Julian Dorn

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Streit mit Ultrakonservativen: Donald Trump, „das Monster aus dem Sumpf"

Dass der amerikanische Präsident Donald Trump auf Twitter die Konfrontation nicht scheut, ist bekannt. Doch jetzt könnte ihm sein jüngster Tweet zum Verhängnis geworden sein. Denn er legt sich mit seinen treuesten Anhängern an, denen er den Einzug ins Weiße Haus maßgeblich zu verdanken hat. Am Donnerstagmorgen twitterte Trump in gewohnt undiplomatischer Manier: Die Parlamentariergruppe „Freedom Caucus" werde noch die gesamte republikanische Agenda „in Gefahr bringen, wenn sie nicht bald im Team spielen." Dann machte er ihr gar eine Kriegserklärung: „Wir müssen sie bekämpfen." Damit hob er die Gruppe auf eine Stufe mit den Demokraten, denen er ebenfalls bereits den Kampf angesagt hat - und zwar bei der Wahl zum Repräsentantenhaus 2018, auf die Trump in seinem Tweet anspielt.

Der „Freedom-Caucus" ist eine Gruppe von sehr konservativen Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Sie sind so etwas wie der parlamentarische Arm der ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung, die radikale Haushaltskürzungen und Steuersenkungen, mehr Militär, weniger Einwanderung und einem generellen Rückbau staatlicher Institutionen fordern. Die 2015 gegründete Gruppe ist bei den Republikanern im Repräsentantenhaus eine beinharte innerparteiliche Opposition zu den Moderaten. Sie umfasst rund 30 Abgeordnete, die genaue Zahl wird absichtlich nicht bekanntgegeben. Die Ultrakonservativen hatten mit Donald Trump zunächst eine Identifikationsfigur gefunden und konnten viele Wähler aus dem rechten Lager für ihn mobilisieren.

Warum sagt der amerikanische Präsident seinen ehemaligen Unterstützern nun den Kampf an? In Rage gebracht hat Trump wohl, dass es eben diese Anhänger seiner Politik waren, die seine Pläne zur Abschaffung und Reform des Krankenversicherungssystems „Obamacare" boykottiert hatten. Am vergangenen Freitag weigerten sie sich, seinen „American Health Care Act 2017" abzusegnen. Für Präsident Trump war das die bisher schwerste Niederlage. Die Partei war ob der mangelnden Loyalität der Gruppe erbost: „Der Freedom Caucus repräsentiert sieben Prozent der Stimmen, aber sie erwarten, einhundert Prozent ihrer Ziele durchzusetzen," schreibt etwa das konservative Nachrichtenportal „The Hil l." „Und wenn das nicht klappt, stampfen sie auf den Boden und ziehen ab."

Trumps Gesundheitsreform nicht radikal genug

Die konservative Gruppe gab allerdings nach der gescheiterten Abstimmung noch vor, dem Präsidenten generell nicht zur Gänze widersprechen zu wollen. „Wir wollen nicht gegen den Präsidenten ankämpfen", sagte einer der Mitglieder, Ted Yoho, „wir wollen nur das in Ehren halten, was wir bis heute erreicht haben." Man habe echte politische Bedenken gegenüber dem Gesetzesentwurf gehabt, hieß es zur Begründung. Kritiker werfen Trump vor, den an der Parteibasis von Anfang an alles andere als beliebten Gesetzesentwurf überhastet vorangetrieben zu haben, ohne sich um inhaltliche Details zu kümmern. „Vergessen wir den Kleinscheiß", soll er laut einem Bericht des Online-Magazins Politico zu den skeptischen Parlamentariern gesagt haben. „Wir müssen an das große Bild denken."

Das reichte dem „Freedom Caucus" offenbar nicht. Die einflussreiche Gruppe der Republikaner, geführt von Mark Meadows, war bei Trumps Plänen zur Krankenversicherung zu keinem Kompromiss bereit: Die „Washington Post" berichtet, dass „Freedom Caucus" nicht etwa „Obamacare" durch ein alternatives Programm ersetzen, sondern das unter der demokratischen Ägide entstandene Krankenversicherungssystem einfach nur abschaffen wollte. Die Forderung: Keine gesetzliche Krankenversicherung für die, die es sich nicht leisten können.

Wie die „New York Times" schreibt, hatte Trump in den Wochen vor der geplanten Abstimmung massiv Druck auf die Erzkonservativen aufgebaut, um sie zu einem Einlenken zu bewegen - selbst vor der Drohung, „Jagd" auf alle Abweichler zu machen, schreckte er nicht zurück. Doch der „Freedom Caucus" ließ sich davon nicht beeindrucken und verweigerte dem Präsidenten geschlossen die Gefolgschaft.

