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Das einzig wahre Mittel gegen Whiskykater

Ist Whisky, die erdigste aller Spirituosen, ein Männerding? Trübt Wasser wirklich den Genuss? Und wer stellt eigentlich den besten Whisky her? Unsere Expertin räumt mit den gängigsten Vorurteilen auf.

Über Whisky gibt es so viele Klischees und Missverständnisse wie Inseln in den westschottischen Hebriden (also über 500). Einigkeit herrscht über zweierlei: Prince Charles bevorzugt den sehr rauchigen Laphroaig von der Insel Islay. Und das Getränk schmeckt nicht nur in Herrenrunden. Auch die Zigarre dazu ist optional. Hier 13 weitere Klarstellungen.


1. Die Japaner machen jetzt auch Whisky

Es gibt inzwischen Whisky aus Bayern, Berlin und sogar aus Sylt. Und seit vergangenem Jahr gibt es unter Fachhandelkunden einen ganz neuen Hype: Whisky aus Japan! „Neu“ bedeutet in diesem Fall, dass die erste Destillerie 1923 in Japan gegründet wurde, wir uns aber 93 Jahre später erst dafür interessieren. Manche Nachrichten reisen eben langsam.


2. ... und dann gleich den besten Whisky der Welt

Für Hysterien gibt es fast immer einen Grund. Die Jury der „Whisky Bible“ – dem in Stein gemeißelten Manifest, das über den Whisky des Jahres entscheidet – besteht aus genau einer Person: dem ehemaligen Sportjournalisten Jim Murray. Dieser hat 2015 zum großen Entsetzen der Schotten einen japanischen Whisky ausgezeichnet. Der Yamazaki 2013 aus dem Sherryfass kostet seitdem das Dreifache, wird anders produziert und schmeckt auch ganz anders.


3. Wo der Dalai Lama wohnt, destilliert man nicht

Oh doch, und das schon seit 1820. In Indien machen Spirituosen 70 Prozent des gesamten Alkoholmarktes aus, 55 Prozent erzielt allein der Whisky. Durch das feuchtwarme Klima reift er viel schneller als in Schottland. Dadurch kann ein vierjähriger Inder es durchaus mit einem zwölfjährigen Highlander aufnehmen. Weil Indien oft unter Mangel an Nahrung litt, war es sehr umstritten, Getreide zur Alkoholproduktion zu verwenden. Einer der bekanntesten und am meisten verkauften indischen Whiskys ist der Amrut. Bei ihm wird indische und schottische Gerste verwendet, daher „Fusion“, er schmeckt fruchtig, rauchig und ein bisschen fremd.


4. Geschmacksurteile sind Geschmackssache

Von wegen. Neben Murray gibt es viele, die Whisky trinken und die aufschreiben, wie es ihnen schmeckt. So notiert Michael Jackson – ein anderer! – zu einem 12-jährigen Ben Nevis Folgendes: „Riecht nach Kumquat und schmeckt wie die Handtasche eines billigen Flittchens.“ Man weiß nicht, wen dieses Fazit zweifelhafter wirken lässt: den Whisky oder den Mann. Jim Murray muss, um auf seine 4600 beschriebenen Whiskys zu kommen, allerdings auch jeden Tag zwölf Stück trinken, da kann es schon mal nach „Bauernhof“ oder „Putzmittel“ schmecken.

Auch viele Frauen lieben Whisky Manche von ihnen haben sogar deutlich mehr Ahnung davon als Mnner

Auch viele Frauen lieben Whisky. Manche von ihnen haben sogar deutlich mehr Ahnung davon als Männer


5. Whisky ist ein Männerding

Genau wie Zahlen. Oder Autos. Oder blaue Zahnbürsten. Bei einer Blindverkostung ordneten weibliche Teilnehmer einen Whisky, den sie noch nie getrunken hatten, treffsicherer seiner Beschreibung zu als Männer. Das liegt wohl vor allem daran, dass Männer unter größerem Druck stehen, die richtige Antwort zu geben, wohingegen Frauen einfach schmecken.


6. Harte Drinks für harte Typen

Ein schönes Bild, in dem Baumarkt-Accessoires, Autoteile und Achselhemden vorkommen. Wie so viele Klischees hält es sich nicht. Süße Whiskyliköre kaufen Männer nämlich am liebsten allein und unbeobachtet vom eigenen Geschlecht. In einer Gruppe von Männern hingegen werden eher hochprozentige Destillate gekauft, in Begleitung der Frau gern ein Klassiker. Man kennt sich ja aus und kann Welt und Whisky erklären, Stilechtes von Stilbrüchen unterscheiden. Es stimmt schon – als Anfänger sollte man zunächst mit milden Malts beginnen. Das heißt allerdings nicht, dass Männer per se rauchige Whiskys trinken und Frauen Liköre bevorzugen. Männer trinken ihn nur heimlich.


