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Wegen Coronavirus gestrandet: Die große Reise endet acht Monate zu früh

Es ist mehr als ein halbes Jahr her, dass Lars Fischer (li.) und Kevin Wimmer zuletzt deutschen Boden unter den Füßen hatten.

Im September 2019 sind Lars Fischer und Kevin Wimmer mit einer 29 Jahre alten E-Klasse auf ein Frachtschiff nach Uruguay gestiegen. Die beiden wollten mehr als ein Jahr lang die Panamericana abfahren. Nun hat das Coronavirus all ihre Pläne durchkreuzt. 


Zurück aus dem Amazonas kam der Schock: Die Welt, aus der sich die beiden jungen Männer drei Wochen zuvor verabschiedet hatten, um den Dschungel, dessen Natur und Tiere ganz ohne Handyempfang zu erleben, war nicht mehr dieselbe. Das Coronavirus hatte sich weltweit mit einer solchen Geschwindigkeit ausgebreitet, dass klar war: So wie bisher, würde die Reise von Kevin Wimmer und Lars Fischer nicht weitergehen. „Wir waren drei Wochen lang völlig abgeschieden, weg vom Netz. Als wir dann wieder ins Hotel kamen, haben wir von dem heftigen Wandel der letzten Wochen erfahren - wir konnten das zunächst überhaupt nicht realisieren", sagt Lars Fischer.


Geplant war die Durchquerung von sechs Zeitzonen

Im August 2019 war noch alles gut: Da saßen Kevin Wimmer (24) und Lars Fischer (23), Freunde seit der ersten Klasse, auf der Terrasse von Kevin Wimmers Eltern in Degerloch und erzählten bei kühlen Getränken von ihren Plänen für die kommenden Monate. Beide hatten ihre Jobs gekündigt, keine eigene Wohnung, keine Freundin, sie waren frei. Kevin Wimmer und Lars Fischer wollten mit einer 29 Jahre alten Mercedes E-Klasse die mehr als 25 000 Kilometer lange Panamericana vom südlichsten Punkt in Südamerika bis zum nördlichsten Punkt in Nordamerika abfahren – mit einem kleinen, aufklappbaren Zelt auf dem Autodach als Schlafzimmer. Geplant war, dass sie 14 Monate unterwegs sein würden.

Ende August verabschiedeten sie sich von ihren Familien in Degerloch und Sonnenberg, dann fuhren sie nach Hamburg, wo das Frachtschiff nach Montevideo ablegte, der Hauptstadt Uruguays. Dort angekommen, ging es mit der alten E-Klasse nach Ushuaia in Argentinien; dem Startpunkt der Panamericana. Nach und nach erkundeten sie Südamerika. Geplant war auch noch Mittel- und Nordamerika, bis sie – kurz bevor dort der tiefe Winter anbricht – Ende des Jahres in Alaska ankommen wollten. Insgesamt wären das 14 Länder und sechs Zeitzonen gewesen.


Polizei und Militär sperren die Straßen

Stattdessen sitzen die beiden nun seit zwei Wochen in einem Hostel in Lima (Peru) fest. Das Coronavirus hat den beiden einen Strich durch die Rechnung gemacht – und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. In Peru sind alle Straßen vom Militär und von der Polizei gesperrt. Wer rausgeht, muss glaubhaft versichern, nur in den nächsten Lebensmittelmarkt oder zur Bank zu gehen, danach heißt es sofort: zurück ins Hostel.

Wie sind die beiden dort gelandet? „Als wir aus dem Amazonas kamen, konnten wir die Corona-Lage zunächst nicht einschätzen: Ist es ein Vorteil, in dem Ort Iquitos zu bleiben, in den keine einzige Straße hinführt? Oder sollten wir lieber den nächsten Flug in die Großstadt nehmen, wo es auch ein Krankenhaus gibt?“, schildert Kevin Wimmer die Überlegungen. Noch während sie recherchierten, rief der Präsident Perus den Notstand aus. „Wir mussten uns innerhalb weniger Stunden entscheiden. Und die Prognosen wurden immer schlechter, eine Grenze nach der anderen wurde dichtgemacht.“


Warten auf die Rückholflüge

Die beiden entschieden sich für die Großstadt, nahmen das nächstbeste Flugzeug nach Lima. Dort sitzen sie nun fest. Im ganzen Land herrschen Ausgangssperren. Besonders bitter: Auch die alte E-Klasse ist weit weg. Der Wagen steht noch in Iquitos, wo die Amazonas-Tour vor mehr als einem Monat begonnen hat. In dem Auto sind auch noch fast alle Sachen, sie haben nur das Allernötigste bei sich.

Doch weil die beiden ahnen, dass die Reisefreiheit auch in den kommenden Monaten eingeschränkt bleiben wird, haben sie eine Entscheidung getroffen: zurück nach Deutschland – und das vorerst ohne Auto. „Wir haben uns auf die Liste für die Rückholflüge der Bundesregierung setzen lassen. Nun warten wir ab“, berichtet Lars Fischer. „Ältere sowie Menschen mit Erkrankungen werden zuerst geholt, dann müssten irgendwann wir dran sein.“


„Zu Hause ist nichts so, wie es war“

Trotz allem Frust: Gibt es etwas, worauf sich die beiden in Stuttgart freuen? Abgesehen von den Wiedersehen mit den Familien tatsächlich nicht viel, geben sie zu. „Zu Hause ist ja nichts so, wie es war. Unsere Jobs haben wir gekündigt. Ausgehen ist gerade nicht möglich. Und auch unsere Freunde dürfen wir vorerst nicht sehen“, seufzt Lars Fischer.

Eine Sache ist für beide klar: Sie wollen die Reise fortsetzen – wie auch immer das gelingen wird. Und dies sehen sie nun auch als ihren Auftrag an: die Zeit in Deutschland sinnvoll nutzen und Geld sparen, um die Reise bis nach Alaska irgendwann zu Ende bringen zu können. Ob mit oder ohne Auto wird man dann sehen.

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