Julian Weber

Freier Journalist, Heidelberg

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Ein Bayer im Exil auf dem Wasen in Stuttgart

Peter Brandl ist waschechter Festzeltwirt - er selbst stammt aus München, sein Bier kommt aus Baden, aber sein Zelt steht in Stuttgart.

Stuttgart - Die grauen Haare von Peter Brandl sind akkurat zurückgekämmt, bei der Arbeit trägt der 60-Jährige Trachtenjanker und Haferlschuh. Der Münchner mit bayerischem Dialekt ist der Inbegriff eines Festwirts. Sein Zelt steht aber nicht auf der Münchner Wiesn, sondern auf dem Cannstatter "Wasen" in Stuttgart.

Der "Wasen" geht für Brandl schon in der letzten Woche im Juli los. Dann rückt er mit seinem Zelt an - verteilt auf 32 Tiefladern. Den Aufbau übernehmen zehn Stammarbeiter. Während des Volksfests arbeiten bis zu 175 Menschen für ihn, einige schon in der zweiten Generation.

Die Anfrage von der Fürstenberg-Brauerei in Donaueschingen kam im Jahr 2004: Ob Brandl sich ein Zelt auf dem Cannstatter "Wasen" zutraue würde. "Ich habe eine kurze Bedenkzeit gebraucht und abgecheckt, was alles nötig ist, um das zu bewältigen", erzählt er. Danach ging es schnell: Ein neues Bierzelt und eine Kundenkartei mussten her. "Die ersten drei Jahre waren schwere Arbeit. Wir wussten nicht, wie die schwäbische Bevölkerung auf so etwas reagiert", erinnert er sich.

Das Festzelt auf dem Cannstatter "Wasen" ist der vorläufige Höhepunkt in der 90-jährigen Geschichte des Familienbetriebs. Der erste Festzeltwirt der Familie war Brandls Urgroßvater, ein Metzgermeister und Gaststättenbesitzer aus der Münchner Isarvorstadt. 1925 gründete er dort den Betrieb, 1949 war er mit der Hacker Festhalle auf dem Münchner Oktoberfest vertreten.

Verständigungsprobleme hat der Bayer in Schwaben nicht

Bayer Brandl passe "sehr gut" in die "Wasen"-Gemeinschaft und fühle sich im "Exil" wohl, sagt Festwirte-Sprecher Werner Klauss. "Er ist ein umgänglicher Mensch mit großer Erfahrung." Seine vielfältigen Kontakte zur großen Wiesn seien sicher für den einen oder anderen Wirt auf dem Cannstatter Volksfest hilfreich. Schwäbisch-bayerische Verständigungsprobleme gebe es jedenfalls nicht: "Ich glaube, er hat mehr Probleme, uns zu verstehen, als wir ihn", meint Klauss.

Nach dem Urgroßvater übernahm sein Vater die Firma, seit 1985 ist Peter Brandl selbst der Chef. "Eigentlich wollte ich bei meinem Vater nur Geld für die Abifahrt verdienen", erinnert er sich. Den Charakter eines Reisebetriebs hat er erhalten, neben dem "Wasen" bewirtet er auch auf dem Mannheimer Maimarkt und auf der Südwest-Messe in Villingen-Schwenningen, den beiden größten Verbrauchermessen im Land. Baden-Württemberg ist für Brandl zum Zentrum geworden.

Eine Angewohnheit seines Urgroßvaters hat er sich trotz der langen Tradition nicht erhalten. Zur Eröffnung eines Festtags stieg der Firmengründer immer auf die Bühne zur Musikkapelle und dirigierte den Bayerischen Defiliermarsch. "Ich kann nicht dirigieren", grinst Brandl. Der schönste Moment des "Wasen" ist für ihn der Volksfestumzug.

Der Festzeltbetrieb ist nicht nur in Familienhand, auch im Privatleben ist das Zelt oft Gesprächsthema. "Man ist immer Festzeltwirt, das legt man nicht ab", meint Brandl. Sein Wunsch: "Sollte mir meine Gesundheit erhalten bleiben, möchte ich in zehn Jahren noch das 100. Jubiläum meines Betriebs feiern." Am 11. Oktober kann Brandl erst einmal eine Verschnaufpause einlegen, dann ist der Wasen für dieses Jahr zu Ende.

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