Sie spielen gemeinsam Fußball, ernten Äpfel und kämpfen sich zusammen durch die Bürokratie. In der schwäbischen Kleinstadt Neckarhausen kümmern sich die Unternehmer vor Ort um Flüchtlinge.
Hussam hockt vor dem Haus auf der Treppenstufe. Neben ihm sitzt ein alter Mann auf seinem Rollator. Hussam, der aus dem Irak stammt, spricht ein paar Brocken Englisch, der Alte Schwäbisch. Irgendwie verstehen sie sich trotzdem. Der eine wohnt seit ein paar Wochen im Flüchtlingshaus, der andere im Seniorenheim gegenüber.
32 Flüchtlinge aus Krisengebieten leben derzeit in Neckarhausen, einem Ortsteil von Nürtingen, rund 30 Kilometer von Stuttgart entfernt. Sie wohnen in einem großen Haus mitten im Ort - so lange, bis entschieden ist, ob sie dauerhaft bleiben dürfen. Überall in Deutschland werden derzeit Notunterkünfte eingerichtet. Der Terror des IS, der Bürgerkrieg in Syrien, politische Verfolgung in Ländern wie Irak und Afghanistan haben dafür gesorgt, dass 2014 bereits 115.000 Menschen offiziell hierzulande Asyl suchten - ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. In vielen Städten und Gemeinden gibt es Angst vor den Fremden, teilweise sogar Proteste und brutale Übergriffe.
In Neckarhausen ist das anders. Hier scheint zu gelingen, was andernorts so ein großes Problem ist. Die 3000 Einwohner haben die Flüchtlinge in ihrer Mitte aufgenommen. Es gibt rege Kontakte: Fußballspiele, Begegnungsfeste und gemeinsame Apfelernten. Einen großen Anteil daran haben die Unternehmer aus der Region, sagen Beteiligte.
Unternehmer kicken mit Flüchtlingen„Die Unternehmer waren der Schlüssel", berichtet zum Beispiel Steffen Erb aus dem Vorstand des örtlichen Sportvereins. Der Werkstattchef hilft Flüchtlingen in der Mittagspause beim Ausfüllen von Formularen, eine Selbstständige übersetzt täglich die Post. Nach und nach wollten immer mehr Menschen im Ort helfen. „Das war wie eine Lawine", sagt Ortsvorsteher Bernd Schwartz.
Der Höhepunkt: Im Juli standen Schwaben, Iraker, Pakistaner und Syrer gemeinsam auf dem Fußballplatz - beim Sportfest, wo ganz Neckarhausen zusammenkommt. Unternehmer stifteten die Trikots und stellten sich selbst aufs Feld, um ein Zeichen für Integration zu setzen. Vom Wirt der Gaststätte, über den Werkstattchef bis hin zum Onlinehändler für Kunstpflanzen - alle waren dabei. Die Zuschauer jubelten, als vor dem Anpfiff jeder Flüchtling vorgestellt wurde. „Das war ein tolles Erlebnis für die Jungs", sagt Sven Noack, IT-Dienstleister mit 14 Mitarbeitern.
Ohne den 37-Jährigen hätte es wohl kein Turnier - und auch vieles andere nicht gegeben. Schon am Eingang des Flüchtlingshauses wird Noack stürmisch begrüßt. Er bekommt einen Plastikbecher mit lauwarmer Hirse in die Hand gedrückt und starken Kaffee. Ein Sprachen-Wirrwarr aus Deutsch, Englisch und Arabisch erfüllt den Raum. Jeder hier will mit ihm reden, ihm etwas zeigen oder etwas zu trinken anbieten. Noack besucht die Flüchtlinge jede Woche, inzwischen ist er Vertrauter und Ansprechpartner für viele Probleme.
Eine Bandage für DragonDer Iraker Hussam erzählt von seiner Verletzung am Oberschenkel, Noack will ihn nächste Woche mit zu einem seiner Kunden nehmen, der mit Bandagen handelt. Die beiden Männer schreiben sich jeden Tag Nachrichten über das Handy. Noack nennt den Iraker „Dragon", den Namen wollte er auf seinem Trikot stehen haben. Hussam nennt den Unternehmer „Bruder".
Ihre außergewöhnliche Freundschaft begann mit der Fußball-WM im vergangenen Jahr [...]
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