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Die Flut

Wir sind schuld. Ist ja klar. Letzt­endlich sind wir es, die diese le­ckere Limo, die es nur in der Plastikflasche gibt, kaufen. Dazu ei­nen Joghurt und manchmal auch das fertig verpackte Sushi aus der Kühl­theke. Was übrig bleibt von unserem schnellen Mittagessen? Plastikmüll. Und ein schlechtes Gewissen. Die Lobbyist*innen der Konsumgüter­-Konzerne halten es uns auch vor: Nicht das Plastik sei das Problem, sondern unser Umgang mit dem Müll. Sie wollen uns einreden, dass wir die Bösen sind, die die Umwelt verdrecken. Würden wir den Müll nur ordentlich einsammeln, gäbe es gar kein Problem.

Also trennen wir den Joghurt­becher ordentlich in Plastikschale, Papphülle und Aludeckel. Doch das ungute Gefühl verschwindet damit nicht. Zu Recht. Der Wissenschaftler Roland Geyer hat 2015 herausgefun­den, dass nur neun Prozent der je­mals hergestellten Kunststoffe recy­celt und nur zwölf Prozent verbrannt wurden. 79 Prozent aller jemals her­gestellten Plastikprodukte liegen auf Müllhalden - oder in der Umwelt. Von einem funktionierenden Kreis­lauf sind wir weit entfernt. Also muss eine andere Lösung her. Forscher*in­nen arbeiten mit Bakterien, die Plas­tik fressen, oder Mehlwürmern, die sich durch ein Stück Styropor wüh­len. Sieht beeindruckend aus - aber wie viele Bakterien und Mehlwürmer bräuchten wir alleine in Europa, wo wir im Jahr 30 Millionen Tonnen Plastikmüll produzieren?

Die Plastikindustrie mit ihren billigen Produkten läuft doch nur, wenn wir mög­lichst viel wegschmeißen und neu kaufen.

In zwei Jahren wollen die Verein­ten Nationen einen verbindlichen Vertrag vorlegen, der den Plastikmüll besiegen soll. Er könnte eine ähnli­che Wirkung entfalten wie das Pa­riser Klimaabkommen. Doch viele Expert*innen sind skeptisch. Denn obwohl es Kunststoffe wie Polyethy­len oder Polypropylen seit gerade mal rund 100 Jahren gibt, haben sie unsere Welt fest im Griff. Das ist kein Zufall. Die Industriekonzerne haben die Wegwerfgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gezielt vorange­trieben, zuerst in den USA, dann in Europa und zuletzt auch in ärmeren Ländern in Asien und Afrika. Meine Oma hat Joghurtbecher ausgewa­schen und darin Tomaten und Kräu­ter gezüchtet. Zum Wegwerfen wa­ren sie ihr zu schade. Dabei läuft die Plastikindustrie mit ihren billigen Produkten doch nur, wenn wir mög­lichst viel wegschmeißen und neu kaufen.

Eigentlich verrückt: Wir nehmen einen der langlebigsten Stoffe mit seinen kaum zerstörbaren Molekül­verbindungen für etwas, das wir nur ganz kurz brauchen. Doch in der Lo­gik der Unternehmen, die Plastik herstellen, macht das Sinn. Es ist so­gar ein Riesengeschäft - weil füh­rende Volkswirtschaften laut OECD die Förderung und den Verbrauch von Öl und Gas immer noch mit Hun­derten Milliarden US­-Dollar subven­tionieren. Das führt zu der absurden Situation, dass lebensmitteltaug­liches Recycling­-Plastik doppelt so teuer ist wie Neuplastik. Eine Fol­ge: Wir verbrauchen immer mehr Neuplastik, auch im ökobewegten Deutschland.

