Julia Segantini

Volontärin bei Lensing Media, Essen

1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Von Feuerzangenbowle benebelt

Auch wenn die Weihnachtszeit noch etwas hin ist, diskutierte die Fachschaftenkonferenz (FSK) kürzlich einen Weihnachtsfilm. Die Mitgliederversammlung des freien zusammenschlusses von student*innenschaften (fzs) forderte ein Verbot des Films Die Feuerzangenbowle. Der Grund: Der Streifen verbreite Nazi-Ideologien. Ob an diesem Vorwurf etwas dran ist, haben wir Peter Ellenbruch gefragt. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Duisburg-Essen (UDE) und lehrt als Filmwissenschaftler in der Literatur- und Medienwissenschaft.

„Nein zur Feuerzanbowle in Unikinos - Nein zu Nazi-Filmen an Unis", lautet der Titel eines Antrags, der auf der kommenden Mitgliederversammlung des fzs beraten wird. Initiator des Antrags war der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Hannover. Für das Verbot legten die Antragstellenden zwei Argumente dar: Der Film, der 1943 produziert wurde und 1944 in die Kinos kam, propagiere nazionalsozialistische Ideologien. Außerdem würden die Aufführungsrechte bei Cornelia Meyer zur Heyde, einer Afd-Politikerin aus Münster, liegen - inakzeptabel, findet der fzs. Der Antrag löste eine hitzige Debatte in der FSK aus, denn viele Fachschaften feiern den Film als Kultstreifen und zeigen ihn gern als Event.

Jannis Becker von der Fachschaft Water Science sprach sich deutlich gegen den Antrag aus: „Ich habe den Film schon mehrfach gesehen und finde diese Interpretation recht weit hergeholt." Seiner Meinung nach könne man keine Nazi-Ideologie aus dem Film herauslesen, vielmehr handle es sich um eine akkurate Darstellung dessen, wie Schule früher ausgesehen hätte. In dem Film ginge es darum, sich gegen die Obrigkeit zu stellen. „Ich finde nicht, dass die Vergangenheit zensiert werden sollte. Der Film wird immer wieder gezeigt, weil er Kultstatus hat", betonte er und verwies auf die künstlerische Freiheit.

Subtile Propaganda

Dass die Diskussion erst jetzt aufkommt, überrascht Peter Ellenbruch. Der Film und sein Kontext seien längst wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Die Feuerzangenbowle sei ganz klar eine Nazi-Produktion und zwar nicht nur, weil die Produktion und Aufführung in die entsprechende Zeit fällt. Die Ideologie stecke in den filmischen Strukturen, der Inszenierung und den Bildern des Streifens.

Als Beispiel zitiert er folgende Passage aus dem Film: „Junge Bäume, die wachsen wollen, muss man anbinden, dass sie schön gerade wachsen, nicht nach allen Seiten ausschlagen, und genauso ist es mit den jungen Menschen. Disziplin muss das Band sein, das sie bindet - zu schönem geraden Wachstum!" Hier käme die NS-Propaganda ganz deutlich heraus, so der Filmwissenschaftler.

Die zeige sich aber vor allem auf subtile Weise, denn so funktioniere Propaganda am besten. „Alles ist ein absolut NS-konformes Gesellschaftsbild, es gibt keine Subversion in diesem Film. Das geht vom Geschlechterrollenbild, über die ganzen Schenkelklopferwitze bis zu bestimmten Motiven", stellt er klar. Nicht zufällig spielten NS-Filme häufig in der ‚guten alten Zeit'. Nostalgie sei antiaufklärerisch, sie bedeute immer eine Verbiederung. Man würde sich auf eine vermeintlich bessere Zeit beziehen, um die aktuelle Lage zu verschleiern.

Wichtig sei der historische Kontext. Der Film erschien nach der Schlacht von Stalingrad und vor dem Bombenkrieg. Ellenbruch und andere Filmwissenschaftler:innen bezeichnen den Film deshalb als „Durchhaltekomödie". Aus seiner Perspektive mache der historische Kontext Filme aus dieser Zeit „unzeigbar". „Eigentlich wissen alle Bescheid, dass der Krieg bald vorbei ist, aber da wird noch mal richtig in die Unterhaltungsindustrie reingebuttert, um das gleichgeschaltete Volk bei Laune zu halten", erklärt er. Einen Film aus dieser Zeit als reinen Unterhaltungsfilm wahrzunehmen, hält er deshalb für äußerst problematisch.

Eine kritische Auseinandersetzung

Obwohl die Filmwissenschaft sich längst klar positioniert hat, herrsche in Deutschland seit jeher ein naiver Umgang mit Die Feuerzangenbowle, eine kritische Auseinandersetzung finde kaum statt. Dafür plädierten bei der FSK nun einige Fachschaften. So schlug zum Beispiel Corinna Kalkowsky aus der Fachschaft Sozialwissenschaften vor, den Film wie gewohnt im Unikino zu zeigen und danach eine kritische Veranstaltung dazu zu planen.

Genau diese Art der kritischen Beschäftigung mit dem Film könnte allerdings schwierig werden. Die Aufführungsrechte liegen bei Cornelia Meyer zur Heyde, einer AfD-Politikerin aus Münster. Deshalb kann der Film nur mit ihrer Zustimmung und Entrichtung einer Lizenzgebühr gezeigt werden. Vor einigen Jahren verwehrte sie dem Deutschen Historischen Museum eine Aufführung. Dieses wollte Die Feuerzangenbowle zeigen - begleitet von einer kritischen Einführung und Diskussion. Meyer zur Heyde lehnte ab, mit der Begründung, sie wolle den filmischen Schatz nicht verschleißen, indem er zu oft gezeigt wird.

Jörg Frieß, Leiter des Zeughauskinos und Sammlungsleiter des Filmarchivs des Deutschen Historischen Museums, schildert allerdings etwas anderes. In einem Artikel der berichtet er, die Politikerin ziehe eine Aufführung ohne Einführung und Diskussion vor. Im Ankündigungstext zur Präsentation schrieb das Museum: „Während immer neue Jahrgänge von Schülern zur Armee mussten, die Juden Europas deportiert und ermordet wurden und Bomben auf deutsche Städte fielen, flüchtete der Film aus der Gegenwart." Eine Kontextualisierung, die die Politikerin für unangemessen gehalten habe.

Wie ist mit so einem Film also umzugehen? Nach einem Meinungsbild in der FSK sprachen sich 12 Personen für ein Boykott aus. Für ein Verbot stimmte niemand. Robin Pannhausen, eine:r der Sprecher:innen der FSK, fand: „Es wäre der komplett falsche Weg, den Film zu verbieten. Man kann nur aus der Vergangenheit lernen, wenn man sie kennt." Auch Ellenbruch hat eine klare Meinung dazu: „Ein Verbot halte ich für völligen Stuss. Aber der muss eingeführt und kontextualisiert werden. Wobei wahrscheinlich niemand mehr Lust auf den Film als Komödie hat, wenn man ihn konsequent eingeführt hat.

Zum Original