie beim Kochen. Oder beim Mörsen einer Gewürzmischung. Überhaupt, wie bei so vielem - die richtige Mischung macht´s. In der Regel braucht es dazu aber auch die nötigen Gerätschaften. Wer gute Bratkartoffeln braten will, braucht möglicherweise eine Eisen-, wenn nicht gar Gusseisenpfanne!Gesine: Genauso braucht man beim Wein das richtige Utensil. Wichtig ist mir vor allem, zu verstehen, an welchen Stellen man einem Wein in seiner Entwicklung helfen kann. Zwischen dem Weinberg und dem Cuvée gibt es da durchaus noch ein paar Dinge, die es zu beachten gilt. Das Fass, zum Beispiel. Letzte Woche erst habe ich mit meinem Barrique-Händler alles verkostet: ich habe ihm beschrieben, welchen Weinstil ich in meinen Fässern ausbauen will, er versucht das zu kapieren und in Fässern zu antworten. Da geht es um Stellschrauben, sie wirklich im obersten Qualitätsbereich stattfinden. Und um genau diese Qualität zu leisten, muss das sein. Aber genau das macht mir Spaß - obwohl ich ein sehr ungeduldiger Mensch bin und ein Jahr ein langer Zeitraum ist.
Es ist Anfang September und die Basisschrauben sind gestellt. Was dürfen wir Gesines auf ihrer Verfolgung des Vollendeten wünschen? Gibt es etwas, woran sie konkret arbeitet? Ohne Zweifel.Gesine: Es ist einfach immer wieder verrückt, wie komplex das alles ist - das komplette System dieser Wirtschaft mit dem Wein. Da ist die Tradition, da ist das Private, das Marketing, die Ökologie, der Stil. Natürlich sind das unterschiedliche Dinge, aber so ganz lässt sich das nie trennen und Probleme gibt es immer. Ich wünsche mir eigentlich, dass es so weitergeht, wie sich das die letzten Jahre entwickelt hat. Dass man sich nicht aufreibt und mit Freude weitermacht. Ich bin unglaublich leidensfähig, denn wenn man Fehler macht, merkt sich der Wein das und man kann einfach nichts mehr rückgängig machen. Ich will weiterhin hart arbeiten. Es ist okay, wenn die Dinge mal nicht so klappen, wie man will - aber ich will alles gegeben haben. Geduld und Demut sind da Zauberwörter.
Auch Zauberorte gibt es viele. Einer davon ist bestimmt das Weingut Weedenborn; es liegt auf der höchsten Erhebung Rheinhessens und der Panorama-Blick gehört nicht zu den Dingen, die man aufschreiben kann. Aufzeichnen, höchstens, nämlich auf Gesines Sauvignon Blanc-Etikett. Die Lage ist hoch, es windet und der Himmel bildet denkbar dramatische Formationen. Die Schussapparaturen am Weinberg hört Gesine schon gar nicht mehr. Sie ist beschäftigt mit dem Wesentlichen. Und das schmeckt man. Text: Juliane E. Reichert