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"Wir achten auf jedes Hüsteln"

Bildrechte: dpa

Pflegebedürftige müssen auch während der Corona-Krise versorgt werden. Wie geht es ambulanten Pfleger*innen?

Von Eva Steinlein, tagesschau.de


Beim Anziehen helfen, Medikamente verabreichen, Verbände wechseln, Frühstück und Abendbrot zubereiten: Die Arbeit ambulanter Pflegerinnen und Pfleger lässt sich nicht einfach aus der Ferne verrichten. Auf einer Tour müssen sie in wenigen Stunden oft zehn bis 20 Haushalte anfahren und haben dabei engsten Kontakt zu den Pflegebedürftigen - meist älteren und vorerkrankten Menschen, bei denen eine Corona-Infektion sich besonders gefährlich auswirken kann. Das hinterlässt Spuren. "Wir achten auf jedes kleine Hüsteln, bei den Kunden genauso wie bei unseren Mitarbeitern", sagt Christian Kaunas-Nassauer. Er leitet die Ambulante Pflege im Hamburger "Hospital zum Heiligen Geist" und muss bei Personalausfällen immer wieder selbst einspringen.


Seit die Corona-Krise auch in Deutschland akut ist, hat sich der Arbeitsalltag der ambulanten Pfleger verändert: Dienstbesprechungen finden per Telefon auf dem Flur statt; mit möglichst viel Abstand zwischen den Teilnehmern. Auf der Tour sollen Pfleger nach dem Klingeln erst in die Wohnung hineinrufen und fragen, wie es dem Kunden geht - und Medikamente wenn möglich schon an der Eingangstür ablegen. Mehr Corona-Vorsorge bedeutet aber wieder mehr Kontakt: Fiebermessen ist nun mal nur aus nächster Nähe möglich. Das ist für Pfleger wie Pflegebedürftige gleichermaßen ein Risiko - und beide fühlen sich zunehmend nicht ausreichend geschützt.


Die Mitarbeiter des Ambulanten Pflegediensts am "Hospital zum Heiligen Geist" sollen bei der Arbeit Atemmasken und möglichst auch Kittel tragen. Doch die sind gerade schwer zu beschaffen. "Wir müssen sparsam mit Schutzmaterial sein, so gut es geht", sagt Kaunas-Nassauer dazu. "Es hat schon Lieferverzögerungen gegeben, Kollegen haben sich auch schon Masken selber genäht." Desinfektionsmittel sei derzeit noch leichter zu bekommen als Schutzkleidung.


Ein Problem, das dem größten Pflege-Berufsverband in Deutschland wohlbekannt ist. "Das wird mit jedem Tag mit mehr Vehemenz an uns herangetragen: 'Wir versuchen verzweifelt, an Material zu kommen'", sagt Carola Stenzel-Maubach, Referentin für Ambulante Langzeitpflege beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). "Und es wird gravierender, weil Leute Angst haben, dass sie ungeschützt arbeiten müssen."

Fehlende Schutzkleidung für die Pfleger habe schon bei den gehäuften Ansteckungsfällen in Altenheimen eine Rolle gespielt - trotz der zum Teil schon im Voraus verhängten Besuchsverbote. Bei der häuslichen Pflege sei das Infektionsrisiko auch nicht unbedingt geringer, sondern liege nur an anderer Stelle: "Ich würde da keine Unterscheidung machen", sagt Stenzel-Maubach.


Schon jetzt versuchen Pflegedienste, das Ansteckungsrisiko zu senken, indem sie Mitarbeiter immer für die gleiche Tour einteilen und sie daran erinnern, ihre privaten Sozialkontakte einzuschränken. Überprüfen können sie die Einhaltung aber nicht - und ebensowenig, ob die Pflegebedürftigen in der Zwischenzeit nicht doch Besuch hatten.

Auch der Infektionsschutz durch medizinische Untersuchungen funktioniert nicht immer, weil Ärzte ausgelastet sind: "Unsere Mitarbeiter sind gehalten, bei Erkältungssymptomen einen Abstrich machen zu lassen", sagt Kaunas-Nassauer aus Hamburg - und berichtet zugleich, dass ein Mitarbeiter nur deshalb einen Corona-Test erhielt, weil er beim Ärztlichen Notdienst seinen Pflegeberuf besonders betont hatte. Auch Stenzel-Maubach sieht das Risiko für Altenpfleger während der Corona-Pandemie nicht ausreichend im Fokus: "In anderen Berufen bekomme ich bei Krisen eine Gefahrenzulage. Die bekommen meine Kollegen nicht", sagt sie.


Der ganze Text ist verfügbar auf: https://www.tagesschau.de/inland/corona-pflege-103.html


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