7. Whisky hilft gegen Erkältung

Medizinisch natürlich nicht haltbar. Aber der Schotte kippt Whisky selbst in seine heiße Zitrone. Und natürlich wird man besser gesund, wenn man glücklich statt greinend krank ist. Und es geht schneller vorbei, wenn man schläft, statt schnieft. Ein Dram – das entspricht einem kleineren oder größeren Schluck –, eine halbe Zitrone und ein Teelöffel Honig – genannt „Toddy“ – ist seit jeher der sichere Weg zur Genesung. Bei allem.


8. Whisky ist nur zum Trinken da

Zweifelsohne ist es schön, zur spätabendlichen Lacan-Lektüre im Ohrensessel einenHighlander zu schlürfen. Es geht aber auch anders. Aus 3 Eigelb, 100g Zucker, 250ml Milch, ebenso viel Schlagsahne und 8cl Whisky lässt sich ein wunderbares Whisky-Eis herstellen.

Auch bei Whisky-Fssern kommt es auf die Details an Arbeiter in einer schottischen Destillerie

Auch bei Whisky-Fässern kommt es auf die Details an: Arbeiter in einer schottischen Destillerie


9. Fässer lügen nicht. Oder nur ein bisschen

Nicht beim Whisk(e)y. Einmal ganz davon abgesehen, dass es einen himmelweiten Unterschied bedeutet, ob einer im Eichenfass aus Europa oder Amerika, in einem ehedem mit Madeira, Portwein- oder Sherry befüllten Fass gelagert wurde, ist auch dessen Innenleben von Bedeutung. Innovation und Tradition zu vereinbaren ist bisweilen eine Herausforderung: Zuletzt baute der Abfüller „Compass Box“ zusätzliche Holzstäbe zur schnelleren Reifung in seine Fässer ein und fing sich damit eine Rüge der „Scotch Whisky Association“ ein.


10. Whisky ist ein bisschen von gestern

Falsch. Im kommenden Jahr öffnen gleich zwei Destillerien im Mekka des torfigen Whiskys, der schottischen Hebrideninsel Islay. Sie heißen Ardnahoe und Gartbreck. 1779 wurde hier die erste Destillerie gegründet, im Jahr 1881 war dann erst einmal Schluss. Bis im Jahr 2002 die bislang kleinste Destillerie der Insel den Betrieb aufnahm: Kilchoman. Das Malz wird selbst angebaut und die Tore der Farm bewacht ein echter Bulle, so groß wie eine Brennblase.


11. Je schwerer das Glas, desto Whisky

Auch wenn es „Mad Men“ anders vormacht: Whisk(e)y wird traditionell nicht aus Tumblern getrunken, sondern aus Nosing-Gläsern. Weil man, der Name verrät es, damit besser riechen kann. Tumbler sind ein Rudiment der Prohibition: Wurde man beim Whiskeytrinken überrascht, konnte man das vermeintliche Wasserglas schnell zerschmettern. Geglaubt hat’s keiner – das Gegenteil bewiesen aber auch nicht. Und auch wenn Eis sehr schick ist und schön klingt: Man nimmt Aromen besser wahr, wenn der Whisky Zimmertemperatur hat.

Eiswrfel im Whiskey darf man das


12. Wasser verwässert den Genuss

Nonsense. Zumindest, wenn man in Schottland trinkt. Wasser in Whisky zu geben, ist weder Sakrileg noch macht man damit aus ihm eine Schorle. Es schließt schlichtweg Aromen auf, die vorher von Alkohol überdeckt waren. Der ist und bleibt ein Nervengift und gerade Abfüllungen in Fassstärke profitieren von einigen Tropfen Wasser. Ein Whisky in Fassstärke ist eine Abfüllung, die direkt aus dem Fass kommt und nicht auf Trinkstärke verdünnt wird. Wer zunächst einen Schluck pur trinkt und dann einige Tropfen Wasser nachgibt, wird sein blaues Wunder erleben. Oder glücklicherweise eben gerade nicht. Für echte Genießer gibt es sogar Pipetten.


13. Nichts hilft gegen Whiskykater

Doch. Das traditionelle Rezept der Schotten heißt Haggis: Schafsmagen, der mit Herz, Leber und Lunge gefüllt ist. Erwiesenermaßen liefern Innereien wie Kutteln, Leber, Milz, Niere und Pansen nämlich viel mehr Eisen, Jod, Kalium, Kupfer, Mangan, Natrium, Selen und Vitamin A, B2, B3, B5, B7, B9, B12, D und K als jedes Muskelfleisch und Gurken-Smoothie zusammen.


Juliane Eva Reichert ist Autorin und schreibt die Tasting-Notizen für den Berliner Laden Whisky & Cigars.

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