Julia Segantini

Volontärin bei Lensing Media, Essen

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Artikel

Majestätsbeleidigung in Duisburg

Seit Jahren befürchten Kritiker:innen der Konfuzius-Institute Einfluss vonseiten Chinas auf Forschung und Lehre in Deutschland. Nun dürften sich viele bestätigt fühlen. Eine für den 27. Oktober angesetzte Vorstellung des Buches „Xi Jinping - Der mächtigste Mann der Welt" an der Universität Duisburg-Essen (UDE), die vom Duisburger Konfuzius-Institut (KI) durchgeführt werden sollte, musste zunächst abgesagt werden. Das Institut für Ostasienwissenschaften IN-EAST übernahm schließlich als Veranstalter. Was bedeutet der Eingriff für die Kooperation zwischen UDE und KI?

In der bisher einzigen deutschsprachigen Biografie über Xi Jinping von Stefan Aust und Adrian Geiges geht es um den Werdegang des chinesischen Staatspräsidenten, seinen Personenkult und die Dimensionen seiner Macht. Ein unliebsames Thema in den Augen der chinesischen Behörden, wie sich vergangene Woche zeigte, als offizielle Stellen Druck auf die Organisator:innen der Lesung ausübten. Ein ausdrückliches Verbot habe es nicht gegeben, sagt Prof. Dr. Taube. Er ist Direktor der IN-EAST School of Advanced Studies an der UDE und gleichzeitig Kodirektor des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr in Duisburg.

Aber: „Kurzfristig vor unserer Veranstaltung sind wir mit der dringlich vorgetragenen Bitte unserer Partner von der Universität Wuhan konfrontiert worden, die Veranstaltung nicht in dieser Form zu verfolgen." Universität und Institut reagierten schnell: Die Veranstaltung konnte schließlich doch am gleichen Tag stattfinden - allerdings in Kooperation mit dem Institut für Ostasienwissenschaften IN-EAST, nicht mehr mit dem KI. „Es stand zu keinem Zeitpunkt im Raum, die Veranstaltung komplett abzusagen", versichert Taube auf Nachfrage.

„Er ist offenbar kein normaler Mensch mehr"
 

Bisher habe man immer vertrauensvoll und ohne Probleme mit den chinesischen Partnern zusammengearbeitet . Deshalb habe man überrascht und schockiert auf die Bitte der Universität Wuhan reagiert, so der Professor für Ostasienwirtschaft. Das KI hat verschiedene Träger, unter anderem die Stadt Duisburg und die Partneruniversität in Wuhan. Auch die UDE zeigte sich bestürzt über den Vorfall. Ein solcher Eingriff dürfe sich nicht wiederholen, stellte Rektor Prof. Dr. Ulrich Radtke in einem Pressestatement klar. Offenbar wollte man mit der verlagerten Veranstaltung ein Signal setzen, denn die Buchvorstellung fand in einem größeren Rahmen als ursprünglich angesetzt statt. So wählten sich mehrere Hundert Interessierte ins Webinar ein, darunter Teilnehmende aus China, Rektor Radke und Dr. Volker Stanzel, von 2004 bis 2007 deutscher Botschafter in China.

Seit 2009 existiert das Duisburger Institut. [Foto: Konfuzius-Institut Metropole Ruhr]

Bei der Begrüßung betonte Radtke, die deutsche Wissenschaft und die Universitäten müssten unantastbar bleiben. Derzeit untersuche man noch, wie genau der Einfluss zustande gekommen ist. „Wir werden intern eine Aufklärung betreiben und auch mit unseren chinesischen Partnern sprechen", so der Rektor. „In den letzten Jahren haben wir immer eine gute Zusammenarbeit mit den Konfuzius-Instituten gehabt und ich konnte mit reinem Herzen sagen, dass wir von offensichtlichen Einflussnahmen der chinesischen Politik auf das Institut keine Kenntnis hatten", versicherte er. Umso sorgsamer beobachte man diesen Vorfall.

Die beiden Autoren der Biografie äußerten Vermutungen über die Ursache für den Eingriff. Zwar sei das Buch nicht dezidiert chinakritisch, vielmehr liege der Grund im Personenkult um Xi Jinping. Stefan Aust ist sich sicher: „Sie wollen nicht zulassen, dass man sich mit ihm wie mit einem normalen Politiker beschäftigt. Es muss ein solcher Abstand zu ihm bestehen, dass es schon Majestätsbeleidigung ist, sich überhaupt mit seinem Leben zu beschäftigen. Er ist offenbar kein normaler Mensch mehr und das ist problematisch."

Keine rosige Zukunft für das KI
 

Auch Vertreter:innen der Liberalen Hochschulgruppe (LHG) der UDE waren bei der Buchvorstellung anwesend. Die LHG betrachtet die Kooperation zwischen der UDE und dem Institut schon seit langem kritisch und sieht ihre Sorgen nun bestätigt. „Vor weniger als einem Jahr haben wir vor dem Konfuzius-Institut in Duisburg demonstriert und wurden vom Institut und der Presse nicht ernst genommen. Auf unserer Veranstaltung zu den Instituten schaltete sich die Direktorin des Duisburger Instituts dazu und stritt alle Vorwürfe unseres Referenten ab, konnte uns aber auf kritische Nachfragen keine Antwort geben", moniert Johannes Brill, stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Spätestens jetzt sei mehr Transparenz vonseiten des KI angebracht, um gravierendere Eingriffe zu vermeiden. Aktuell arbeitet die LHG an einem entsprechenden Antrag an das Studierendenparlament.

Derzeit scheint eine Prüfung der Zusammenarbeit zwischen Universität und KI unvermeidbar. Schon im April betonte Prof. Dr. Heberer, ebenfalls im Direktorium des KI Metropole Ruhr: „Würde China versuchen, hier zu intervenieren, würden wir unsere Arbeit einstellen." Muss man nun mit einer Auflösung des Instituts rechnen? Zumindest vorerst scheint das nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil sei die Arbeit des KI aktuell besonders wichtig, meint Taube. „Gerade wenn Gesellschaften auseinanderdriften und Misstrauen wächst, ist es wichtig, faktenbasiert in Dialog zu stehen, weil man sonst nicht mehr versteht, wie der andere tickt." Trotzdem sei man nach diesem Eingriff sensibilisiert und nachdenklich geworden, denn man wolle weiterhin eigenständige Entscheidungen über Veranstaltungen treffen, ohne eine Intervention befürchten zu müssen. „Wenn sowas noch einmal vorkommt, werden wir mit dem Rektorat und der Stadt Duisburg intensiv sprechen müssen, um zu sehen, welche Basis wir für die Arbeit noch haben."

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