„Freedom Caucus" könnte Trumps Agenda gefährlich werden

Nachdem Trump zunächst ausschließlich die Demokraten für das Scheitern seiner Gesundheitsreform verantwortlich gemacht hatte, schiebt er nun den schwarzen Peter dem „Freedom Caucus" zu. Bereits zwei Tage nach Trumps Niederlage twitterte er erbost: „Die Demokraten lächeln in Washington, denn der Freedom Caucus hat Obamacare gerettet." Nun erklärt er sie ganz offiziell zu seinem Feind.

Die Reaktion seiner früheren Unterstützer ließ nicht lange auf sich warten: Mark Meckler, der ultrakonservative Mitbegründer der so genannten „Tea Party Patriots", einer Gruppe innerhalb der Tea-Party-Bewegung, sagte, dass ihn Trump „anwidere". Und weiter: „Der Mann, der versprochen hat, den Sumpf in Washington trockenzulegen, scheint jetzt selbst zum Sumpf-Monster geworden zu sein." Dabei spielt Meckler auf das Monster aus dem amerikanischen Horrorfilm „Creature from the Black Lagoon" aus dem Jahre 1954 an.

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Trump hat sich jetzt mächtige Feinde gemacht, die ihm bei zukünftigen Vorhaben durchaus gefährlich werden können. Denn er ist auf die Stimmen des „Freedom Caucus" angewiesen. Das dürfte ihm spätestens bei der Verabschiedung des amerikanischen Staatshaushalts im Repräsentantenhaus bewusst werden. Stimmen die Abgeordneten der Gruppe gegen seinen Haushaltsentwurf, kommt keine republikanische Mehrheit zustande und es droht am 29. April ein Szenario wie vor knapp vier Jahren: der „Government Shutdown", der Stillstand der amerikanischen Verwaltung. 2013 war das der Fall, weil sich Senat und Repräsentantenhaus nicht auf einen gemeinsamen Haushalt einigen konnten. Auch Trumps Steuerreform und sein Infrastrukturprogramm, das Investitionen von rund einer Billion Dollar beinhaltet, könnten nun am Widerstand des „Freedom Caucus" scheitern. Besonders seine kostenintensiven Infrastrukturvorhaben stoßen bereits seit geraumer Zeit auf wenig Wohlwollen beim „Caucus". Dort sorgt man sich offenbar um steigende Staatsschulden. Der „Freedom Caucus" setzt sich seit Jahren dafür ein, öffentliche Investitionen etwa in den Nahverkehr zu kürzen.

Sein angekündigter Kampf gegen die Ultrakonservativen bei der Wahl des Repräsentantenhauses in einem Jahr könnte für Trump schwierig werden. Die meisten Caucus-Mitglieder sind in ihren konservativen Wahlbezirken seit Jahren tonangebend und können auf eine breite Stammwählerschaft setzen. Bei den Wahlen im November erzielten sie deutlich bessere Ergebnisse als Donald Trump selbst und lagen durchschnittlich fast 40 Prozent vor ihren Herausforderern. In einigen Bezirken wurden erst gar keine Gegenkandidaten ins Rennen geschickt.

Pakt mit den Demokraten als letzter Ausweg?

Sollten die Erzkonservativen unter den Republikanern Trump die Gefolgschaft bei weiteren Gesetzesinitiativen verweigern, so wäre er auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. In einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CB S warnte der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, genau davor: Trump laufe Gefahr, eher mit willigen Demokraten zusammenzuarbeiten als mit den eigenen Leuten. „Ich möchte nicht, dass das passiert", fügte er hinzu und forderte die Republikaner auf zusammenzustehen.

Doch momentan sieht es eher nicht danach aus - im Gegenteil. Michael Flynn Junior, der Sohn des geschassten Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn, polterte gegen Trump via Twitter: „Warum gibt sich Trump mit den Sesselklebern unter den Republikanern und den verrückten Demokraten ab?"

Der Republikaner Justin Amash schrieb auf Twitter, Trump sei jetzt auch Teil jenes Washingtoner Establishments, das er noch im Wahlkampf bekämpfen wollte. „Es hat nicht lange gedauert, bis der Sumpf @realDonaldTrump ausgetrocknet hat", twitterte Amash. „Sie müssen sich nicht schämen, Mr. President, beinahe jeder erliegt irgendwann dem Washingtoner Establishment."

Donald Trump könnten also langsam die Verbündeten ausgehen, selbst die eigenen Reihen wenden sich gegen ihn. Die Fehde mit seinen ehemaligen Anhängern könnte seiner Agenda nun brandgefährlich werden.

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