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Das Blog-Haus

Mit nackten Füßen durchs Gras rennen, im See schwimmen, Beeren im Garten pflücken: Eine derart unbeschwerte Kindheit wünschen sich viele Eltern für ihren Nachwuchs. In der Berliner Innenstadt ist so viel Freiheit aber eher die Ausnahme, und bezahlbare Wohnungen für Familien gibt es immer weniger.

Für Alexa von Heyden, Journalistin, Buchautorin und Modebloggerin, stellte sich während ihrer Schwangerschaft daher die Frage: Ist Berlin-Mitte noch der richtige Ort für mich und meine kleine Familie? Ihre Vision von mehr Natur begann mit einer Idee von einer Datsche im Umland - und endete schließlich bei einem eigenen Haus in dem verschlafenen Örtchen Wusterwitz im Landkreis Potsdam-Mittelmark, bei den Schwiegereltern um die Ecke. Ein echter Glücksgriff: Das mehr als 100 Jahre alte Haus liegt direkt am Großen Wusterwitzer See und hat einen riesigen Garten. Mit dem frisch geborenen Töchterchen ging es zum Notar, um den Kaufvertrag zu unterschreiben.

Dann begann das Abenteuer erst so richtig. „Bedingung für den Kredit war, dass wir viel in Eigenleistung erledigen", sagt Alexa von Heyden, die unter dem Namen Alexa Peng bloggt. Für die beiden Städter, die bislang nur in Mietwohnungen zu Hause waren, bedeuteten die meisten Arbeiten komplettes Neuland: Böden abschleifen, Treppen streichen, das Bad fliesen - all diese Dinge erledigten sie zum ersten Mal. Auf dem Instagram-Account ihrer „Villa Peng" verfolgen rund 3 700 Abonnenten, wie aus der Baustelle nach und nach ein Traumhaus wird. Sie stellen Fragen, tauschen sich aus und holen sich Inspirationen.

"Das Landleben erdet"

Blogs und Instagram-Kanäle zu Interior- und Do-It-Youself-Themen liegen im Trend: Unzählige gut gelaunte „ Influencer " geben auf den verschiedenen sozialen Netzwerken Bastel- und Dekotipps. Das Genre des Häuslebauer- oder Sanierungsblogs ist dagegen eher noch eine Nische. Aber eine, die gut ankommt und wächst. Denn im Gegensatz zu angestaubten Heimwerkermagazinen gibt es hier bewährte Tipps aus erster Hand mit schönen Fotos und appetitlichen Texthäppchen.

„Mich haben einfach viele Leute gefragt, was wir da machen", erklärt Alexa von Heyden die Idee zu dem Instagram-Account @villapeng. „Als Modebloggerin kauft man sich vielleicht eine Gucci-Handtasche, aber doch kein Haus." Um so zufriedener stellt sie fest, dass das Interesse an ihren Posts groß ist und der Account wächst. „Ich bekomme tolles Feedback, sowohl von Followern als auch von möglichen Kooperationspartnern", sagt sie. „Die Leute haben mehr Lust auf Inhalte als nur auf schöne Bilder."

Zugleich erschließt sich die 39-Jährige mit dem Instagram-Kanal beruflich ein neues Feld. Schrieb sie sonst über Schiffermützen aus dem Hause Chanel oder die neueste Celine-Kollektion, fühlt sich der Interior-Schwerpunkt erwachsener an. „Das Landleben erdet", sagt sie. „Man setzt völlig neue Prioritäten."

Interior-Blogs

Freunde von Freunden (FvF): Was mit der Präsentation hipper Wohnungen von Leuten aus dem Bekanntenkreis begann, hat sich inzwischen zu einem kleinen Imperium entwickelt: Neben der Redaktion gibt es eine Agentur, die für internationale Kunden wie Sony, Vitra oder Mini Kampagnen produziert. Das FvF-Apartment in Mitte wird für Veranstaltungen vermietet. Für Print-Fanatiker ist im Gestalten Verlag außerdem ein Coffeetable-Book mit den schönsten Wohnungen und Interviews erschienen. www.freundevonfreunden.com

Herz & Blut: Fotografin und Bloggerin Jules Villbrandt hat ein Händchen für ungewöhnliche Interior-Aufnahmen und präsentiert auf ihrem Blog „Herz und Blut" interessante Wohnungen aus der Hauptstadt. Die Texte dazu schreibt ihre Schwester, Maria-Silva. www.herzundblut.com

