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Stress-Management im Büro: So schützen Sie sich vor Überlastung - WELT

Karriere Belastung im Job

Stress-Management im Büro - So schützen Sie sich vor Überlastung

Ständig erreichbar, Mittagspause verkürzt und trotzdem nicht fertig geworden. Viele Beschäftigte klagen über zu viel Stress bei der Arbeit. Klare Regeln und die eigenen Arbeitskollegen können dabei helfen.

Beim Frühstück schon die E-Mails checken, auch nach Feierabend noch Anrufe vom Chef entgegennehmen - und trotzdem ist da das Gefühl, nichts geschafft zu haben. Unzufriedenheit und Überlastung - im Alltag vieler Beschäftigter sind diese Gefühle ein ständiger Begleiter.

Denn Stress ist in der modernen Arbeitswelt zu so etwas wie einer Volkskrankheit geworden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten fühlt sich regelmäßig gehetzt am Arbeitsplatz, zeigt der „Index Gute Arbeit 2019" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus dem vergangenen Jahr. Flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, scheinen nicht zur Entlastung beizutragen.

Besonders in hochqualifizierten Berufen in der IT und im naturwissenschaftlichen Bereich schaffen 35 Prozent der befragten Mitarbeiter ihre Arbeit nicht in der regulären Arbeitszeit. Darunter leidet auch das Privatleben: Ein Drittel der Beschäftigten fühlt sich der Umfrage zufolge nach Feierabend ausgebrannt.

Das kann auch für Unternehmen zum Problem werden: In den Jahren 2008 bis 2017 haben die Krankheitstage wegen psychischer Belastungen um 144 Prozent zugenommen, zeigen Zahlen der Bundesregierung. Doch es gibt Möglichkeiten, dem Teufelskreis zu entkommen - und Stress im Job vorzubeugen. Dabei sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen gefordert.

Wichtig ist zunächst, die Symptome der Überlastung rechtzeitig zu erkennen, erklärt Mazda Adli, Stressforscher und Chefarzt der privaten Fliedner Klinik in Berlin. Denn grundsätzlich schlecht ist Stress nicht. „Er ist eine gesunde Reaktion auf Herausforderungen", sagt Adli.

Zum Problem werde er dann, wenn er unbeeinflussbar oder unvorhersehbar werde - und wenn Arbeitnehmer sich ihm aus eigener Kraft nicht mehr entziehen könnten. „Wenn man merkt, dass man sich nicht mehr entspannen kann und auch der Schlaf nicht mehr erholsam ist, dann ist das ein Warnsignal, dass der Stress zu viel wird", erklärt der Arzt.

Stress ist kein Tabuthema

Im nächsten Schritt sollten Arbeitnehmer sich fragen, was sie selbst an den Verhältnissen ändern können. Viele Probleme ließen sich am einfachsten auf der Arbeitsebene unter Kollegen lösen, sagt Dirk Windemuth. Er ist Direktor des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG).

„Kollegen, auf die man sich verlassen kann, sind der wichtigste Stresspuffer", erklärt er. Sie beugen nicht nur Unzufriedenheit und Überlastung vor, indem sie für ein gutes und vertrauensvolles Arbeitsklima sorgen. Sie sollten auch der erste Ansprechpartner sein.

Hilfreich sei oft ein enger Austausch, wie man gemeinsam für gegenseitige Unterstützung und Entlastung sorgen kann, sagt Stressforscher Adli. Aber auch klare Absprachen, wer für welche Aufgaben zuständig ist, könnten helfen, Stress zu minimieren. Das gelte insbesondere dann, wenn man freihat oder einen Urlaub plant, sagt Psychologe Windemuth.

Lassen sich die Probleme nicht eigenständig lösen, kann ein Gespräch mit dem Chef weiterhelfen. So banal es klingt: Viele Führungskräfte bekommen gar nicht mit, was Mitarbeiter tatsächlich leisten und wann es zu viel wird.

Karriereberater empfehlen, in ein solches Gespräch gut vorbereitet und lösungsorientiert zu gehen. Was sind die Stressfaktoren und was kann verbessert werden? In jedem Fall lohnt es sich, das Thema anzusprechen und nicht darauf zu warten, dass die Situation sich von selbst ändern wird.

IAG-Direktor Windemuth ermutigt Arbeitnehmer grundsätzlich zur Ehrlichkeit. Stress sei schon lange kein Tabuthema mehr. Dass Mitarbeiter auch nach Feierabend mit dem Kopf noch im Büro sind und E-Mails beantworten, sieht der Psychologe vor allem als Zeichen dafür, dass sie loyal und zuverlässig sind.

Am Arbeitsplatz privat erreichbar

Doch der Arbeitgeber sei auch in der Pflicht, Grenzen setzen. „Oftmals fehlt das Bewusstsein dafür, dass Erholung die Leistung steigert. Das ist auch eine Frage der Unternehmenskultur ", sagt Windemuth. Der Arbeitgeber müsse die Erreichbarkeit klar regeln. Das gilt auch für das Arbeiten von zu Hause.

„Im Homeoffice zu arbeiten ist gar nicht so einfach", erklärt Stressforscher Adli. Es fehle die unmittelbare Unterstützung eines Teams, auch positives Feedback komme oft zu kurz. „Dadurch kann auch Stress entstehen." Auch Heimarbeit muss deshalb vom Arbeitgeber ordnungsgemäß organisiert sein.

Auch die Arbeitnehmer selbst sind gefordert, erklärt Psychologe Windemuth: „Gleichzeitig müssen Beschäftigte aber auch so diszipliniert sein, das Handy am Wochenende oder im Urlaub auszuschalten, soweit dies so geregelt ist."

Denn Experten sehen noch eine zweite Stellschraube, an der Arbeitnehmer ansetzen können, um Stress zu minimieren: Freizeitgestaltung. Wichtig sei, zu verstehen, dass Überlastung längst nicht nur im Büro entsteht, betont Windemuth. Auch das Privatleben ist stressiger geworden.

„Viele Menschen sind nicht nur privat dienstlich erreichbar, sondern auch am Arbeitsplatz privat erreichbar. Da gibt es keine klare Trennung mehr", sagt der Psychologe. Genauso entscheidend sei deshalb, den privaten Stress nicht mit ins Büro zu bringen.

Hobbys bauen Stress ab

Hinzu kommt: Viele Menschen betreiben inzwischen auch in der Freizeit Multitasking. Im Netz surfen beim Filmeabend, während des Abendessens die Einkaufsliste schreiben oder beim Sport private Nachrichten beantworten - all das stört die Erholung.

Ob Stress krank macht oder sogar zum Burn-out führt, hängt deshalb auch davon ab, wie man seine Freizeit gestaltet. Eine der besten Ausgleichsmöglichkeiten ist Bewegung, sagt Stressforscher Adli. „Sport reguliert die Stresshormone, hilft, die Anspannung zu senken und steigert das Wohlbefinden."

Er empfiehlt, beispielsweise zwei- bis dreimal wöchentlich 30 Minuten zu laufen. Schon Spaziergänge können das Abschalten erleichtern. Aber auch andere Hobbys bauen Stress ab. „Alles, was positive Emotionen hervorruft, kann dabei helfen, nach Feierabend abzuschalten", erklärt Adli.

IAG-Chef Windemuth sieht das ganz ähnlich. Moderne Stresstherapien wie Yoga oder Meditation, die inzwischen auch viele Krankenkassen anbieten, seien längst nicht für jeden das Richtige. Entscheidend sei, dass jeder den Ausgleich findet, der zu ihm passt.

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