Joe Rahn

Freier Journalist, Hesel

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Artikel

Wildbienen und Blumenwiesen

Durch eine Vielzahl von Studien ist mittlerweile belegt, dass es gravierende Rückgänge bei den Insekten gibt. Am bekanntesten ist die Krefelder Studie, bei der die Biomasse gemessen wurde (75% Rückgang in 27 Jahren). Das war der Auslöser der Diskussionen im Jahre 2017, der auch politisch für viel Wirbel gesorgt hat. Den Artenrückgang, Stichwort Rote Liste, wird von Experten allerdings schon seit sehr vielen Jahren beobachtet. 


Erfreulich ist in diesem Zusammenhang dagegen, dass aufgrund der aktuellen Thematik viele Kommunen, Schulen, Landwirte und vor allem Privatpersonen Initiative ergriffen haben, um artenreiche Wildblumenbeete, Blühstreifen etc. anzulegen.


Betroffen sind vor allem Fluginsekten, wie Wild- und Honigbienen sowie Schmetterlinge. Nahezu 90 Prozent der Wildblumen und 75 Prozent unserer Nutzpflanzen wie Obst und Gemüse sind für die Fortpflanzung auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. In China schwärmen nicht mehr die Bienen in Scharen aus, sondern Menschen, um in den Obstplantagen die Blüten per Hand zu bestäuben. Darüber hinaus sind Insekten auch ein bedeutender Bestandteil der Nahrungskette für Fische und Vögel. Als mögliche Ursachen für den Rückgang der Insekten wird die Ausräumung der Landschaft, die frühzeitige Mahd an Straßenrändern und die Ausweitung der Monokulturen diskutiert, so dass ein dauerhaftes Trachtenband und somit eine notwendige Nahrungsquelle fehlt.


Das Ev. Bildungszentrum Ostfriesland-Potshausen führt aufgrund der gegenwärtig aktuellen Problematik bezüglich des Insektensterbens neben dem bestehenden Seminarprogramm zusätzliche Seminare zum Thema Wildbienen und Blumenwiesen durch. Neben Fachvorträgen und Exkursionen werden u.a. Wildbienen-Nisthilfen, Blühstreifen und bienen-/wildbienenfreundliche Pflanzungen vorgestellt.

Nicht zuletzt die Teilnahme an der sehr informativen Veranstaltung „Anlage von artenreichen Wildblumenwiesen" der niedersächsischen Bingo Umweltstiftung hat dazu angeregt, Initiative zu ergreifen, um das Thema stärker in der ökologischen Bildungsarbeit unserer Einrichtung zu integrieren. Die Veranstaltung im Januar 2018 mit ca. 200 Besuchern hat das große Interesse an dieser Thematik gezeigt. Des Weiteren fand im EBZ Potshausen in Kooperation mit dem „General-Anzeiger" (Zeitungsgruppe Ostfriesland) im Februar 2018 eine Informationsveranstaltung zum Thema „Wildblumenwiesen und Blühstreifen" statt, an dem über 100 Zuhörer teilnahmen. Im Februar 2019 wird in der Gemeinde Uplengen eine Informationsveranstaltung durchgeführt, für die sich über 200 Besucher angemeldet haben.


Deutlich wird jedoch auch, dass auf diesem Gebiet noch großer Aufklärungsbedarf, Öffentlichkeitsarbeit und vor allem Fachwissen erforderlich ist, um das Anlegen von Wildblumenwiesen erfolgreich und vor allem nachhaltig durchzuführen. Auch die Bodenvorbereitung, die Vorgehensweise bei der Aussaat, die Berücksichtigung des Blühzeitpunktes und die Pflege der Wildblumenwiesen sind von immenser Bedeutung. Das Aussäen von Saatgutmischungen, das Anpflanzen von wildbienenfreundlichen Stauden geht nicht ohne Fachwissen. Der Einsatz von Honigbienen/ Wildbienen-freundlichen Stauden neben Saatgutmischungen hat Vorteile, in dem sich schnellere Erfolge einstellen. Wichtig ist bei artenreichen Blühpflanzen, dass möglichst zu allen Jahreszeiten Pflanzen blühen (und nicht alle auf einmal). Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass partiell mehr Honig-/Wildbienen in der Stadt als auf dem Land vorkommen, vor Jahrzehnten undenkbar.


Die Ursachen für die gegenwärtige Situation sind sicherlich vielfältig. Neben dem Strukturwandel in der Landwirtschaft, das Ausbringen von Glyphosat und Neonikotinoiden gibt es sicherlich weitere Faktoren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Die Folgen sind in der Natur gravierend wie folgendes Zitat aufzeigt: "Von den 248 Vogelarten, die in Deutschland brüten, ernähren sich 80 Prozent von tierischer Kost, die Hälfte von ihnen bevorzugt Insekten. Viele Arten, die als Erwachsene etwas anderes fressen, füttern zumindest ihre Jungen mit den Kerbtieren" schreibt die Süddeutsche Zeitung. In der norddeutschen Landschaft sind die Wiesenvögel seit Jahren in großem Ausmaß rückläufig und Experten sprechen von einer dramatischen Entwicklung.


Deshalb ist das Engagement von Initiativen und Privatpersonen zur Förderung von ökologisch wertvollen Biotopen von großer Wichtigkeit für die Insektenwelt und auch als Biotopvernetzung, um die Artenvielfalt zu stabilisieren. Mit einer naturnahen Umgestaltung oder Neuanlage leistet jeder Einzelne und jede Kommune einen wertvollen Beitrag zur Umsetzung der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt.