Foto: Unsplash / Naja Bertolt Jensen

So viel Müll

Plastik wird für Tiere, Umwelt und den Menschen immer mehr zur Gefahr

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Weil das Ende der fossilen Brenn­stoffe eingeleitet ist, wird erdölba­siertes Plastik zum letzten Rettungs­anker für Exxon und Co. Doch wir müssen uns nicht damit abfinden, dass das Wirtschaftswachstum un­sere Welt unter Müllbergen begräbt. Wir könnten uns dafür einsetzen, dass unsere Regierung keine Sub­ventionen mehr in Öl und Gas steckt, eine Plastiksteuer und ein Exportver­bot für Plastik fordern. Wir könnten auch unsere Bank fragen, warum sie im „Plastic Waste Makers Index" vor­ne dabei ist. Und keine Aktien oder Fonds von Unternehmen kaufen, die in der schönen, bunten Plastikwelt ihre Gewinne machen. Ohne neue Gesetze wird sich der Fluss aber kaum stoppen lassen, glauben Ex­pertinnen und Experten. Sie fordern: Hersteller*innen müssen für die Ent­sorgung zahlen. Dann würde McDo­nald's vielleicht nicht damit werben, dass jeder der jährlich in Deutsch­land verbrauchten 230 Millionen Portionsbeutel Ketchup und Mayo jetzt 0,11 Gramm weniger wiegt, son­dern die kleinen Tütchen komplett aus dem Verkehr ziehen.

Die Bilder von vermüllten Strän­den und strangulierten Meerestieren haben in den vergangenen Jahren viele Menschen wachgerüttelt.

Expertinnen und Experten ver­gleichen das Problem gerne mit ei­ner überlaufenden Badewanne. Sie fragen: Würden wir zuerst den Hahn zudrehen oder lassen wir das Wasser laufen und wischen den Boden auf? Sie meinen: Wir müssen bei der Her­stellung ansetzen, bevor der Müll im Meer landet. Dabei können wir nicht ganz auf Plastik verzichten, es ist zu eng mit unserem Alltag verwoben. Eine Welt ohne Plastik wäre ein Ka­tastrophenszenario wie in einem schlechten Hollywoodfilm. Autos, Flugzeuge, Möbel, Küchenwerkzeu­ge - alles undenkbar ohne Plastik.

Auch die Medizin kommt ohne Kunststoffe nicht aus. Doch Herz­schrittmacher aus Plastik und Beat­mungsschläuche sind nicht der Kern des Problems. Sie enden nicht als Treibgut am Strand oder im Bauch des Pelikans. Die Krux ist das Ein­wegplastik. Verpackungen von Kos­metika oder Lebensmitteln, die jeden Tag bei uns im Müll landen, machen 30 Prozent der Produktion aus. Ge­macht für die Ewigkeit, landen sie doch in kürzester Zeit auf Deponien, heizen in Müllverbrennungsanlagen das System weiter an und enden im schlechtesten Fall im Meer.

2050-Beirat Gialu

Geht's um Plastik, finde ich persönlich vor allem die Problematik von Kunststoffen, Mikro- und Liquidplastik in unseren Gewässern schwer zu ertragen. Wenn ihr auf den grünen Spot klickt, erfahrt ihr meine 3 favorite-Ansätze im Kampf gegen dieses Problem - die auch ihr unterstützen könnt, wenn ihr wollt und die Kapazitäten und Möglichkeiten dazu habt

Die Bilder von vermüllten Strän­den und strangulierten Meerestieren haben in den vergangenen Jahren viele Menschen wachgerüttelt. Wir verzichten auf Plastiktüten, kaufen festes Shampoo und wickeln das Pausenbrot in ein Bienenwachstuch ein. Das macht Sinn, doch die Plastik­krise löst individueller Verzicht nicht. Plastik gehört zu uns, ein bisschen so wie der Onkel, den wir gar nicht leiden können. Vielleicht müssen wir mit dem Plastik ähnlich umgehen wie mit dem Onkel. Wir können es nicht auf einen Schlag loswerden oder gar ver­nichten. Es gehört zur Familie, also müssen wir uns kümmern.

Die Menschen, die wir hier vor­stellen, kümmern sich. Sie alle ken­nen Momente der Verzweiflung, in denen sie vor der eigenen Überfor­derung davonlaufen wollen. Aber sie sagen auch: Es gibt immer etwas, was wir tun können. Lasst uns die Risse im System größer machen. Aufgeben ist keine Option.

5 Menschen, die ihr Leben dem Kampf gegen die Plastikflut widmen

Foto: DAVID MALAN/GETTY IMAGES

Guter Einfluss

Von der Öko­-Influencerin zum „Green Citizen": Thaiane Maciel mobilisiert in Brasilien mit Clean-ups

Thaiane Maciel, 29, Rio de Janeiro, Brasilien

Die Pandemie hatte Thaiane wieder zurück nach Hause verfrachtet, auf die Ilha do Governador, eine Insel in der Bucht von Rio de Janeiro, auf der auch der Flughafen liegt. Eigentlich wollte sie in São Paolo ar­beiten. Nun waren die täglichen Spaziergänge am Meer mit ihrem Bruder Kaleo die einzige Abwechslung. Doch der ganze Müll am Strand machte Thaiane wütend, sie beschwerte sich unentwegt. Bis ihr Bruder sagte: Dann mach was dagegen!

