"Sexuality, Strong and warm and wild and free, Sexuality, Your laws do not apply to me", Billy Bragg betont die Worte auf so eigenwillige Art, dass selbst, sollte man der englischen Sprache nicht mächtig sein, die Bedeutung unmissverständlich klar wird. Zu den Themen, die Billy Bragg besingt, gehörten schon immer Frauen, Liebschaften, Gefühle - diesen widmet er an dem Abend im Heimathafen Neukölln auch die ersten Songs -, aber auch Politik, Protest und Rassismus. "Im vergangenen Jahr habe ich begonnen, 600 bis 700 Wörter Posts bei Facebook zu veröffentlichen und Stellung zu beziehen zu Brexit, Trump und Co. Und dann dachte ich, stattdessen könnte ich doch ein neues Album schreiben", erklärt der 59-Jährige wie es zu seiner aktuellen EP "Bridges Not Walls" kam.
Seine Musik ist eine Mischung aus Blues, Country und Folk. Die Hälfte des Abends steht er allein auf der Bühne, mal mit E-Gitarre, dann wieder mit Akustik-Gitarre, die andere Hälfte lässt er sich unter anderem von einer Pedal-Steel-Gitarre begleiten. Ein in den 1930er-Jahren entwickeltes Zupfinstrument, das optisch erstmal eher an ein Klavier erinnert, das statt Tasten aber mit Saiten bespannt ist, deren Tonhöhe man über ein gleitendes Slide Bar verändert. Dieser einzigartige Klang schafft willkommene Abwechslung in dem phasenweise recht eintönig klingenden Set des Briten.
Jemand, der nicht anders kannBilly Bragg ist jemand, der nicht anders kann, als eine politische Position zu beziehen - auch bei seinem Konzert in Neukölln. Auf der einen Seite ist es angnehm, dass mal jemand deutlich ausspricht, was er denkt, auf der anderen Seite beschleicht einen der Eindruck einer Rund-Umschlag-Keule quer durch die Weltpolitik. Bragg thematisiert am Dienstagabend Trump, den Brexit und nicht zu vergessen, die Erderwärmung.
Umso später der Abend, desto politischer seine Songs. Da dauern die Ankündigungen für den nächsten Song durchaus auch mal über eine Minute. Nichtsdestotrotz haben seine Songs eine Berechtigung. Das schönste Stück an diesem Abend widmet Bragg einer Frau, die ihn nachhaltig beeindruckt hat. Im März hatte eine rechtsextreme Gruppierung eine Kundgebung in Birmingham gegen Rassismus unterbrochen. Eine junge Frau stellte sich neben sie und lächelte sie einfach nur an, bis die Polizei kam. "A woman of color steps out from the crowd, does something to make us all proud" singt der Brite in "Saffiyah smiles".
An der Spitze der Anti-Thatcher-Bewegung1957 in Barking, Essex geboren, wächst Billy Bragg in einem Arbeiterhaushalt auf. Bereits mit seinem Debütalbum " Life's A Riot With Spy Vs Spy" (1983) setzt er sich an die Spitze der Anti-Thatcher-Bewegung und definiert sich als politischer Musiker. Das Album erreicht Nummer 30 in den englischen Charts. Mitte der 80er-Jahre gründet Bragg gemeinsam mit Paul Weller, Lloyd Cole und Jimmy Sommerville die Bewegung "Red Wedge", dessen Ziel es ist, junge Wähler zu begeistern.
Bragg tritt bei Gewerkschaftsveranstaltungen und Streiks auf, zum 50. Thronjubiläum der Queen veröffentlicht er den Titel "Take Down The Union Jack", in dem er Großbritannien als einen wirtschaftlicher Zusammenschluss beschreibt, dessen Verfallsdatum abgelaufen ist. Doch Bragg äußert sich nicht nur im Bezug auf seine Heimat. So wie er sich 2004 gegen die Regierung George W. Bushs positionierte, singt er jetzt auch gegen Donald Trump.
Billy Bragg baut durch seine humorvolle und direkte Art eine enge Bindung zu seinem Publikum auf, das vorwiegend männlich und jenseits der 40 ist. Mit einem seiner erfolgreichsten Songs, dem 34 Jahre alten "A New England", entlässt er seine Zuhörer in die kalte Nacht.
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