Berlin. Als man den Admiralspalast am Freitagabend betritt, denkt man zunächst an eine dieser Folgen von Rosamunde Pilcher. Dort gibt es Sommerhäuser am See, in denen die Möbel mit Laken vor Staub geschützt werden. Genauso sieht es heute auch hier aus - bis Tim Bendzko hereinkommt, zwei rote Sessel und ein Etagere freilegt, eine alte Stehlampe anknipst und beginnt, auf seiner Gitarre zu spielen. Das Publikum beschwert sich, es sei zu leise, doch Bendzko bittet um Stille und eröffnet das Konzert mit einer Unplugged-Version von "Bei dir sein".
"Das Schöne an unserer Wohnzimmer-Tour ist, dass ihr alles dürft, was ihr Zuhause auch macht. Legt die Füße hoch, zieht die Schuhe aus, macht es euch bequem", sagt Tim Bendzko. Er nimmt seine Rolle als Gastgeber sehr ernst. Reißt er doch einen Witz nach dem anderen, macht sich über seinen Tanzstil lustig oder öffnet betont ungekonnt die Sektflasche. Bereitwillig amüsiert sich das Publikum und lacht an den richtigen Stellen - auch, wenn Bendzko mit seinen übergroßen Gesten manchmal eher an einen Pausen-Clown erinnert. So meint der 32-Jährige, dass er aussehe wie 21, dass der optische Alterungsprozess bei ihm nun aber schneller einsetze, sodass er mit 42 dann wie 41 aussehe. Deswegen habe seine Band einen Jingle - das sind diese Einspieler im Radio oder in der Werbung - aufgenommen, damit man ihn dann auch noch erkenne. Das Publikum lacht.
Dass die Band nur mit vier statt mit sonst elf Mitgliedern besetzt ist, fällt überhaupt nicht auf. Der Klang ist voll, sehr gut abgestimmt, und sowohl Pianist als auch Gitarrist fallen durch ausgezeichnetes Spielen und angenehmer Bühnenpräsenz auf. Irgendwie schaffen sie es, dass Tim Bendzko noch genauso klingt, wie vor sechs Jahren. Zwar macht der Berliner mittlerweile gerne mal einen gesanglichen Schnörkel mehr, aber wenn er an diesem Abend seinen Durchbruch-Hit "Muss nur noch kurz die Welt retten" singt, dann fügt er sich unauffällig in die Songs des aktuellen Albums "Immer noch Mensch" ein.
Mittlerweile sind auch die restlichen Möbelstücke von den Laken befreit, und es offenbart sich ein Wohnzimmer - inklusive 19 Schirmlampen, die munter an- und ausgehen. Dazwischen laufen zwei Männer in Overalls rum, mit der Aufschrift "Tim Bendzko Umzüge" und tragen Kartons durch die Gegend. "Habt ihr gesehen, dass ich jetzt eine eigene Umzugsfirma habe?", fragt Bendzko. Der Show-Häschen-Schalter geht wieder an. Der Sänger holt eine Frau auf die Bühne, trinkt mit ihr Sekt, auch wenn sie eigentlich Wasser will, lässt darüber abstimmen, welchen Coversong die Band heute spielen soll. Zur Auswahl stehen "1000 mal berührt", "80 Millionen" und "Und wenn ein Lied". Es wird Letzterer. Und dann gibt er gleich noch einen Coversong hinterher. "Verdammt ich lieb dich" von Matthias Reim. Er habe nämlich einen Bildungsauftrag - jeder solle diesen Song kennen.
Selbst, wenn man kein Fan ist: Bendzko bietet zwei Stunden wirklich gute Unterhaltung mit Musik, die weder aneckt noch wehtut. Und so beendet Bendzko sein Konzert wie er es begonnen hat: mit einer Unplugged-Version von "Warum ich Lieder sing".
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