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Pari San, ein Mix aus Elektro, Pop und Alternative

Das Elektro-Pop-Duo veröffentlicht im Januar sein erstes Album. Ein Gespräch über Magie, Nachbarn und die Vergangenheit.


Der rote, samtene Vorhang wird zur Seite geschoben. Eine Frau und ein Mann treten ein, "Zum Mond" heißt die Bar ihres zukünftigen Managers. Als Erstes fallen ihre cognacfarbenen Lederhandschuhe auf, sonst trägt sie Schwarz, betont ihre Augen durch einen markanten Lidstrich. Er tritt ganz anders auf, schlicht im Hemd und in dunklen Jeans. Pari San, Debütanten mehr oder weniger, haben vor Kurzem ihre erste EP "Frozen ­Time" veröffentlicht. Sie klingt nach langen Nächten, mystisch, tief melancholisch. Keine klassischen Pop-Songs - ein Experiment aus Elektro, Pop und Alternative mit einer souligen Stimme.

Parissa Eskandari und Paul Brenning haben sich 2012 in Freiburg kennengelernt, trafen sich, um gemeinsam Musik zu machen, und nahmen schließlich ihr erstes Album auf. Paul studierte Mikrosystemtechnik, Parissa war aus Hamburg geflohen, raus aus der Großstadt. Ihr Kunststudium hatte sie in Düsseldorf bereits abgeschlossen. Deswegen macht sie jetzt auch das Artwork für Pari San, liefert die Ideen für das Albumcover und die Videos. Seit 2015 wohnen die beiden in Berlin, ein notwendiger Schritt, wie Paul sagt, ein Nach-außen-Gehen, wie Parissa sagt. Sie kramt in ihrer Tasche, zündet sich schließlich eine Zigarette an. Paul ist dreimal, Parissa sechsmal umgezogen innerhalb von Berlin - warum sie so häufig den Wohnort gewechselt haben, verraten sie nicht. Mittlerweile wohnt Paul in Kreuzberg und Parissa in Schöneberg. Das erste Album war bei ihrem Umzug nach Berlin bereits fertig, sogar gepresst, aber veröffentlicht wurde es nie. Zu viele neue Ideen, neue Songs. Das Album war Vergangenheit. Paul zieht die Zigarettenschachtel zu sich rüber.

Ihre EP produzierten sie gemeinsam, Parissa spielt Synthesizer und Nano-Controller, Paul neben dem Synthesizer noch Drums, damals noch mit dem Mund als Beatboxer, heute vor allen Dingen elektronisch. Sehr abstrakt begonnen, versucht das Duo seine Musik mittlerweile zugänglicher, konzeptioneller zu machen. Das Gefühl soll auf den Punkt gebracht werden. "Am Anfang war es viel zu abgedreht", sagt Parissa. Sie wollten das Rad neu erfinden, Strukturen und Regeln wurden verteufelt.

Die beiden sind recht unterschiedlich. Paul ist sehr realistisch, rational, pragmatisch. Parissa interessiert sich nicht so sehr für die Realität. Sie schafft sich ihre Realität, beschreibt Paul sie. Aber mittlerweile kennen sie ihre Verschiedenheit, haben gemerkt, dass genau das ihre Stärke ist. "Wir lassen einander stehen, springen über den Schatten und wagen die Idee des anderen." Wie ein dunkler Tunnel, an dessen Ende niemand weiß, was kommt - und dann ergibt plötzlich alles einen Sinn, ergänzt Parissa. Sie drückt ihre Zigarette aus. Paul zündet seine an.

Bei Paul zu Hause ist ein Studio eingerichtet, das nutzt das Duo zum Aufnehmen und Proben. Dort sitzen sie, zwei Elek­tro-Nerds, nebeneinander an den Geräten, probieren Sounds aus. "Aber wir suchen gerade einen neuen Proberaum", sagt Paul. Bei ihm kann man nicht aufdrehen, der Nachbar hat bereits nach Paul gespuckt. "Immer wenn wir proben, beginnt er an die Decke zu klopfen", erzählt Parissa. Mit einem Besenstil. Keine angenehme Proben-Atmosphäre. Deswegen ist die EP auch nicht nur in einem Studio entstanden.

Sie reichen sich das Feuerzeug hin und her. Zünden sich eine weitere Zigarette an. "Pari ist das ätherische Wesen von uns beiden", sagt Paul. Sie glaubt, dass es einiges gibt, was wir nicht kennen, meint es zu spüren. "Und das ist ein wesentlicher Teil unserer Musik." Die beiden machen sich auf in ihr persönliches Paralleluniversum, das nicht losgelöst ist von der Realität, sondern sie auf eine andere Weise abbildet, so beschreibt es Parissa. Ihr Album, das im nächsten Jahr erscheinen soll, heißt "Allah, Save the Money", es steht dafür, dass alles gut wird. Berlin hat Parissa die Magie genommen, sie lebt jetzt viel mehr in der Realität. Vorher wollte sie vieles nicht sehen. Was genau sie damit meint, verrät sie nicht.

Der Großteil ihrer Familie lebt in der iranischen Hauptstadt Teheran. Parissa träumt davon, dort in der Heimat ein Konzert zu spielen. Ein erster Schritt ist getan: Demnächst spielen sie schon mal in Paris.

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