Julian Budjan

Freier Journalist, Düsseldorf

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Jenseits von Schifferstadt

Deutsche Spitzenathleten wie Erik Thiele (rechts, gegen Nürnbergs Reinier Perez) wechselten zum SVW, um einer Sperre durch den Verband zu entgehen.

Der SV Wacker Burghausen ist deutscher Meister - bei seiner Erfolgsgeschichte profitierte er davon, dass die besten Teams die Bundesliga im Streit verlassen haben.

Als der Schlusspfiff ertönte und feststand, dass Matthias Maasch seinen Kampf gewonnen hatte, streckte er seinen Zeigefinger triumphierend in die Höhe, und frenetischer Jubel brandete in der Halle auf. Am Samstagabend, kurz nach neun, hatten die Ringer des SV Wacker den ersten Mannschaftsmeistertitel der Vereinsgeschichte besiegelt. Und das, obwohl der Rückkampf beim KSV Köllerbach noch gar nicht vorbei war. Doch den 12-Punkte-Vorsprung, den sich Burghausen im Hinkampf errungen hatte, konnten die Saarländer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufholen. Und um die knappe 12:14-Niederlage scherte sich am Ende niemand mehr. "Wir haben uns speziell in den Playoffs als Mannschaft gefunden und die besten Vereine Deutschlands ausgeschaltet", sagte Abteilungsleiter Jürgen Löblein. "Wahnsinnig stolz" sei er auf seine Recken, die dafür gesorgt hatten, dass zum ersten Mal seit 52 Jahren der deutsche Meister im Ringen wieder aus Bayern kommt.

Das mit dem Ausschalten der besten Vereine ist allerdings so eine Sache. Erst vor der Saison war der SV Wacker in die Bundesliga zurückgekehrt. Und das nicht durch einen sportlichen Aufstieg, sondern weil die Ringer-Bundesliga nach einer Abspaltung von fünf der besten Klubs neu strukturiert wurde. Die Teams aus Weingarten, Schifferstadt, Eisleben, Ispringen und Nendingen forderten vom Deutsche Ringer-Bund (DRB) mehr Mitsprache bei Organisation sowie Marketing und eine professionellere Aufstellung der Liga. Im Streit ging es auseinander, das Quintett gründete eine eigene Eliteliga, die DRL. Die Bundesliga des DRB ist seit dieser Saison nun dreigliedrig mit jeweils sieben Vereinen pro Klasse. Als Reaktion auf die Rebellion drohte der Verband mit Sperren für deutsche Ringer, die in der DRL an den Start gehen würden.

Auch deshalb konnte der SV Wacker vor der Saison deutsche Spitzenathleten wie Erik Thiele, Benjamin Sezgin oder Ramsin Azizsir von den ausgetretenen Teams abwerben. Hinzu kamen ein paar internationale Ringer, Eigengewächse wie Maasch, Eugen Ponomartschuk oder Andreas Maier waren schon da. Dieser Mix ergab eine Truppe, die auf ihrem Weg ins Finale die starken Konkurrenten Mainz, Neckargartach und Nürnberg besiegen konnte. "Wir sind schon mit dem klaren Ziel in die Saison gegangen, das Halbfinale zu erreichen", sagt Hans Steindl, seit knapp 28 Jahren Bürgermeister von Burghausen. Immerhin hat die Stadt vor der Saison kräftig in die neue Bundesliga-Mannschaft investiert, die Ringer sind das neue Steckenpferd der Salzachstadt.

Bürgermeister Steindl hofft auf einen Olympiastützpunkt

Steindl möchte Burghausen, an der Grenze zu Österreich gelegen, durch Ringen bekannt machen. Immer wieder versuchte der sportbegeisterte Bürgermeister dies durch Investitionen in verschiedene Abteilungen des SVW. So spielten die Fußballer zu Beginn des Jahrtausends in der zweiten Liga, die Tennisabteilung gar erstklassig, auch die Schwimmer waren sehr erfolgreich. Nun also setzt Steindl auf Ringen. Schließlich habe der Sport "eine Aufmerksamkeitswelle" erhalten, nachdem der Disziplin 2013 noch das Olympia-Aus gedroht hatte. Außerdem könne man "mit weniger Geld mehr erreichen" als beispielsweise beim Fußball , Ringen sei zudem "viel besser planbar". Ihre Bürger konnte die Stadt schon für den Sport begeistern, die Halle war bei den Finalkämpfen meist mit über 1000 Zuschauern ausverkauft. Und Steindl hat noch viel vor.

Burghausen soll nach seiner Vorstellung in den kommenden Jahren "deutschlandweit zu einer Ringerhochburg" werden. Die deutsche Einzelmeisterschaft im griechisch-römischen Stil findet im Juni hier statt, außerdem ist der Bau eines Landesleistungszentrums geplant, das womöglich sogar zum Olympiastützpunkt werden könnte. Das gewährleiste eine Professionalisierung und bessere Nachwuchsarbeit, glaubt Steindl. Und wäre nicht unwichtig für den zukünftigen Erfolg des Vereins, schließlich werden die Kräfteverhältnisse ab nächster Saison durch ein Punktesystem bei der Zusammenstellung der Mannschaften neu verteilt. Mit dem Zweck, den Einsatz von Nachwuchsringern zu belohnen.

Doch das könnte zur Folge haben, dass das Niveau der Kämpfe womöglich noch mehr gegenüber dem der DRL abfällt und deutsche Spitzensportler nicht so gefordert würden wie in der internationaler besetzten DRL. Auch deswegen müssten bezüglich der Pläne über das neue Leistungszentrum noch Gespräche mit dem Verband geführt werden, sagt der Bürgermeister und fordert: "Der Verband muss dafür sorgen, dass die besten Teams in einer Liga kämpfen und diese professionalisieren, damit nicht nur zwei Spitzenteams pro Saison nach Burghausen kommen, sondern fünf oder zehn." Steindl appelliert an DRL und DRB, dass diese doch aufeinander zugehen mögen. Auch Löblein meinte, man müsse erst einmal vom DRB erfahren, was dieser zukünftig vorhabe, bevor man Initiative ergreifen könne, sieht aber auch die abtrünnigen Vereine in der Bringschuld. Zwar wäre eine Profiliga wünschenswert, "aber das geht nur unter dem Mantel des Dachverbands".

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