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Special

Newsletter für Schneidermeister Klaus Frech

Frage an Schneidermeister Klaus Frech:

Was trägt der Gentleman im 21. Jahrhundert?

 

Antwort:

Nichts, was er nicht auch im letzten nicht getragen hätte.

 

Die Herrenmode des dritten Jahrtausends droht uns mit unübersehbaren Variationen, wahllosem Überbordwerfen von Regeln und saisonalem Auftauchen stets „neuester“ Materialkombinationen zu überfluten. Doch sind dies „Probleme“, mit denen sich der Gentleman auch schon nach der letzten Jahrhundertwende nicht aus der Ruhe bringen ließ. Denn er war gewappnet durch folgende Eigenschaften:

 

Persönlichkeit

Um Missverständnissen schon im Vorwege zu begegnen: Persönlichkeit hat jeder. Wird sie einem abgesprochen, ist meistens eine negative Wertung derselben beabsichtigt. Doch auch die kann man, wenn sie einem bewusst ist, durch seine Kleidung ausdrücken. Warum auch nicht? Leider gehört das Erkennen der Persönlichkeit noch nicht zur Grundausbildung von Herrenausstattern. Auch haben sie nicht die Mittel, diese zu unterstreichen, denn ihnen sind mit Konfektionsgrößen und beschränktem Warenangebot enge Grenzen gesetzt.

 

Stilsicherheit

Auch in der klassischen Herrenmode gehörte der Regelbruch zum Alltag. Doch kann man nur Regeln brechen, die man auch kennt. So erlangt man Stilsicherheit durch Wissen und Erfahrung. Zum Wissen wollen wir mit diesem Newsletter beitragen. Denn leider mussten wir feststellen, dass sich auch auf diesem Gebiet ein Aussterben von Kundigen und weiterführender Literatur vollzieht.

 

Liebe zum Detail

Natürlich gibt es wichtigeres, als sich über durchgenähte Knopflöcher an Herrenjackets zu unterhalten. Doch eben darum tut man es. Genauso, wie einem zum Beispiel die Form des Rücklichts an seinem Roadster nicht kalt lässt. Gerade der Alltag mit seinem Zwang zur ständigen Konzentration oder die Sorge um existentielle Entscheidungen zwingen uns förmlich, unser Seelenheil mit der Freude an Kleinigkeiten die nicht jedem auffallen, wiederherzustellen.

 

Gelassenheit

Der Gentleman beobachtet ruhig das Vibrieren der Mode, die sich aus der Entfernung doch wieder als eine regelmäßige Wellenbewegung darstellt. Das sofortige reagieren auf kleinste Modeströmungen macht einen erstens zum willigen Ausführungsgehilfen findiger, profitorientierter Modeschöpfer und gestattet einem zweitens doch nie eine vollständige Deckungsgleichheit mit der Mode der Minute.

 

Vertrauen in seinen Schneider

Darauf haben Sie natürlich gewartet: das große Fazit, jetzt beginnt das Verkaufsgespräch. Aber stellt sich nicht vorher die Frage: Was braucht der Gentleman einen persönlichen Schneider, wenn er doch bereits so souverän mit der Mode umzugehen weiß? Früher gab es keine Konfektionsmode in diesem Umfang, da hatte er kaum eine Wahl. Heute kann er wählen aus einer Vielzahl von Möglichkeiten, die eigene Garderobe erstellen zu lassen. Aber bietet uns die Gegenwart wirklich mehr als reine Bekleidung? Wo ist der Fortschritt? Sind wir mit Auswahl und Beratung zufrieden? Worauf legt man Wert? Was ist uns abgewöhnt worden? Die Zeiten, als man mit einem Topf und einer Schere einen Haarschnitt erzeugen konnte, sind vorbei. Doch lassen wir uns immer noch in Textilien stecken, die nicht für uns gemacht wurden. Sind wir uns nicht mehr wert? Wir gestalten bewusst unser leben, treffen im Sekundentakt weitreichende Entscheidungen, fühlen uns als Individuum und lassen uns doch in Konfektionsschubladen zwängen? Fehlt Ihnen ein Partner, dem nicht der schnelle Profit, sondern der stimmige Gesamtauftritt seines Kunden als Basis einer langfristigen Geschäftsbeziehung erstrebenswert erscheint?

 

Bitte ziehen Sie Ihr Fazit selbst. Treffen Sie Ihre Entscheidung. Sollte ich Ihr Interesse geweckt haben, würde ich mich freuen, ihnen zukünftig in loser Folge aus der Welt des Gentleman im Allgemeinen und seine Bekleidung im Besonderen in Newslettern dieser Form berichten zu dürfen.

 

Hochachtungsvoll

 

Klaus Frech

Scheidermeister