Als Vreni Frost ihren ersten Blogeintrag verfasst, ist das Wort "Influencer" noch nicht erfunden. Die 26-Jährige schreibt in ihrer Freizeit über Mode. Heute, neun Jahre später, ist aus ihrem Hobby ein kleines Unternehmen geworden. In ihrem Büro in Berlin sitzen außer ihr zwei Mitarbeiter. Sie tippen Blogeinträge, fotografieren und nehmen Werbeanfragen entgegen. Mit dem Namen Vreni Frost lässt sich jetzt Geld verdienen. Nicht nur mit ihrem Blog, sondern auch auf Instagram hat die 35-Jährige viele Fans gewonnen. Dort trägt die junge Frau mit den blonden Haaren und bunt geschminkten Lippen ihren Alltag in die Öffentlichkeit. Sie postet Urlaubsbilder und Fotos von ihren beiden Katzen. 52.600 Menschen haben ihren Kanal abonniert.
Influencer sind Stars im Netz, manche von ihnen erreichen Millionen Menschen. Die neuen Meinungsmacher kommen aus unterschiedlichen Bereichen: Make-Up, Mode, Technik, Fitness, Heimwerken, Kochen. Sie schminken sich vor der Kamera, machen Kniebeugen für den perfekten Hintern oder testen Videospiele. Die Fans vertrauen auf ihre Meinung. Das macht sie für Werbepartner interessant. Vreni Frost bekommt täglich Mails von Unternehmen, die auf ihrem Instagram-Profil werben wollen. Damit verdient die Bloggerin Geld. 500 Euro bekommt sie, wenn sie Creme gegen trockene Haut empfiehlt oder ein Küchenmesser auf einem ihrer Bilder in Szene setzt. Dazu verlinkt sie den Markennamen und den Hinweis, dass es sich um Werbung handelt. Ihr Kapital sind ihre Fans. "Es gibt eine Faustregel", sagt sie. "Mit 10.000 Followern kannst du etwa 100 Euro für einen Post verlangen."
Aus digitaler Selbstdarstellung ist ein Markt gewordenInfluencer haben Macht im Netz. Das beobachtet auch Klaus-Dieter Koch, Gründer der Managementberatung BrandTrust. Er berät Unternehmen im Umgang mit den Internetstars. "Vorbilder und Autoritäten gab es schon immer", sagt er, "den Pfarrer im Dorf oder das beliebteste Mädchen in der Clique." Das Internet steigere ihren Einfluss. "Heute kann das beliebte Mädchen drei Millionen statt 30 Menschen sagen, was sie gut findet."
Aus dem Trend digitale Selbstdarstellung ist ein eigener Markt geworden. Agenturen vermitteln Influencer an Unternehmen. Marketingabteilungen setzen auf die neuen Werbebotschafter. Als die Drogeriekette dm kürzlich Schachteln verkaufte, die bekannte Influencerinnen mit ihren Lieblingsprodukten befüllt hatten, ließ der Ansturm begeisterter Jugendlicher nicht lang auf sich warten. Auch ein von Youtube-Star Bibi Heinicke für dm produziertes Duschgel wurde zum Verkaufsschlager. Mittlerweile hat die Drogeriekette ihr Sortiment an Beauty- und Make-up-Produkten vergrößert. Laut Marketingchef Christoph Werner vor allem um Marken, die bei der Internet-Community gut ankommen. "Wir beobachten die sozialen Netzwerke aufmerksam", sagt Werner. "So werden wir frühzeitig auf Trends aufmerksam."
Dass Unternehmen mit Hilfe der Internetstars ihr Geschäft ankurbeln, zeigt auch eine Studie des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft. Vor allem bei Jüngeren zieht die Werbung. Jeder sechste Internetnutzer zwischen 14 und 29 Jahren gab an, schon einmal ein von Influencern empfohlenes Produkt gekauft zu haben. Bei den 14- bis 17-Jährigen waren es 20 Prozent. Doch wie vertrauenswürdig sind Influencer?
Vreni Frost kennt die unseriösen Seiten der Branche. Sie gab im April dieses Jahres zu, ihre Zahlen auf Instagram gefälscht zu haben. Eine Agentur hatte ihr gegen Bezahlung zu mehr Followern verholfen. Nur steckten hinter vielen Profilen in Wahrheit Computerprogramme, die Menschen nur simulieren. "Irgendwann konnte ich nicht mehr ruhig schlafen", erinnert sie sich. Deshalb löschte sie die falschen Anhänger aus ihrem Profil. "Jetzt habe ich zwar 20.000 Follower weniger, aber ein reines Gewissen", sagt sie. "Momentan befinden wir uns noch im Wilden Westen", sagt Markenexperte Koch. "Influencer sind Meinungsmacher, die weitgehend unkontrolliert agieren." Schleichwerbung sei ein Problem. Viele Influencer hätten bezahlte Beiträge nicht als Werbung markiert. Laut den Richtlinien der Landesmedienanstalten muss der Hinweis deutlich erkennbar unter den Beiträgen stehen. Spielraum bleibt trotzdem: Präsentiert ein Influencer ein Produkt, das er vom Hersteller geschenkt bekommen hat, muss er das erst ab einem Warenwert von 1000 Euro transparent machen.
Laut Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale reichen die Vorschriften nicht aus. "Für Jugendliche sind Influencer Vorbilder, die werden angehimmelt", sagt sie. "Wenn die eine Markenjeans oder ein Duschgel in die Kamera halten, wird das oft nicht kritisch hinterfragt." Auch Vreni Frost steht in engem Kontakt mit ihren Fans. "Für manche bin ich wie eine Freundin", sagt sie. Zwei Stunden täglich kommuniziert sie mit ihren Fans. Auch das gehört zu ihrem Geschäft.