Produkttester im Internet
Journalisten im Servicebereich bekommen Konkurrenz aus dem Internet. Private Produkttester geben ihr Feedback in Eigenregie oder auf speziellen Portalen zu selbstgetesteten Produkten ab.Für Leser ist der unkomplizierte Zugriff auf die Informationen von Vorteil und macht die Tester konkurrenzfähig. Die Bandbreite der Testobjekte reicht vom Nagellack bis zum LED-Fernseher. Auf professioneller Basis getestet haben in der Vergangenheit schon Verbraucherorganisationen wie die Stiftung Warentest, Öko-Test oder das Institut Fresenius. Neu ist dagegen, dass die sogenannten Reviews von Privatpersonen kostenlos veröffentlicht werden. Aus dem eigenen Wohnzimmer heraus verteilen die Tester ihre Einschätzungen in kurzen Videos und Texten auf Blogs, in Online-Stores und auf Bewertungsseiten wie ciao.de. Wo der Journalist stets angehalten ist, einen Schritt zurückzutreten, um das Gesamtbild und somit die Pros und Kontras nicht aus dem Blick zu verlieren, ist Subjektivität das Zugpferd der Bloggerinnen und Blogger. Melanie Jutzi, Chefredakteurin des Testportals pinkmelon.de mit derzeit 401 aktiven Testerinnen und 510.000 Besuchern pro Monat erklärt dies so: „Persönliche Meinungen von Privatpersonen sind authentisch und der Leser hat das Gefühl, dass er die ungeschminkte Wahrheit über das getestete Produkt erfährt." Empfehlungsmarketing nennen Experten diese Strategie. Sie basiert auf dem hohen Wirkungsgrad, den die Empfehlung eines Freundes gegenüber herkömmlicher Werbung einnimmt.
Der Blogger, dein Freund und BeraterSelbstgeschossene Fotos und eine schlichte private Atmosphäre schaffen Nähe und Vertrauen zwischen den Bloggern und ihren Lesern. Ein Vorteil, der auch Dr. Holger Brackemann von der Stiftung Warentest, deren aufwändige Prüfverfahren selten ohne ein Labor auskommen, nicht entgangen ist: „Die sehr lebensnahe Darstellung der Tests und ihrer Ergebnisse sind schon etwas, von dem auch wir lernen können. Wir setzen auch immer mehr auf ausführliche Bildstrecken und zu vielen Tests zeigen wir Videos auf test.de und youtube aus den Labors." Wichtig für beide Gruppen ist das regelmäßige Publizieren, um den Leser nicht zu verlieren. Veröffentlicht ein Blogger konstant neue Beiträge, kann er für seine Fangemeinde sogar zu einer Art Meinungsführer werden und eine Position einnehmen, die vor der Zeit der kostenlosen Informationsverbreitung hauptsächlich Journalisten vorbehalten war. Eine Garantie für die ungeschminkte Wahrheit ist diese Scheinkumpanei jedoch nicht.
Recherchen von Computerbild.de zufolge sind zwischen 20 und 30 Prozent der Produktbewertungen gefälscht. Das Geschäft mit dem virtuellen Feedback ist lukrativ und so gibt es bereits Firmen, die gegen Bezahlung positive Bewertungen für einen Shop oder ein Produkt im Internet platzieren. Das lockt Kunden an. Andersherum ist es etwa in der Reisebranche nicht unüblich, die Konkurrenz mit fingierten negativen Beurteilungen zu schwächen. Besonders einfach geht das auf Seiten, die mit einem Sterne- oder Kurzbewertungssystem arbeiten.
Detaillierte Beschreibung vs. kurze FälschungAuch wenn sich viele Blogger den Vorwurf gefallen lassen müssen, durch Werbegeschenke der Firmen im Zweifel zu wohlwollend zu urteilen, zeichnen sich ihre Testergebnisse durch große Sorgfalt und Präzision aus. Geht es etwa um die Bewertung eines Shampoos, werden auch Details wie Aussehen, Konsistenz oder Schaumbildung nicht ausgelassen. Um jedoch wirklich in die Tiefe gehen zu können, mangelt es in der Regel an teurem Equipment. Für Holger Brackemann sind die bloggenden Produktester aus diesem Grund zwar nicht zu vernachlässigende Wettbewerber, jedoch keine ernstzunehmende Konkurrenz: „Viele Ergebnisse in unseren Tests können wir nur in sehr aufwändigen Prüfeinrichtungen, in spezialisierten Labors ermitteln. Außerdem haben unsere Projektleiter eine einschlägige Ausbildung, zum Beispiel als Lebensmittelchemiker oder Elektroingenieur. Da können Blogger nicht mithalten."
Durchaus mithalten können sie aber seiner Einschätzung nach mit dem einen oder anderen Journalisten aus dem Servicebereich. Gerade wenn es um Gaming oder Computersoftware geht, unterscheiden sich die Testverfahren von Profis und Bloggern kaum. Unter Umständen sind die sprachliche Umsetzung und Verständlichkeit die einzigen Qualitätsunterschiede. Ebenso müssen im Kosmetikbereich groß angelegte Labortests ihren Nutzen rechtfertigen, wenn den Leser womöglich nur interessiert, wie ein Produkt auf der Haut aussieht oder sich anfühlt.
Die Komplexität eines Produkts wird zukünftig darüber entscheiden, wie viel Experte für eine genaue Bewertung von Nöten ist. Gleichzeitig liegt es beim Leser zu entscheiden, wie zugespitzt ein Testurteil sein darf, um tatsächlich hilfreich zu sein.
Ein Beitrag von Jennifer Hinz.
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