Julian Budjan

Freier Journalist, Düsseldorf

15 Abos und 8 Abonnenten
Artikel

Millionen und der heilige Geist

Die Wolverhampton Wanderers sind der wohl reichste Zweitligist der Welt und wollen bald in die Premier League aufsteigen. Doch der Erfolg geht auf eine heikle Verbindung mit einem mächtigen Spielerberater zurück.

Gemächlich führt Rúben Neves den Ball am Fuß, ganz so, als sei er wieder in Porto und schlendere an der Atlantikküste entlang, anstatt auf dem Rasen des Molineux-Stadions in Wolverhampton zu stehen. Plötzlich dreht er sich, schüttelt seinen Gegenspieler ab, um scheinbar mühelos und ohne aufzublicken einen Pass über das halbe Feld zum heranstürmenden Diogo Jota zu spielen. So kennt man das von Neves: Es sind diese mit Eleganz gespielten Pässe und die Begabung, den Rhythmus eines Spiels zu diktieren, die ihm in seiner jungen Karriere schon viel Bewunderung eingebracht haben.

Vergangene Saison spielte das 20 Jahre alte "portugiesische Wunderkind", wie die englische Presse ihn bei seiner Ankunft vorstellte, noch mit dem FC Porto in der Champions League. 2015 war er im Alter von 18 Jahren als jüngster Kapitän in die Geschichte der Königsklasse eingegangen. Viele europäische Großklubs wollten ihn im Sommer verpflichten. Doch Neves überraschte alle und ging für die Rekordsumme von 18 Millionen Euro zu den Wolverhampton Wanderers. In die zweite englische Liga. Und er ist dort nicht das einzige große Talent.

Eine ganze portugiesische Armada rauscht jede Woche mit gehisster Wolfskopf-Flagge und vollen Segeln über ihre Widersacher hinweg. Nach nicht mal der Hälfte der Saison können die anderen Anwärter auf den so lukrativen Aufstieg nur noch das orangefarbene Heck am Horizont ausmachen. Der deutsche Trainer von Norwich City, Daniel Farke, gab jüngst nach einer 2:0-Niederlage zu, die Spiele gegen die Wolves aufgrund deren "unglaublicher Qualität" nicht einmal richtig aufzuarbeiten. Der Tabellenführer hat zum Jahreswechsel 10 Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten. Die Wolves nehmen Kurs auf die goldenen Strände der Premier League.

Seit dem Sommer 2016 ist Jorge Mendes bei den Wolves involviert

Nun drängt sich die Frage auf: Warum eigentlich? Warum gehen Edeltechniker wie Neves und Jota in die physisch geprägte und strapaziöse zweite Liga? Die Antwort ist ziemlich einfach und gleichzeitig mysteriös: Wegen Jorge Mendes, dem wohl mächtigsten und bestvernetzten Spielerberater der Welt.

Cristiano Ronaldo, José Mourinho oder James Rodríguez zählen zu Mendes' Klienten, er pflegt enge Beziehungen zum AS Monaco, Atletico Madrid oder dem FC Valencia. Zwischen 2001 und 2010 soll Mendes dem Guardian zufolge rund 70 Prozent aller Transfers der portugiesischen Vereine Benfica, Sporting und des FC Porto abgewickelt haben. Und seitdem die chinesische Investmentfirma Fosun im Sommer 2016 die Wolverhampton Wanderers für 60 Millionen Euro gekauft hat, ist Mendes auch beim englischen Zweitligisten involviert.

Es ist nämlich so: Neben Spielern berät Mendes auch gerne Konzerne bezüglich ihrer Investitionen in den Fußball. Und er profitiert, es sieht zumindest verdächtig danach aus, indem er mehrere seiner Klienten zum gekauften Klub transferiert. Noch vor der Übernahme der Wolves ging Mendes mit seiner Agentur Gestifute zudem eine Kooperation mit den Investoren aus Fernost ein; eine Tochtergesellschaft von Fosun erhielt 20 Prozent der Anteile an Gestifute, wie der Independent berichtete. Mendes ist also Geschäftspartner wie Berater der Chinesen, eigentlich ein Regelverstoß. Doch der englische Verband erkannte in den Verstrickungen keinen Interessenkonflikt. Und Wolves-Geschäftsführer Laurie Dalrymple fühlte sich unlängst dazu gedrängt, klarzustellen: "Jorge Mendes ist nicht für die Transferpolitik des Klubs verantwortlich. Wir holen uns nur Rat." Die getätigten Einkäufe lassen indes anderes vermuten.

