Mit manchen Vorurteilen ist es wie mit Dachböden. Aufräumen lassen die sich kaum und je älter, desto unüberschaubarer, wie das alles hat zustande kommen können.
Hat es je eine Zeit gegeben, in der Frauen mehr Frischkäse gegessen haben, Männer hingegen vor allem Stilton? Und was ist mit Ziegenfrischkäse, der ist ganz weiblich weich, aber auch so maskulin rustikal? Dass ein Kotelett männlicher anmutet als ein Geflügelspieß, liegt vermutlich eher am Fettgehalt, denn am Geschmack.
Googelt man „Frauen“ und „Süßigkeiten“ stößt man auf ein Potpourri alter Vorurteile und den Versuchen, mit ihnen aufzuräumen. Zwischen „Frauen brauchen Süßes, Männer Deftiges“ und „Männer sind die größeren Schleckermäuler“ ist alles dabei. Man kann Toiletten nach Männern und Frauen trennen, aber beim Geschmack hört es auf.
Trotzdem herrscht im Whiskyfachhhandel eine absurde Angst, man(n) könnte fälschlicherweise ein Frauen-Whisky untergejubelt bekommen. Was auch immer das sei. Süß, vielleicht, irgendwie weich, vor allem aber nicht rauchig, nicht torfig und schon gleich gar nicht hochprozentig. Zur Erinnerung, es geht um Whisky. Keine Frau kommt in den Whiskyladen, weil sie eigentlich Apfelsaftschorle kaufen wollte. Manche kaufen sogar eine Zigarre dazu. Die lassen sich vom Adverb „rauchig“ so wenig abschrecken, wie von einem Massagegutschein.
Wenn Männer in den Laden kommen, und einen Balvenie kaufen möchten – einer der süßesten Single Malts auf dem schottischen Markt – darf man ihnen nicht sagen, dass der Whisky „mild“, schon gleich gar nicht „weich“ ist, sonst wird der Whisky zurückgestellt. Manche, denen das Dilemma bekannt ist, fügen entschuldigend hinzu, sie wüssten, das „ist ein Frauenwhisky. Aber trotzdem.“ Das sei völlig in Ordnung, sagt man dann und zeigt sich mitfühlend. Als Frau darf man das, wir sind ja die mit den Gefühlen.
Vielleicht entspannt es den Einen oder Anderen zu hören, dass es gar keine Mädchen-Malts gibt. Man läuft also nicht Gefahr, einen solchen zu erwischen, ganz egal, was Mann und Mensch gut schmeckt. Es stimmt, Statistiken geben an, dass Frauen weniger hochprozentig trinken. Dafür trinken sie weitaus herber und, im Falle von Whisky, auch rauchiger als das Team Testosteron.
Wenn man nun dringend Kategorien braucht, wäre es beispielsweise sinnvoll, von Einsteiger-Whiskies zu sprechen, oder von komplexeren Malts. Man könnte auch sagen, dass die einen Whiskies zugänglicher sind als andere. Haben weniger Ecken und Kanten, und sind, wir sagten es bereits, weicher. Wie Frauen auch?! Jeder, der sich schon einmal ernstlich mit einer gestritten hat, weiß, dass dem nicht so ist. Nicht einmal körperlich stimmt das.
Das schmeckt dann so überhaupt nicht nach Honig und Apfel, eher nach zerschlagenem Aschenbecher oder angezündeter Tankstelle. Vielleicht also gar nach einem Octomore, einem Whisky mit 167ppm. „Parts per Million“ geben an, wie viel Anteil Phenol im Malz enthalten ist, wobei Phenol jener Bestandteil ist, der einen „Männerwhisky“ zu einem solchen machen soll. Rauchig, torfig, herb schmeckt das dann. Zwischen 30 und 40 Jahren rauchen 31 Prozent Männer, 30 Prozent Frauen. Außerdem essen Männer nahezu doppelt so viel Bäckersüßes wie Frauen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, auch wenn es einigen nicht schmeckt: wieso, um alles in der Welt, sollten Frauen daher weniger rauchigen Whiskies trinken und Süßes bevorzugen? Den Grund dafür gibt es nicht, weder historisch, noch kulturell oder sonstwie bedingt.
Tun wir uns doch endlich und ein für allemal den Gefallen, nicht mehr von „Frauenwhiskies“ zu sprechen. Wir könnten dann einfach über Whisky sprechen. Zum Beispiel darüber, wie er schmeckt, könnten sagen, dass Laphroaig torfig, Lagavulin rauchig und Talisker pfeffrig sei, Glenfarclas hingegen fruchtig, Cardhu süß und Auchentoshan weich. Nur weil ein Whisky blumig ist, wachsen nach dem Aufwachen keine Blumen aus den Ohren, versprochen. Keine und keiner will Männern ihre Ohrensessel-Maskulinität im holzvertäfelten Herrenzimmer wegnehmen. Frauen stört es in der Regel übrigens nicht, von „Frauen-Whiskies“ zu sprechen. Leid tun bloß die Männer, die sich ihrer kulinarischen Virilität beraubt fühlen; das muss doch wirklich nicht sein!
Hier geht es, um Gottes Willen, um keinen Beitrag zur Gender-Debatte sondern um Whisky. Menschen, die gerne Whisky trinken, trinken unterschiedlich gerne unterschiedliche Whiskies. Das ist sogar innerhalb eines einzigen Menschen so, obwohl der vermutlich keine femininen oder maskulinen Phasen hat. Man stellt sich schließlich auch nicht vor, Frauen läsen ausschließlich Bücher über Tischdekoration und Strickmuster, Männer hingegen über Rennautos und Dinosaurier. Und wer liest klassische Literatur? Menschen, die es sich leisten können. Vielleicht trinken sie sogar einen Whisky dazu.
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