Thaiane hatte schon 2015 eine Umweltorganisation gegründet, Canal Novo Mundo. Sie trat als Öko-­Influen­cerin mit selbstgedrehten YouTube-­Videos auf, erzählte anderen jungen Menschen etwas über die Vernichtung des Regenwalds, Kompost oder Mülltrennung. Nun fing sie mit ihrem Bruder an, Clean-ups zu organisieren. Erst machten nur ihre Oma und die kleine Schwester mit. Mittlerweile konnte Thaiane mit ihrer fröhlichen Art mehr als 1500 Freund*innen und Nachbar*innen davon überzeu­gen, dass Müllsammeln Spaß macht. Im Sommer wurde die 29­-Jährige für ihren Einsatz von der UNESCO zum „Green Citizen" ernannt. Seit ein paar Wochen en­gagiert sich Thaiane auch für die deutsche Organisa­tion „One Earth One Ocean", die an vielen Orten auf der Welt gegen Meeresmüll kämpft. In Rio arbeitet die NGO mit den Fischer*innen von Tubiacanga zusammen, einem kleinen Armenviertel auf der Ilha do Governador. Weil sie kaum noch Fische in der Bucht fangen, holen die Fischer*innen jetzt gegen Bezahlung Plastikmüll aus dem verseuchten Wasser. „Es ist tragisch", sagt Thaiane. Sie liebt die Insel, auf der sie aufgewachsen ist, und erzählt von den Delfinen, die immer noch in der Bucht auftauchen. Seepferdchen wie damals, als ihr Vater noch jung war, gebe es nicht mehr. Denen sei das Wasser zu dreckig. Kein Wunder, die Bucht ist die Müll­halde der Megacity.

Neben dem Müll fließt auch Abwasser aus den Slums ungeklärt ins Meer. 18 Tausend Liter sollen es sein - pro Sekunde. Bevor Thaiane zum Strand geht, schaut sie deshalb im Internet nach, wie die Wasserqualität ge­rade ist. An schlechten Tagen fährt sie lieber den wei­ten Weg ans offene Meer, an die Copacabana oder nach Ipanema. Sie sammelt weiter Müll, stellt Fotos davon auf Instagram und markiert die Firmen, deren Produkte es sind. Darunter schreibt sie: „Helft uns!" Der Fund, der sie am meisten erschreckt hat, war ein Deo. Auf der Plastikflasche konnte sie das Haltbarkeitsdatum sehen. Es stammte aus ihrem Geburtsjahr, 1993.

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Foto: LIAN NEMENZO-­HERNANDEZ

Nicht aufgeben!

2016 gründete Von Hernandez in Manila „Break free from Plastic", heute kämpft das Netzwerk mit mehr als 11.000 Organisationen weltweit gegen die Krise

Von Hernandez, 55, Metro Manila, Philippinen

Drei Jahre lang hat Von Hernandez an der Uni in Manila Literatur unterrichtet. Es hat ihm Spaß gemacht, doch inzwischen glaubt er nicht mehr, dass es in seiner Arbeit noch mal um Gedichtanalyse gehen wird. „Aktivismus ist meine Lebensaufgabe, und angesichts der dringlichen Probleme kann ich mir schwer vorstellen, noch mal in die akademische Welt zurückzugehen", sagt er.

Trotzdem ist Von für viele junge Menschen auf den Phi­lippinen ein wichtiger Mentor, einer der Gründerväter der Umweltbewegung in Asien. Dass die Philippinen 1999 als erstes Land auf der Welt die Müllverbrennung verboten ha­ben, war auch Vons Verdienst. Dass er 23 Jahre später im­mer wieder dafür kämpfen muss, dass das Gesetz gegen die Interessen der Müllindustrie durchgesetzt wird, hätte er sich aber nicht vorstellen können. 2016 hat er mit ande­ren „Break Free from Plastic" gegründet. Heute kämpft das Netzwerk mit mehr als 11.000 Organisationen auf der gan­zen Welt gegen die Plastikkrise. Jährlich publizieren sie die Hersteller, von denen Freiwillige weltweit am meisten Plas­tikmüll gefunden haben. Immer die gleichen großen Na­men: Coca­-Cola, Pepsi&Co, Unilever, Nestlé usw. „Obwohl erwiesen ist, dass sie mit ihrem Einwegplastik die Umwelt verschmutzen, machen sie weiter wie bisher. Dabei sind die Alternativen doch lange bekannt", sagt Von.

