Die Erleichterung bei den Münchnern war spürbar. Zum Glück sind wir noch nicht Meister! So lautete nach dem 2:0-Sieg bei Hertha BSC das unausgesprochene Fazit der Gäste. Vor allem die Funktionäre des Rekordmeisters hatten offenbar Angst, Bierduschen und nächtliche Partyexzesse könnten die Vorbereitung auf das Champions-League-Halbfinale bei Atlético Madrid stören (Mittwoch, 20.45 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE).
Deshalb verkündete der FC Bayern in den vergangenen Tagen mehrfach mit Nachdruck, man werde selbst im Falle einer vorzeitig feststehenden Meisterschaft keinesfalls ausgiebig feiern. Sportvorstand Matthias Sammer hatte, um das zu unterstreichen, die Reise nach Berlin gar nicht erst angetreten und zuvor die Mannschaft dringlich ermahnt: "Natürlich wäre es ein unglaublicher Moment, den wir uns allerdings nur sehr kurz gönnen dürfen."
So war die Erleichterung groß, dass wegen des 3:0-Erfolgs von Borussia Dortmund in Stuttgart die 26. Meisterschaft wohl erst am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach feststehen wird. Die Spieler winkten kurz in die Kurve, verschwanden dann in den Katakomben und verließen das Stadion fast überstürzt in Richtung Flughafen. Einzig Arturo Vidal ließ es sich nicht nehmen, laut singend in Unterhosen durch den Tunnel zu den Kabinen zu tanzen.
Thomas Müller sagte, es sei nicht einfach, sich alle paar Tage zu Höchstleistungen zu pushen, "vor allem, wenn jeder einen Sieg erwartet". Auch Mario Götze, von dem man in der ersten Halbzeit wenig sah, warb um Verständnis: "Auswärts gegen einen tiefstehenden Gegner: Das fällt uns nicht so leicht."
Wären die Münchner tatsächlich Meister geworden, die Feier wäre wohl noch deprimierender ausgefallen als 2014, als sich die Mannschaft immerhin noch dazu durchgerungen hatte, in Jogginganzügen in einem Berliner Nachtklub herumzugeistern.
Aber dazu kam es ja nicht. Bayern-Trainer Josep Guardiola hatte durchrotiert, für Javier Martínez etwa spielte Serdar Tasci. Der Winterzugang agierte einigermaßen solide. Ansonsten zeigten die Münchner manches, was man sonst selten sieht: ziellos nach vorne gespielte Bälle, Ballverluste im Mittelfeld und das eine oder andere rüde Foul wie das von Rafinha an Mitchell Weiser in der 37. Minute.
Costas perfekte Bogenlampe
Wie erstklassig auch der zweite Anzug der Bayern spielen kann, bekamen die Hertha-Profis in der zweiten Hälfte zu spüren: Die Münchner erhöhten das Tempo, die Ballbesitzquote von bisweilen über 80 Prozent zeigt, wie sehr die Berliner nun den schnellen Münchner Pässen hinterher rannten.
Fast zwangsläufig fielen beide Tore, der von Niklas Stark abgefälschte Schuss von Arturo Vidal (48. Minute) und die perfekte Bogenlampe von Douglas Costa (79.), bei der Keeper Thomas Kraft nicht einmal mehr die Arme hochriss, so beeindruckend senkte sich der Schuss in den Winkel. Da raunte auch das Berliner Publikum anerkennend und Costa ließ sich von der Ersatzbank feiern.
Der Rest war lockeres Auslaufen. Dass die Berliner anschließend nicht gänzlich unglücklich wirkten, wird beim Blick auf die Tabelle verständlich. Für die Europa League ist Berlin so gut wie qualifiziert, weil der VfL Wolfsburg als Achter die Saison lustlos austrudeln lässt - für den letztjährigen Abstiegskandidaten aus Berlin ist das ein großer Erfolg.
Und die Bayern? Mit einem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach kann der FC Bayern es nun aus eigener Kraft schaffen. Und vielleicht ist dann ja auch mal Zeit, um die Meisterschaft für einen kurzen Moment zu feiern. Auch wenn Matthias Sammer das nicht gerne sieht.
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