Ebenso besteht ein hoher Aufklärungsbedarf in Bezug auf die Biologie und Lebensweise der Wildbienen und deren Bedeutung für die Bestäubung. Laut eines Berichtes eines Forschungsteams in der Zeitschrift „Science" bringen Kulturpflanzen besonders reichen Ertrag, wenn sie von Wildbienen bestäubt werden. Eine internationale Studie zeigt, dass die wildlebende Verwandtschaft effektiver arbeitet als die „herkömmlichen" Honigbienen. 100 Honigbienen plus 50 Wildbienen bestäuben ein Feld demnach viel effektiver als 150 Honigbienen. Wildlebende Insekten erreichen mit der gleichen Zahl von Blütenbesuchen einen doppelt so hohen Fruchtansatz wie Honigbienen. Wildlebende Insekten brauchen natürliche Ressourcen wie Nahrung und Nistmöglichkeiten. Die über 500 verschiedenen Arten der Wildbienen haben somit neben den Honigbienen eine sehr hohe Bedeutung für die Blühpflanzen und damit u.a. auch für den Obstertrag.


Das Seminar mit dem Titel „Wildbienen und Blumenwiesen" soll hierfür das entsprechende Fachwissen liefern. In der dreitägigen Veranstaltung geht es um die Lebensweise der Wildbienen und entsprechende Nisthilfen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Anlegen von artenreichen Wildblumenbeeten. Als Fachreferent konnte hierfür der Wildbienenexperte Volker Fockenberg gewonnen werden. Die Teilnehmer werden in die Artenvielfalt sowie in die Morphologie und Systematik der Wildbienen eingeführt. Im praktischen Teil können die Seminarteilnehmer mit Stereomikroskopen in die faszinierende Welt der Wildbienen einen Einblick gewinnen. Auch die Bestimmung ausgewählter Arten und Gattungen der Wildbienen wird im Seminar mit Bestimmungshilfen eingeübt. Das EBZ Potshausen will mit dem Seminar „Wildbienen und Blumenwiesen" Interessierte qualifizieren und auf diesem Gebiet weiterbilden. Neben Privatpersonen und Landwirten ist die Weiterbildung auch für Mitarbeiter der Kommunen vorgesehen. Mit unterschiedlichen Themenbereichen und Referenten soll das Thema in zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, die unabhängig voneinander besucht werden können. Vorgesehen ist ein dreitägiges Seminar im Frühjahr und im Herbst 2019. Die Wichtigkeit von Nisthilfen für die Wildbienen wird ebenfalls thematisiert und im Seminar werden an praktischen Beispielen Nisthilfen hergestellt. Darüber hinaus wird ein Referent der Firma „Saaten Zeller" Aussaatmischungen und Maßnahmen zur Bodenvorbereitung und Pflege der Wildblumenwiesen und-beete thematisieren. Außerdem werden in einem weiteren Schwerpunkt Wildbienen/Honigbienen-freundliche Stauden vorgestellt.


Der Einsatz von diesen Stauden neben Saatgutmischungen hat Vorteile, in dem sich schnellere Erfolge einstellen. Zudem findet im 1. Teil eine Exkursion mit Führung in „Befis Naturgarten" statt. Für das Herbstseminar ist der Wildbienenexperte Rolf Witt vorgesehen, der die Teilnehmer in die Artenvielfalt der Wildbienen einführt. Weiterhin hält Herr Witt im Saal des Ev.Bildungszentrums Potshausen dann den öffentlichen Vortrag „Wildbienen & Co in unserer Kulturlandschaft". Ebenso besteht ein hoher Aufklärungsbedarf in Bezug auf die Biologie und Lebensweise der Wildbienen und deren Bedeutung für die Bestäubung.


Einen weiteren Schwerpunkt bilden in diesem zweiten Seminar die zertifizierten Aussaatmischungen der Firma „Rieger-Hofman". Die Seminarteilnehmer werden in das fachgerechte Anlegen von Wildblumenwiesen unter Berücksichtigung der Bodenvorbereitung, der Saatgutmischungen im öffentlichen Grün, des Blühzeitpunktes und der Pflege von artenreichen Wildblumenwiesen geschult. Die Referentin Imke Halfwassen hat zu diesem Thema ihre Bachelorarbeit geschrieben, und es werden gelungene Projektbeispiele vorgestellt. Weiterhin werden Erfahrungsberichte zum Thema Anlegen von Wildblumenbeeten und an ausgewählten Beispielen vermittelt.

Durch die Förderung der Bingo Umweltstiftung Niedersachsen konnte im Frühjahr 2018 mit der Anlage von artenreichen Wildblumenwiesen und bienenfreundlichen Stauden auf dem Gelände des EBZ Potshausen begonnen werden. Somit können die Seminarteilnehmer einen Einblick und vielfältige Anregungen für die Gestaltung und das Anlegen von Wildblumenwiesen, bienenfreundlichen Rabatten, Staudenbeeten etc. erhalten und vor Ort können Seminarteilnehmer praktische Anschauungsbeispiele aufgezeigt und fachgerecht beraten werden.


Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Projekt voraussichtlich durch die Niedersächsische Bingo Umweltstiftung gefördert wird und für die Teilnehmer vergleichsweise kostengünstig angeboten werden kann.

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