Hélder Costa, 23, kam 2016 für geschätzte 15 Millionen Euro von Benfica, Ivan Cavaleiro, 22, für 8 Millionen aus Monaco. Beide Male soll laut Transferdokumenten der FA ein früherer Agent von Gestifute den Verein bei den Verhandlungen mit den Gestifute-Klienten vertreten haben, wie der Guardian herausfand. Auch im vergangenen Sommer, als die Portugiesen Roderick Miranda (Rio Ave FC), Rúben Vinagre (AS Monaco), Jota, Neves und der Franzose Willy Boly (alle FC Porto) geholt wurden, soll Mendes demnach die Strippen gezogen haben.

Paul Lambert schmiss hin - Mendes' Einfluss war ihm zu groß

"Ich mag die Stadt, es geht ruhig zu", sagte Neves kürzlich im Interview mit Sky Sports über seinen neuen Lebensraum, Tochter und Frau wohnen nach wie vor in der Heimat. Sein Kollege Jota klingt etwas verhaltener, er sagt: "Portugal ist schon ganz anders." In ihrer Freizeit bleibt die portugiesische Familie meist unter sich, veranstaltet regelmäßig Dinnerpartys und guckt die Spiele der heimischen Liga zusammen im Fernsehen. Dennoch gäbe es keine Spaltung innerhalb der Mannschaft, beteuern die beiden. Man fühle sich wohl im trüben und regnerischen England, so der Tenor. Kein Wunder, bei so vielen bekannten Gesichtern.

Auch der Trainer ist ein Landsmann. Im Sommer schmiss Paul Lambert nach nur sechs Monaten in der Verantwortung hin, er soll sich durch Mendes und dessen Einfluss im Klub bevormundet gefühlt haben. Es kam Nuno Espírito Santo, zu Deutsch Nuno, der Heilige Geist. Der frühere Torwart war Mendes' erster Klient, die beiden lernten sich vor 20 Jahren in einem Nachtclub kennen, wo Mendes als DJ arbeitete. Nuno betreute letzte Saison noch den FC Porto in der Champions League.

Dort soll es möglichst schnell auch mit Wolverhampton hingehen, wenn es nach den chinesischen Besitzern geht. Für den wahrscheinlichen Fall des Aufstiegs soll Nuno ein unbegrenztes Transferbudget in Aussicht gestellt worden sein, wie ein Klub-Insider dem Mirror verriet. Die Premier League ist nicht genug, man will sich als Big Player etablieren und die Phalanx der sechs besten Klubs durchbrechen.

Im Oktober kamen 30.239 Zuschauer - so viele wie seit 1981 nicht mehr

Längst sind die bodenständigen Bewohner der ehemaligen Kohlestadt dank ihrer iberischen Ballkünstler in Euphorie verfallen. 30.239 Zuschauer kamen Mitte Oktober zum Spiel gegen Aston Villa ins Molineux, so viele wie seit 1981 nicht mehr. Drei Meistertitel holte der Verein in den Fünfzigern. Doch in den vergangenen Jahrzehnten fristete der Traditionsklub ein Dasein im Schatten der Erfolge von einst. Immer wieder ging es seitdem zwischen der ersten und zweiten Liga hin und her, vor vier Jahren verbrachte man sogar eine Saison in der drittklassigen League One.

Nun besingen die Fans regelmäßig die Protagonisten des wiedergekehrten Erfolges, vor allem ihren heiligen Geist: "Nuno, Nuno, Nuno, he'll take us to the Premier", avancierte zum neuen Lieblingsgesang. "Licht, das aus der Dunkelheit kommt" steht auf dem Wappen der Stadt geschrieben. Die Sehnsucht nach der glorreichen alten Zeit, sie könnte bald gestillt werden. Da ist es scheinbar auch nicht so wichtig, dass chinesisches Geld und das Netzwerks eines portugiesischen Agenten dieses Licht wieder aufleuchten lassen.

Zum Original