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Brot statt Palme

600.000 Tonnen Backwaren bleiben in Deutschland jedes Jahr nach Ladenschluss übrig. Hefeöl aus den Resten kann den Kreislauf schließen.

Zwischen Werkbänken voller Displays, Edelstahlgehäusen, Kabeln und Schläuchen wummert eine Hochleistungszentrifuge. Durch einen Silikonschlauch läuft in dünnem Strahl klares, strohgelbes Öl in ein Reagenzglas. Es soll unsere Ernährung nachhaltiger machen und Palmöl ersetzen, hoffen die Forscher, die hier arbeiten. Sie sagen: Die Rettung der Tropenwälder könnte aus dem Labor kommen.

Der Biotechnologe Professor Thomas Brück arbeitet an der Technischen Universität München (TUM) mit Rohstoffen, die für die meisten Menschen Abfall darstellen: Stroh, Krabbenschalen, Algen. Er füttert Mikroorganismen mit diesen scheinbar wertlosen Resten und stellt zum Beispiel aus Strohabfällen Treibstoff her oder Karbon aus Algen. Sein Team sucht in der Natur gezielt nach Organismen wie Hefen, Bakterien und Algen und optimiert sie im Labor so, dass sie zu kleinen nachhaltigen Biofabriken werden. Sie sollen die herkömmliche, klimaschädliche Rohstoffgewinnung ersetzen.

Das umstrittene Palmöl, dessen Anbau Orang-Utans, Regenwälder und indigene Völker bedroht, will Thomas Brück in der Backstube ablösen durch Öl aus altem Brot. Im Pilotmaßstab ist er mit seinem Forschungsgruppenleiter Dr. Mahmoud Masri und dem befreundeten Bäckermeister Ludovic Gerboin schon ziemlich weit gekommen. Sie haben etliche Liter Öl aus Brotresten produziert, haben Hunderte von Krapfen damit gebacken, das Verfahren steht. Doch ihr Ziel ist sehr viel größer: ein Stoffkreislauf, der das riesige Überangebot im Handel nutzt und den Verbrauch von Land und Ressourcen bremst. „Wir können den herkömmlichen Anbau von Ölsaaten mit riesigen Monokulturen ersetzen durch eine abfallfreie, zirkuläre Bioökonomie", sagt Brück.

Dabei helfen ihnen spezielle Hefezellen. Diese wandeln den Zucker aus den Kohlenhydraten im Brot nicht wie beim Bierbrauen in Alkohol um, sondern in Öl. In einem speziellen Fermentationsprozess werden die Hefen angeregt, schnell zu wachsen und gleichzeitig Fett einzulagern. Die TUM-Hefezellen bestehen nach ein paar Tagen zu fast 90 Prozent aus Fett. Das Ergebnis riecht, schmeckt und lässt sich verwenden wie normales Palmöl. Ein Kilogramm Brot ergibt rund 350 Milliliter Öl, sagen die Forscher.

600.000 Tonnen Backwaren bleiben in Deutschland jedes Jahr nach Ladenschluss übrig. Hefeöl aus den Resten kann den Kreislauf schließen.

Eine gute Ausbeute ist wichtig, denn so sinken die Herstellungskosten. Sie waren bislang das Hauptproblem. „In Neuseeland war so ein Hefeöl schon auf dem Markt", erzählt Brück. Doch mit einem Preis von mehr als zehn Euro pro Kilogramm sei es zu teuer für die Lebensmittelbranche gewesen, die mit Centbeträgen kalkuliert und dafür immer noch mehr billiges Palmöl verbraucht. Die Münchner Forscher haben die Herstellungskosten jetzt auf 1,40 Euro pro Kilo gedrückt. „Aktuell ist unser Öl so teuer wie Biopalmöl", sagt Mahmoud Masri. Um das Verfahren in den Markt zu bringen, haben Masri und Brück das Start-up GST gegründet. Für einen Bäcker allein würde sich eine Hefeöl-Anlage nicht lohnen, sagen sie. Aber ein Zusammenschluss mehrerer lokaler Betriebe könnte funktionieren, hofft Brück.

Für Volker Heinz vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik ist das ein „interessanter Ansatz", weil der „Einsatz von neu erzeugten Zutaten reduziert werden kann". Auch mit Blick auf die Lebensmittelsicherheit sei „kein Problem zu erwarten", wenn die eingesetzten Mikroorganismen als sicher eingestuft sind. Doch werden die Verbraucher Öl aus dem Labor als Lebensmittel akzeptieren? „Da Hefestämme traditionell in vielen Lebensmitteln eingesetzt werden, würde wohl nur Hefeöl draufstehen", sagt Brück. Außerdem seien die Hefen nicht genmanipuliert und es blieben keine toxischen Lösungsmittel und auch sonst kein Abfall übrig, anders als bei den meisten Konkurrenten, die weltweit fieberhaft an ähnlichen Prozessen arbeiten.

Während US-Investoren Start-ups mit enormen Summen finanzieren, wirtschaftet das TUM-Start-up noch mit öffentlicher Förderung. Doch Mahmoud Masri ist überzeugt vom kommerziellen Potenzial der Idee, an der er seit Jahren arbeitet. Schließlich bleiben in Deutschland jährlich 600.000 Tonnen Backwaren übrig. Auch Bäcker Ludovic Gerboin ist optimistisch. „Man schmeckt keinen Unterschied zum normalen Öl", sagt er. Als Zutat für Brötchen, Pralinen und Gebäck funktioniere das Fett. Er habe schon immer darauf geachtet, dass nach Ladenschluss wenig Brot übrig bleibt. „Wenn ich mit diesem Kreislauf noch nachhaltiger produzieren kann, macht mich das glücklich", sagt der Bäcker.

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