Julian Budjan

Freier Journalist, Düsseldorf

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Individuell geduselt

Zwei Tore zur Wende: Nicole Rolser (li.) und Fridolina Rolfö bejubeln das späte 2:1 für den FC Bayern. (Foto: imago/foto2press)

Die FC-Bayern-Frauen enttäuschen, aber drehen die Partie gegen Essen mit späten Toren zu einem 2:1-Erfolg.

Der sogenannte Bayern-Dusel ist ein im deutschen Fußball weit verbreiteter Glaube, dass der FC Bayern in den letzten Minuten eines Spiels das Glück auf seiner Seite hat und sich, wenn er spielerisch nicht überzeugt, meist noch durchsetzt. Dass an diesem Mythos etwas dran sein könnte, zeigte sich erneut am vergangenen Wochenende. Erst gewannen die Männer in Wolfsburg in der Nachspielzeit, ein Tag später drehten die Frauen in der Schlussviertelstunde das Spiel gegen die SGS Essen und starteten mit einem 2:1 in die Rückrunde. "Dass wir den Sieg glücklich errungen haben, steht fest", gab Trainer Thomas Wörle zu. "Wir haben gemerkt, dass wir noch nicht im Rhythmus sind."

Zwei Monate hatte der Spielbetrieb geruht. Im katarischen Doha hatten sich die FCB-Spielerinnen erstmals so professionell wie ihre männlichen Kollegen auf die Rückrunde vorbereitet. Die Mannschaft sei "heiß", dass es wieder losgehe, hatte Wörle vor dem Auftakt gegen Essen angekündigt. Stattdessen wirkte es am Sonntag im mit einem weißen Schleier bedeckten Grünwalder Stadion vor wenigen hundert Zuschauern, als wären sie noch nicht aus ihrem Winterschlaf erwacht und träumten von ihrer schönen Zeit im warmen Katar.

Zwar hatten die Bayern in der Anfangsphase viel Ballbesitz, doch der Spielaufbau wirkte lethargisch und steif, es fehlte an Tempo wie Bewegung. Gerade im vorderen Angriffsdrittel waren die Zuspiele ungenau, immer wieder versuchte die Mannschaft über die Außenbahnen in Tornähe zu gelangen, zu oft spielte sie sich aber an der zweikampfstarken Essener Defensive fest. Anders die Gäste, die zuletzt bereits zwei Nachholspiele absolviert hatten. Sie überzeugten durch Kombinationssicherheit, überspielten immer wieder unbeschwert die Münchner Verteidigung, die meist hinterherlief. Deren neue französische Nationalverteidigerin Laura Georges rettete mehrmals in höchster Not, wurde aber von den Mitspielerinnen zu wenig unterstützt. Das Fehlen von Simone Laudehr und Melanie Behringer machte sich bemerkbar. "Wir haben nicht die nötige Kompaktheit an den Tag gelegt", fand Wörle.

Essen geht in Führung und trifft danach zweimal nur die Latte

Mitte der ersten Halbzeit ging Essen in Führung. Eine hohe Flanke segelte in den Strafraum, am zweiten Pfosten schob Turid Knaak unbedrängt ein. Die Gäste blieben überlegen, hatten ein halbes Dutzend guter Chancen, um nachzulegen, die zwei besten, als der Ball nach einer Stunde innerhalb von Sekunden zweimal an die Latte knallte. Und der FC Bayern? Erzielte mit einem der ersten gelungenen Angriffe den Ausgleich durch die eingewechselte Nicole Rolser, die in eine flache Hereingabe rutschte. Und gewann unverhofft kurz vor dem Schlusspfiff durch ein schönes Solo von Fridolina Rolfö, die von außen in den Strafraum zog und den Ball an der Torhüterin vorbeisteckte. "Es gibt viel Verbesserungsbedarf zum heutigen Spiel", sagte Wörle, aber er sei froh, "dass wir über unsere individuelle Qualität noch gewinnen konnten."

Zu den drei Punkten gegen Essen gesellte sich noch eine Portion Dusel. Der SC Freiburg, zuvor in der Tabelle vor den Bayern platziert, verlor überraschend - ebenfalls kurz vor Schluss - beim MSV Duisburg, dem bisher punktlosen Letzten. So stehen die FCB-Frauen vor dem Duell mit Freiburg auf Rang zwei.

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