Meine Kollegin Simone hat gestern über den FC-Utrecht-Spieler Nacer Barazite geschrieben, der einer niederländischen Journalistin aus religiösen Gründen nicht die Hand geben wollte. Ist sogar vertraglich so geregelt. Das heißt aber noch lange nicht, dass es angemessen ist. Das muss doch auch anders gehen.
Kommen ein Syrer, eine Tunesierin und eine Serbin in einen Burekladen
Ich erzähle kurz von meinem Coban-Trio, meinem lieben Freunde-Dreiergespann: Fadi* ist Syrer, Samira* ist Tunesierin und ich Serbin.
Die beiden wurden so sozialisiert, dass sie einander nicht berühren, weil das eben nicht üblich ist. Kein Handschlag, kein Bussi. Essentiell ist: Sie machen das nicht, weil sie keinen Respekt voreinander haben. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Sie haben großen Respekt voreinander, denn genau das ist ihr Verständnis von Respekt.
Ich hingegen bin so aufgewachsen, dass man allen Menschen die Hand gibt und jene, die man besonders gern hat, bekommen eine Umarmung und oder ein Bussi - relativ egal ob Mann oder Frau. Serben immer drei, alle anderen eins bis zwei. Meine Ansicht von Respekt ist also, dass mir alle, die ich kennenlerne, zumindest die Hand geben. Oder zumindest, wenn sie allen anderen die Hand geben, das bei mir auch tun.
Also sind das hier ganz eindeutig keine falschen oder richtigen Wertvorstellungen, sondern nur komplett verschiedene. Wie läuft das also ab, wenn wir uns treffen?
Bussi, no bussi, as you wish
Samira und ich geben einander ein Bussi, Fadi und ich geben einander je zwei Bussis auf die Wange und Samira und Fadi sagen „Servas" zueinander oder geben einander manchmal Fistbump, wenn sie hoat drauf sind. Dann futtern wir alle gemeinsam Burek am Reumannplatz und becken uns ab.
Fazit: Da Samira und Fadi einen ähnlichen Background haben, verhalten sie sich nach diesen Standards. Da sie nicht wie ich aufgewachsen sind, werde ich sie nicht im serbisch-orthodoxen Style drei Mal mit meinen Küssen zwangsbeglücken. In Österreich gibt man einander aber die Hand oder „guten Freunden gibt man ein Küsschen." Da wir in Wien leben, passen wir uns alle drei den hier gegebenen Gepflogenheiten an und jeder macht kleine Abstriche, sodass wir uns gegenseitig bestmöglich respektieren. Kleinster gemeinsamer Nenner eben, multikulti-idyllisch.
Was ist denn jetzt Respekt?
Zurück zu Fußballer Barazite: Er ist streng gläubig und möchte sein Leben nach diesen Regeln leben und das sollten wir so respektieren. In den gestrigen Kommentaren gab es daher die Aussage: „In seiner Kultur ist das eben so." Aber die Kultur, in der Barazite geboren wurde, aufgewachsen ist, lebt und arbeitet, sind die Niederlande. Und das sollte er wiederum respektieren.
Respekt ist also keine Ansichtssache und funktioniert auch nur auf eine Art und Weise: Indem du deinem Gegenüber Respekt zollst und zwar nach seinen Werten und Ansichten und nicht nach deinen eigenen. Und wenn zwei sich streiten, freut sich der Ort, an dem man sich befindet.