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Erst Forscher, dann Manager

Die Bauwerke des römischen Kaisers Maxentius, der 306 bis 312 nach Christus herrschte, kennt Hauke Ziemssen genau. Sie waren das Thema seiner Dissertation, für die er mehrere Jahre in Rom am Deutschen Archäologischen Institut als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet hat. Er wälzte Bücher, war bei Grabungen dabei, lernte Italienisch. „Es war eine tolle Zeit", sagt der Archäologe.

Auch wenn er leidenschaftlich forschte, entschied er sich nach seiner Rückkehr nach Deutschland für eine ganz neue Herausforderung: Für das Deutsche Archäologische Institut organisierte er 2006 eine große Konferenz zu Archäologie und IT in Berlin mit 500 Teilnehmern aus aller Welt. Von der Budgetplanung bis zur Tischordnung beim Empfang im Auswärtigen Amt musste er sich vieles selbst aneignen. „So etwas hatte ich noch nie vorher gemacht", sagt er. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser."

Jetzt verwaltet er das Exzellenzcluster Topoi

Seit 2008 leitet Ziemssen an der Freien Universität Berlin (FU) die Verwaltung des altertumswissenschaftlichen Exzellenzclusters Topoi der FU und Humboldt-Universität zu Berlin. Organisieren und Managen macht ihm Spaß, er ist nah an wissenschaftlichen Diskursen, seine Kompetenz als Archäologe ist weiterhin gefragt. „Es hilft ungemein, wenn man weiß, welche methodischen Fragen in dem Fachbereich gerade diskutiert werden, und man die gleiche Sprache wie die Forscher spricht", sagt er.

Häufig sind es Wissenschaftler, die an Hochschulen zu Managern werden und sich statt oder manchmal auch zusätzlich zu ihrer Forschung der Organisation von Forschungsprojekten oder Konferenzen widmen. Die Motivationen für den Wechsel von der Forschung ins Management sind ganz unterschiedlich, sagt Michael Hölscher, Professor für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. „Viele merken, dass sie ein Händchen für oder ein Interesse an der Organisation und dem Management und wollen dies intensiver angehen."

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Der Wissenschaft verbunden bleiben

Für manche ist der Wechsel dagegen die einzige Möglichkeit, der Wissenschaft verbunden zu bleiben, weil zum Beispiel eine Weiterbeschäftigung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht mehr möglich ist. Zudem bietet ein Job im Management eine etwas größere Sicherheit und eine bessere Work-Life-Balance als die klassische Forschungskarriere. „Manchmal ist der Übergang aber auch gar nicht geplant und passiert eher schleichend, weil immer mehr Verwaltungsaufgaben in den Vordergrund rücken", sagt Hölscher.

Auch wenn sich viele Wissenschaftler ihre Managementkompetenzen selbst aneignen, gibt es immer mehr Weiterbildungsanbieter für Wissenschaftsmanagement, zum Beispiel das 2002 gegründete Zentrum für Wissenschaftsmanagement (ZWM) oder den Deutschen Hochschullehrerverband. Umfassende Weiterbildungsstudiengänge gibt es in Speyer, Osnabrück, Oldenburg, an der TU Berlin und in Krems.

Auch Hauke Ziemssen hat Weiterbildungen des ZWM besucht, zum Beispiel zu Personal- und Haushaltsrecht. „Man muss grundsätzlich bereit sein, sich mit Zahlen zu beschäftigen, wenn man ins Management wechselt", sagt er. Kommunikative Fähigkeiten sind aber ebenso wichtig, zum Beispiel um die Brücke zwischen verschiedenen Fachdisziplinen und Institutionen zu schlagen und um Sachzwänge zu vermitteln.

Ob die zum Management gewechselten Wissenschaftler auch wieder zur Forschung zurückwechseln können, hängt nach Michael Hölschers Einschätzung von bestimmten Faktoren ab, zum Beispiel vom Aufgabenzuschnitt im Management. „Viele Positionen, etwa der Nachwuchsgruppenleiter, beinhalten ja sowohl Forschungs- als auch Managementaufgaben. Hier ist klar: Je weiter von der Forschung entfernt eine übernommene Aufgabe ist, umso schwieriger ist die Rückkehr", sagt er.

Auch der Zeitraum ist ein wichtiger Faktor. Nach ein oder zwei Jahren ist ein Wechsel eher möglich als nach fünf oder gar zehn Jahren, wobei das auch von der Fachrichtung abhängt: „In der Biochemie verliert man schneller den Anschluss an die aktuellste Forschung als in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, in denen eine Managementtätigkeit vielleicht ja sogar ein Bonus für die eigene Forschung sein kann", so Hölscher.

Auch wenn der Wechsel zwischen Forschung und Management hierzulande noch nicht so einfach ist wie etwa in Großbritannien, hat sich die alte Dichotomie aus Wissenschaft und Management nach Hölschers Ansicht größtenteils aufgelöst. „Die sogenannten Hochschulprofessionellen (HoPros) besetzen heute Stellen, die sehr viel stärker als die frühere Verwaltung zwischen Wissenschaft und Administration angesiedelt sind."

Bewerber sollten wissen, was sie können

Um bei der Bewerbung ins Wissenschaftsmanagement zu punkten, sollten Bewerber ihre Veränderungsentscheidung und Kompetenzen klar begründen können, sagt Jorg Bahrdt von der Karriereberatung Ingeus, die Karrierecoachings für Akademiker anbietet. „Eine Liste mit den drei eigenen wesentlichen Kompetenzen und wichtigsten Werten kann dabei helfen." Auch die Bereitschaft zur weiteren Aus- und Weiterbildung sollten Bewerber unterstreichen.

Hauke Ziemssen nennt seinen Wechsel einen „glücklichen Zufall". „Ich bin glücklich, wo ich bin - und froh, diese Entscheidung aus freien Stücken getroffen zu haben", sagt er. Die Forschung hat er nicht komplett an den Nagel gehängt und veröffentlicht zum Beispiel weiterhin Artikel in Fachmagazinen. Ganz zur Forschung zurückkehren wird er aber wohl nicht.

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