Als er jung war, habe Coca­-Cola seine Getränke auf den Philippinen in Pfandflaschen aus Glas verkauft. In den Nachbarschafts­läden habe er Zucker oder Mehl in einer Tasse geholt. Heu­te verkaufen sie Einzelportionen von Shampoo, Speiseöl oder Kaffee in Päckchen aus Plastik, die sich nicht recyceln lassen. Die Sachets landen millionenfach auf der Straße, auf Müllkippen oder gleich im Wasser. Es macht Von trau­rig, wie langsam die Dinge vorwärtsgehen. Der Kampf ge­gen die Weltkonzerne, gegen die politischen Eliten und die Korruption sei frustrierend, gibt der Umweltschützer zu. Doch seine drei Kinder und sein erstes Enkelkind sind für ihn Grund genug, nicht zu verzweifeln. Er weiß, das klingt wie ein Klischee. „Aber zynisch werden und aufgeben ist auch keine Option", sagt er, eher leise als kämpferisch. Sei­ne Landsleute würden bald begreifen, dass die spürbare Klimakrise und die Plastikverschmutzung zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Bis es so weit ist, zwingt Von sich zum Optimismus. Der neue Präsident des Landes, Sohn von Ex-­Diktator Ferdinand Marcos, habe angekündigt, ge­gen Plastikverschmutzung vorzugehen. Andere würden die Zusammenarbeit vielleicht ablehnen, doch Von sieht eine Chance, das Thema mit der neuen Regierung schlau vo­ranzubringen: „Es gibt immer Raum für Hoffnung!"

Foto: Swaantje Güntzel

Güntzels Selbst­porträt im Projekt Microplastics II (2016), an dem auch viele prominente Men­schen teilnahmen

Meike Schützek, 46, Berlin und Swaantje Güntzel, 50, Hamburg

Gücklich sieht Meike Schützek in der klei­nen, schallgedämpften Telefonkabine des Berliner Coworking Space nicht aus. Lieber wäre sie wieder am Meer, wo sie die vergangenen Wochen mit Laptop und Surfbrett verbracht hat. Der Atlantik mit seiner Weite und Freiheit sei für sie ein Herzensort. Deswegen kann sie es nur schwer ertragen, dass das Meer voller Plastik ist, und kämpft von Berlin aus mit der von ihr gegrün­deten NGO „Ocean. Now!" für einen sauberen Ozean. Ihr Fokus liegt auf einem EU­-weiten Verbot von Mi­kroplastik in Kosmetik und Reinigungsmitteln. Das schi­cke Leben in London und New York und die Karriere als Marketingexpertin hat sie dafür aufgegeben.

Swaantje Güntzel unterstützt ihre Kampagne. Von ihr stammt das Kunstwerk „Microplastics II", ein foto­grafiertes Selbstporträt mit kleinen Plastikteilchen im Gesicht und einer blutenden Nase. Es ist Vorlage für eine Porträtserie von prominenten Ozeanliebhaber*in­nen, die online und im Rahmen einer Wanderausstel­lung für das Anliegen von „Ocean. Now!" sensibilisie­ren soll. Güntzel beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Müll unserer Zivilisation und unserem Verhältnis zur Natur. Sie hat in Performances Plastiktüten in einen Hotelpool oder Verpackungen vom Tretboot aus ins Meer geworfen. Zufällige Betrachter hielten es kaum aus, wenn sie so mit unserer Wegwerfwelt konfrontiert werden, erzählt die Wahl­-Hamburgerin. Viele reagierten mit Abwehr und sogar Aggression.

Meike Schützek will die Ausstellungsbesucher irritie­ren, nachdenklich machen - und zum Handeln anregen. Minimalziel: eine Unterschrift unter die Mikroplastik-­Pe­tition. Im Februar übergab Schützek ihre Petition mit fast 130.000 Unterschriften an die Umweltministerin. Laut Koalitionsvertrag ist die Bundesregierung für ein Ver­bot. Doch jetzt liegt das Thema in Brüssel, und Schützek ahnt, dass sie dort auf eine schlagkräftige Industrielobby trifft. Sie stellt sich auf einen längeren Kampf ein. Trotz­dem bleibt politisches Engagement für sie der größte und sinnvollste Hebel. „Unser Druck wird gebraucht", sagt die Meeresschützerin. Auch wenn sie ihre Tage lie­ber mit dem Surfbrett am Meer verbringen würde.

