1 Abo und 2 Abonnenten
Artikel

Wie ein Wirt mit schlechten Bewertungen umgeht

Das Lokal Enoteca in Stuttgart-Möhringen hat auf Google und Tripadvisor keine guten Bewertungen.

Wie ist ein Besuch in einem der am miesesten bewerteten Lokale der Stadt? Ein Test zeigt: gar nicht so schlecht. Der Wirt kritisiert die fehlende Verhältnismäßigkeit und macht die Lage für die schlechten Rezensionen verantwortlich.

Ginge man nach dem OnlinePortal Tripadvisor oder den Google-Bewertungen, würde man nie im Restaurant Enoteca im SI-Centrum in Möhringen landen. Das Lokal gehört zu den im Internet am schlechtesten bewerteten Lokalen von ganz Stuttgart. Fünf Sterne ist die bestmögliche Bewertung, ein Stern die schlechteste. Die Enoteca hat aktuell 2,7 Sterne auf Google und 2,5 Sterne auf Tripadvisor. Die Bewertung ergibt sich auf Google aus 53 Urteilen, auf Tripadvisor aus 40. Das ist verhältnismäßig zwar nicht viel – aber trotzdem wird klar, dass mehrere Gäste nicht zufrieden mit ihrem Besuch dort waren.

Wie vertrauenswürdig sind Bewertungsportale? Sind das Essen und der Service wirklich so schlimm? Oder melden sich nur diejenigen, die an einem Abend Pech hatten? Ein Besuch an einem Mittwochabend zu dritt in der Enoteca zeigt: So schlimm, wie man nach dem Lesen der Bewertungen meinen könnte, ist es nicht. Das Essen ist okay, die Getränke gut, der Service ebenfalls.

Zwar gibt es einige Kleinigkeiten, an denen man herummäkeln könnte: Der Salat ist in viel Öl getränkt. In den Nudeln mit Pilz-Käsesauce liegt ein Haar. Und die Portionen sind teils sparsam für die gehobenen Preise (Hauptgerichte kosten zwischen 15 und 20 Euro). Das Unangenehmste an dem Abend sind aber die fehlenden anderen Gäste. Außer unserem Tisch sind während des gut zweistündigen Aufenthalts nur zwei weitere Tische belegt – und dies fühlt sich in einem Lokal mit 100 Plätzen drinnen und 70 Plätzen draußen unangenehm an. Etwas Musik im Hintergrund würde helfen.

Trotzdem sind wir nach dem Besuch positiv überrascht. Also: Nachfragen beim Chef des Lokals, Tindaro Adornetto, was es mit den miesen Bewertungen auf sich hat. Diesmal ist es ein früher Freitagabend, das Lokal füllt sich langsam. Der 62-jährige Wirt wirbelt zwischen Theke, Tischen und Außenbereich hin und her; er hilft da, wo es klemmt. Der Sizilianer hat das Restaurant im Januar 2017 von seinem Bruder übernommen, als dieser in Rente ging. Damals stand das Lokal im Internet noch schlechter da als heute, sagt Adornetto; vor zwei Jahren hatte das Lokal auf Google gerade einmal 1,1 Sterne. „Seitdem erleben wir einen Aufwärtstrend.“

Die Macht von Bewertungsportalen wie Tripadvisor ist groß. Vor allem Urlauber, aber auch einige Einheimische nutzen sie, um sich vorab über Hotels, Restaurants und Ausflüge zu informieren. Laut der Statistik, die Tripadvisor selbst erhebt, wird das Portal monatlich weltweit von 490 Millionen Menschen besucht (Stand Februar 2019). Dazu kommt, dass Suchmaschinen oft nach Bewertungen sortieren. Lokale mit guten Bewertungen erscheinen weit oben – und erhalten dadurch mehr Aufmerksamkeit. Umgekehrt kann ein schlechtes Ranking geschäftsschädigend sein. Deshalb beobachten viele Wirte, Hotelinhaber und Firmenchefs genau, was über sie geschrieben wird.

Auch Tindaro Adornetto kennt die Bewertungen seines Lokals – und versucht, darauf zu reagieren: „Als ein Gast schrieb, dass die Nudeln wässrig schmecken, habe ich meinem Koch gesagt, dass er die Nudeln sorgfältiger abtropfen muss.“ Der Wirt hat nichts gegen die Bewertungsportale, ihm fehlt jedoch die Verhältnismäßigkeit: „Diejenigen, die Bewertungen abgegeben haben, sind nur ein sehr kleiner Bruchteil aller Gäste, die wir je bewirtet haben.“ Wenn ein neues Musical im SI-Centrum gezeigt werde, sei das Lokal oftmals bis auf den allerletzten Platz besetzt.

Tindaro Adornetto nennt die Lage als Hauptursache für die schlechten Bewertungen. „Im SI-Centrum Gastronomie zu betreiben, ist nicht einfach.“ Weil die allermeisten Besucher Musicalgäste seien, kämen in der Regel alle auf einmal, oft in Bussen. „Das ist logistisch nicht einfach zu bewältigen. Die Leute haben wenig Zeit, und wir müssen eine große Menge an Menschen schnell zufriedenstellen.“ An dieser Herausforderung gemessen, bringe das Lokal eine sehr gute Leistung, findet er. „Wir müssen Systemgastronomie betreiben, anders ginge das nicht. Aber unsere Zutaten sind immer frisch und die Speisen geschmacklich gut.“

Adornetto wünscht sich, dass die älteren schlechten Urteile gelöscht werden. „Ich werde oft von zufriedenen Gästen angesprochen, die sich wundern, woher die schlechten Urteile kommen“, sagt er. Pia Schratzenstaller von Tripadvisor sagt dazu: „Ältere Bewertungen helfen dabei, einen Gesamtüberblick über den Betrieb zu erhalten. Allerdings haben aktuelle Bewertungen einen höheren Einfluss auf das Beliebtheitsranking.“ Deshalb rate Tripadvisor Wirten, auf negatives Feedback zu reagieren und den Nutzern die eigene Sicht erklären. Dies würden auch die Gäste schätzen, sagt Schratzenstaller.
In drei Ausnahmefällen löscht Tripadvisor aber doch Bewertungen. Zum Beispiel dann, wenn der Gast, der das Urteil abgegeben hat, dies wünscht. Außerdem werden Kommentare gelöscht, die nicht den Richtlinien entsprechen. Und ein Betrieb hat die Möglichkeit, Bewertungen entfernen zu lassen, wenn der Eigentümer gewechselt hat oder umfassend renoviert wurde. Dies würde also auch auf die Enoteca zutreffen. Tindaro Adornetto will dies zeitnah angehen, sagt er.

Zum Original