Asylsuchende sind auf Übersetzer angewiesen, damit sie gehört und verstanden werden. Umgekehrt ist das, was ein Dolmetscher wiedergibt, oft das wichtigste Mittel zur Informationsgewinnung und zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Fluchtgründe. Ganze Schicksale hängen also von der Arbeit des Dolmetschers ab.
von Jennifer Stange, MDR INFO
Hassan Abidine ist vor fast 50 Jahren aus Syrien in die damalige DDR geflohen. Er ist Humanist, sagt er. Und er engagiert sich heute ehrenamtlich für Migranten. Sein Geld verdient er als Dolmetscher - staatlich geprüft und vereidigt für Arabisch-Deutsch. Haltung und Profession trennt er strikt und problemlos, sagt er: "Wenn ich dolmetsche, bin ich neutral. Aufgabe eines Dolmetschers ist es, treu und gewissenhaft zu übertragen, was der andere gesagt hat."
Interpretieren hilft nichtLeichter gesagt als getan. Dolmetscher müssen einfühlsam sein, dürfen aber nichts an sich ran lassen. Gerade in Asylverfahren ist das nicht immer leicht, weiß Monika Eingrieber, Vizepräsidentin des Bundesverbands der Dolmetscher: "Bestimmte Dinge gerade in solchen Verfahren nehmen einen ja auch mit. Das sind oft schwierige Umstände, teilweise schreckliche Schicksale. Man muss versuchen, ähnlich wie ein Arzt oder Anwalt, die Distanz zu wahren." Der Verband warnt vor einer Überforderung ehrenamtlicher Dolmetscher und fordert, zumindest bei medizinischen und juristischen Belangen Profis einzusetzen.
Kommunen, Gemeinden und Organisationen setzen zunehmend auf freiwillige Dolmetscher. Gerade sie wollen helfen - doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, weiß auch Abidine: "Man hilft nicht, wenn man interpretiert - im Gegenteil: Es könnte Schaden verursachen, wenn ich als Dolmetscher irgendetwas erzähle, von dem ich meine, dass ich demjenigen helfen kann. Das ist nicht meine Aufgabe."
Wer hat Recht auf Dolmetscher?Doch in den wenigsten Fällen haben Asylsuchende überhaupt ein Recht auf einen professionellen Dolmetscher. Thomas Könneker, Fachanwalt für Ausländer- und Asylrecht, sagt: "Ein Asylsuchender hat Recht auf einen Dolmetscher, wenn er vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Anhörung hat. Dort wird er zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, zum Reiseweg und zu den Asylgründen befragt. Gleiches gilt später für die gerichtliche Instanz, sofern der Asylantrag abgelehnt wird - was der Regelfall ist." Selbst mit professionellen Dolmetschern gebe es manchmal Probleme, meint Könneker. Denn nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Hürden müssen sie zu überwinden wissen: "Wenn beispielsweise der asylsuchende Iraner zum Christentum übertritt, wird geprüft, ob der Übertritt ernsthaft ist und es werden Fragen zur Bibel gestellt. Da haben wir einen Haufen Dolmetscher, die verstehen die Fragen nicht mal - die wissen nicht, was die Bergpredigt ist."
Der Video-Dolmetscher kommtVor allem in außergewöhnlichen Sprachen wie Urdu oder Tigrinya, ist es nicht leicht, überhaupt eine Fachkraft zu finden. Das BAMF spricht von "punktuellen Defiziten" - gerade in Mitteldeutschland. Darüber hinaus liegt es im Ermessen der Städte und Kommunen, ob und wann sie einen Dolmetscher einsetzen. Die Stadt Leipzig unterstützt ein Netzwerk aus nicht-professionellen Sprachmittlern, die hinzugezogen werden können. Potsdam geht noch weiter und führt bundesweit als erste Stadt in den entsprechenden Behörden Video-Dolmetscher ein. Das sei nicht nur fairer, sondern auch effizienter, so eine Sprecherin.
Zuletzt aktualisiert: 04. August 2015, 05:00 Uhr