Foto: HENRIETTE POGODA

Seestück I (2020) konfrontiert Male­rei mit Müllerei

Gutes Geschäft

Cordie Aziz engagiert sich in Ghana für lokale Produk­tion, hochwertige Arbeitsplätze, Frauenförderung und Kreislauf­wirtschaft

Cordie Aziz, 39, Accra, Ghana

Das Interview gibt uns Cordie Aziz vom Auto aus. Sie fährt von Ghanas Hauptstadt Accra auf dem National Highway 2 Richtung Nor­den, ins Landesinnere. Die Sozialunterneh­merin kommt an einer Kartonagen-­Fabrik vorbei, einem Fischladen mit Tilapia aus dem nahen Vol­tasee und einfachen Häusern, vor denen auf Zäunen Wä­sche trocknet. Cordie ist auf dem Weg zu einem Mode­unternehmen, mit dem sie gern zusammenarbeiten würde. „ Global Mamas" ist international erfolgreich mit fair gehandelter Kleidung und hat zwei Stunden nördlich der Hauptstadt eine „Fair Trade Zone" errichtet, die Frau­en auf dem Land nachhaltige Arbeitsplätze bietet. Cordie selbst hat mit ihrer Organisation Environment360 gerade ein Innovationszentrum gegründet, in dem Frauen aus Recyclingplastik neue Produkte herstellen. Knöpfe zum Beispiel, die „Global Mamas" gut gebrauchen könnte. Dann brüllt eine laute Männerstimme im Hintergrund, das Gespräch bricht ab. Erst eine halbe Stunde später meldet Cordie sich wieder. Nachdem sie dem Polizisten am Straßenposten kein Geld geben wollte, musste sie an­halten. „Aber ich gebe denen doch kein Geld, wenn ich unschuldig bin", sagt die Unternehmerin, lacht und fährt weiter in Richtung „Fair Trade Zone".

Die geplante Kooperation würde ziemlich viel von dem vereinen, was der Aktivistin wichtig ist: lokale Produktion, hochwertige Arbeitsplätze, Frauenförderung und Kreis­laufwirtschaft. Denn mit dem Sammeln von Plastikmüll allein ließe sich in Afrika ohne Entwicklungshilfe oder Spenden kein Business aufbauen. Das ist ihre Erkenntnis nach zehn Jahren Beschäftigung mit dem Problem. Die Regierung bemühe sich, habe aber zu wenig Geld. Auch Konzerne wie Danone oder Dow engagieren sich in Ghana dafür, dass mehr Plastik gesammelt und recycelt wird. Doch Müllsammeln sei kein Beruf für junge Menschen mit Träumen und Ideen, findet sie.

Deswegen sucht sie gemeinsam mit Jugendlichen nach kreativen Ideen, die dem Müll vor Ort einen Wert geben. Die Mutter von zwei kleinen Kindern steckt viel En­gagement in Bildungsprojekte. „Für viele junge Menschen in Accra ist es völlig normal, dass überall am Straßenrand und auch am Strand Plastikmüll liegt", erzählt sie. „Sie kennen es nicht anders." Cordie will mit ihren Bildungs­projekten Jugendliche dazu bringen, nachhaltige Visionen unternehmerisch umzusetzen. Im August arbeitete sie drei Wochen lang im „Green Generation Ambassadors Camp" mit 15 Schülerinnen und Schülern an Ideen und Technologien. 2021 hat sie bereits mit anderen einen Business­-Plan­-Wettbewerb für grüne Geschäftsideen von Schülern organisiert, bei dem die beiden Erstplatzierten ihre Ideen mit einem Preisgeld umsetzen konnten.

Gründergeist ist es auch, der Cordie antreibt. Das westafrikanische Land sei gerade wegen seiner vielen Pro­bleme ein Ort für Innovationen. „Je größer das Problem, desto größer sind auch die Chancen", sagt sie energisch. Auch die Unruhen und Proteste gegen die Regierung, ge­gen Arbeitslosigkeit und hohe Inflation sind für Cordie nur ein Zeichen dafür, dass junge Menschen im Land den Wan­del anstoßen können. Das Potenzial ist da. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Ghanas ist jünger als 25.

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