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Im Kleinen das Große

Ich gehe gerne popkulturellen Alltagsphänomenen auf den Grund: das therapeutische Sprechen der urbanen Mittelklasse über "Traumata" und "toxische Beziehungen", zu-Verschenke-Kisten vor Altbauwohnungen in neobürgerlichen Vierteln, dem Technopony als feministische Frisur. Ich bin davon überzeugt, dass sich in vermeintlich banalen Zeitgeistphänomenen größere Linien nachzeichnen lassen. Kann es nicht zum Beispiel sein, dass die neobürgerliche Schicht mit den Geschenkekisten versucht, das eigene schlechte Gewissen zu bereinigen, ebenfalls in der Konsumgesellschaft versagt zu haben? Anscheinend lebt es sich leichter in der Vorstellung, die Mikrowelle von 1997 könne noch jemand gebrauchen, als den demütigenden Weg zum Wertstoffhof anzutreten. Und auch das obsessive Sprechen über die eigene Psyche könnte ein Hinweis darauf sein, dass die junge Generation politische Probleme zunehmend individualisiert und strukturelle Fragen zunehmend aus den Augen verliert. Achja, und die Zigarette, dieses Teufelszeug. Dass sie ein Comeback feiert, könnte daran liegen, dass der Reiz der Unvernunft in angsterfüllten Zeiten besonders groß ist.