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Studierende und Corona-Krise: Kein Job mehr, die Freundin weit weg

Wenig los an der S-Bahn-Haltestelle Universität in Stuttgart: Die meisten Veranstaltungen wurden ins Internet verlegt. Foto: imago/Michael Weber

Uni-Vorlesungen und Seminare finden inzwischen online statt. Doch Studierende haben aufgrund der Corona-Pandemie andere große Sorgen. Dabei geht es nicht nur ums Finanzielle.

Als innerhalb weniger Tage gleich zwei Jobs wegbrachen, war es vorbei: Sie sei „völlig aufgelöst" gewesen, erzählt Julia Mähl. Die 24-Jährige studiert Crossmedia-Redaktion/Public Relations an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Um ihr Studium zu finanzieren, hat sie 80 bis 100 Stunden pro Monat an der Bar der Stuttgarter Oper gearbeitet, außerdem als freie Texterin für ein Veranstaltungsmagazin. Dann kam das Coronavirus. Weil die Staatstheater ihren Spielbetrieb für diese Saison komplett abgesagt haben, ist der Barbetrieb vorerst geschlossen. Und da sämtliche Feste, Konzerte und Partys abgesagt wurden, sind der Studentin auch alle Aufträge für das Magazin weggebrochen.


Immerhin: Für ihren Job im Cateringunternehmen der Stuttgarter Staatstheater erhält die 24-Jährige nun Kurzarbeitsgehalt. Parallel versucht sie, kleine Textaufträge ans Land zu ziehen. „Ich schreibe nun auch über Themen, mit denen ich bisher nichts zu tun hatte. Vor Kurzem habe ich einen Auftrag bekommen, bei dem es um Handwerk ging“, berichtet sie. Hauptsache, sie kann ein bisschen Geld verdienen.


Etliche Nebenjobs sind weggebrochen

Etliche junge Leute haben jetzt mit finanziellen Sorgen zu kämpfen. Von den 2,9 Millionen Studierenden in Deutschland arbeiten rund zwei Drittel nebenbei, bei den ausländischen Studierenden sind es sogar drei Viertel. Wegen der Pandemie sind viele Jobs weggefallen, etwa Kellnern oder Werkstudententätigkeiten.


Deshalb hatten neben der SPD auch mehrere Wissenschaftsminister der Bundesländer darauf gedrängt, das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu öffnen und die staatliche Unterstützung während der Corona-Krise für alle Studierenden zugänglich zu machen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) entschied sich dagegen, weil es dafür ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren brauche. „Die hierfür notwendige Zeit (...) haben wir nicht“, begründete Karliczek ihre Entscheidung. Stattdessen gibt es nun Überbrückungshilfe vom Bund: Wer durch die Corona-Krise seinen Nebenjob verloren hat, kann ein zunächst zinsloses Darlehen bei der KfW-Bank beantragen und bis zu 650 Euro monatlich bekommen. Den Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau gibt es bereits seit 2006. Aufgrund der Corona-Krise gilt bis 31. März nun ein reduzierter Zins.


Zudem hat das Bundesbildungsministerium einen Nothilfefonds ins Leben gerufen mit 100 Millionen Euro. Das Geld wird vom Deutschen Studierendenwerk unter den bundesweit 57 Studierendenwerken aufgeteilt. Zusätzlich hat das Land Baden-Württemberg einen Nothilfefonds mit einer Million Euro für Härtefälle aufgelegt. Beim BAföG-Amt des Studierendenwerks Stuttgart wurden bereits an die 100 solcher Anträge gestellt. „Etwa zwei Drittel der Gespräche, die unser Team in der Sozialberatung derzeit führt, drehen sich um finanzielle Hilfen in der Corona-Krise“, sagt die Sprecherin Anita Bauer. Bereits vergangenes Jahr wurde dort – unabhängig von Corona – ein Notfonds für finanzielle Härtefälle eingerichtet. In diesen Fonds flossen bisher vor allem Spenden, nun kommt das Geld von Bund und Land dazu.


Viel mehr Anträge auf Darlehen

Das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim bietet schon länger eigene Darlehen an. Studierende bekommen bis zu 1200 Euro, aufgrund der Corona-Krise ist dies nun auch ohne Bürgschaft möglich. Die Anzahl der Anträge auf diese Darlehen steige, sagt die Sprecherin Nicole Lang: „Letztes Jahr hatten wir im März und April zehn Anträge, dieses Jahr waren es in diesen zwei Monaten 27.“


Dennoch: Bei etlichen wird nichts von diesen Hilfen ankommen: weil es zu wenig Geld für zu viele Studierende gibt, weil die Auflagen streng sind und weil viele denken, sie seien ohnehin nicht anspruchsberechtigt – so wie die Studentin Julia Mähl, die für ihren Opern-Job Versicherungsbeiträge bezahlt hat und deshalb Kurzarbeitergeld bezieht. Allerdings hat die 24-Jährige versucht, die Miete für ihr Wohnheimzimmer während der Corona-Zeit zu mindern – erfolglos. Sie muss weiterhin jeden Monat 280 Euro berappen.


Plötzlich wieder eine Fernbeziehung

Jakob Umbach hat zumindest einen Job, wenn auch einen anstrengenden: Er arbeitet zwei bis drei Mal die Woche nachts auf dem Großmarkt in Stuttgart-Wangen, zudem wird er von seinen Eltern unterstützt. Dadurch hat er zwar weniger finanzielle Sorgen, dafür führt er plötzlich wieder eine Fernbeziehung. Der 24-Jährige studiert Business Administration im Master an der Universität Bologna und ist mit einer Italienerin zusammen. Im Februar reiste Umbach zu seiner Familie nach Stuttgart-Heumaden, weil seine Großmutter gestorben war, dann spitzte sich die Corona-Lage in Italien zu, Flüge fielen aus. Inzwischen lebt er seit fast drei Monaten wieder bei seinen Eltern und hört den Online-Vorlesungen aus der Ferne zu. Auch Prüfungen hat er online geschrieben. Dennoch: „Sobald Zugreisen nach Italien wieder möglich und bezahlbar sind, kehre ich zurück“, sagt er.


Angst vor Ansturm auf Masterplätze

Unterdessen schreibt Julia Mähl an ihrer Bachelorarbeit, im August muss sie abgeben. Danach wollte sie anfangen zu arbeiten; vielleicht ein Volontariat im Journalismus oder in der PR absolvieren. Doch weil etliche Firmen einen Einstellungsstopp verhängt haben, bewirbt sie sich nun auch auf Masterstudiengänge. „Ich befürchte aber, dass viele Studierende den gleichen Plan haben und es auch nicht genügend Masterplätze für alle geben wird“, sagt sie. „Ich mache mir Sorgen, wie das alles weitergeht.“

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