Hauptstadtmutti: Eigentlich geht es in dem Blog von Isa Grütering und Claudia Kahnt um Beauty, Mode und den Alltagswahnsinn von Eltern und Familien. Immer wieder besuchen die beiden aber auch Familien zu Hause. Dabei muss es nicht immer das stylische Loft sein. Auch die Zwei-Zimmer-Wohnung einer allein erziehenden Mutter ist ihnen einen Beitrag wert. www.hauptstadtmutti.de

Sie fragten eine Nachbarin im Garten

Auch Sarah Piede ist Bloggerin aus Berlin. Die gelernte Modedesignerin teilt auf ihrem Lifestyle-Blog „eat blog love" seit ihrer Weiterbildung zur Online Marketing Managerin 2014 nicht nur Dekotipps und Rezepte. Besucher können auch verfolgen, wie sie ihr Haus aus den 30er-Jahren saniert. Dafür hat sie extra den Instagram-Account @hyggehomeberlin ins Leben gerufen.

„Mein Mann und ich haben bestimmt sechs Jahre lang nach einem Haus gesucht - und das sehr intensiv", sagt sie. „Neben den gängigen Immobilienportalen haben wir sogar Briefe verschickt, in Zeitungen inseriert, Aushänge gemacht und zum Schluss einfach Nachbarn angesprochen, wenn wir ein leer stehendes Haus entdeckt haben."

Ihre Strategie hatte Erfolg: Das Siedlungshaus entdecken sie zufällig bei einem Spaziergang. Sie fragten eine Nachbarin im Garten, ob es zum Verkauf stehe und konnten es einige Wochen später besichtigen. Die Vorher-Bilder auf ihrem Blog zeigen gemusterte Tapeten aus den 1970er Jahren, eine alte Küche und einen verwilderten Garten.

Seit der Kauf in Sack und Tüten ist, hält die Bloggerin ihre Fangemeinde fast täglich über die Fortschritte auf dem Laufenden. „Aktuell wird der alte Dielenboden abgeschliffen. Anschließend müssen noch freigelegte Holzbalken und die alte Treppe geschliffen und lackiert, Armaturen im Bad installiert, Sockelleisten montiert, zwei freigelegte Backsteinwände gesäubert und grundiert und alles final gestrichen werden", sagt sie über die anstehenden Arbeiten. Ein sportliches Programm, denn im Februar möchte Sarah Piede mit Mann und Kind einziehen.

Stil nach Brandenburg bringen

Auch vor bösen Überraschungen war die junge Familie nicht gefeit. So musste sie das Dach wider Erwarten neu decken lassen. Ein begrenztes Budget für Handwerkerleistungen macht das Hausbesitzerdasein nicht immer zu einer reinen Freude. Doch bei Tiefschlägen hilft ihr auch das Bloggen weiter. „Durch meinen Blog bin ich sehr nah am Thema, besuche Messen, recherchiere Trends und bin Teil einer Community, die sich für die gleichen Themen begeistern", sagt Sarah Piede. „Bei Instagram tausche ich mich fast täglich mit anderen Häuslebauern aus, was wundervoll ist." Inspirationen bekommt sie auf Messen, anderen Blogs, durch Zeitschriften, die Fotoplattform Pinterest, Instagram oder nur beim Spazierengehen.

Alexa von Heyden hat sich von vielen Möbeln aus ihrer Berliner Altbauwohnung, aber auch von Handtaschen und Highheels getrennt und richtet sich nun fast neu ein. Auch wenn sie das Internet noch zur Recherche und zum Austausch nutzt, sind für sie Magazine zur wichtigsten Inspirationsquelle geworden, weil sie dort noch fundiertere Informationen findet. „Ich lasse mich farblich von der Umgebung inspirieren, von den Farben der Natur, dem See und dem Garten", sagt sie. „Die Villa Peng ist wie eine Grand Dame und verbietet mit ihren eindrucksvollen Türen oder den Original-Dielenböden von 1910 jede Art von Kitsch."

Ihre Mission: „Ich möchte Stil nach Brandenburg bringen." Dafür verzichtet sie auch gerne auf ein Yogastudio in der Nähe und den Sushi-Bringdienst und pendelt - wenn es sein muss - eine Stunde mit dem Regionalexpress nach Berlin.

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