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Ferien vor der großen Krise

In Russland ist die Corona-Katastrophenangst gering.

Schon wieder eine Krise? Die meisten leidgeprüften Russ*innen hielten die Nachricht eines grassierenden Lungenvirus, das ganze Staaten lahmlegt, zunächst für Alarmismus. „Meine Großmutter glaubt erst seit Kurzem an das Virus, mein Vater noch immer nicht", schrieb mir vergangene Woche eine Moskauer Freundin. Da hatten Russlands Staatsmedien im In- und Ausland schon so viel Widersprüchliches über das Coronavirus verbreitet, dass viele es schlicht für eine Erfindung hielten - oder für etwas, das nur den ungeliebten „Westen" treffen könne.

Der unverwechselbare russische Humor, der die 145 Millionen Menschen im größten Flächenstaat der Erde schon durch die sowjetische Mangelwirtschaft, die turbulenten 90er Jahre, Sanktionen und Rubelverfall getragen hat, blühte auf: „Unheimliche Zeiten sind das: Die Leute müssen die Hände waschen, zu Hause kochen und Zeit mit ihren Kindern verbringen... Es kommt noch soweit, dass Bücher gelesen werden!", lautete eine populäre Botschaft in den sozialen Netzwerken. Im staatlichen Fernsehkanal „M24" trat sogar ein Mensch mit Pappmaché-Schwellkopf als Coronavirus verkleidet auf und gab ein Interview: Es sei am 21. Februar aus Italien eingereist und wolle niemanden töten, aber so sei eben seine Natur.


Oppositionelle wie der Bürgeraktivist Aleksej Nawalny fanden das nicht witzig - und auch den Autoritäten verging zusehends das Lachen: Erst wurde die Grenze zu China geschlossen, dann aus stark betroffenen Weltgegenden Eingereiste zur zweiwöchigen Selbstquarantäne aufgefordert. Während Arbeiter am Moskauer Stadtrand derzeit noch eine Schnellbau-Notklinik nach chinesischem Vorbild hochziehen, segnete Patriarch Kirill, das Oberhaupt der russischen Orthodoxie, ein besonderes Schutzgebet vor dem Coronavirus ab - zögerte aber bis zum letzten Moment, die Gläubigen zum Zuhausebleiben aufzufordern.


Und einmal mehr bringt die Krise himmelschreiende soziale Unterschiede zutage: Während Arbeiter*innen aus den bitterarmen zentralasiatischen Republiken an den Moskauer Flughäfen festhingen und weder einreisen noch zurückfliegen konnten, kauften Oligarch*innen den maroden Kliniken Beatmungsgeräte für den Eigenbedarf weg.

Offiziell ist die Zahl der Infizierten in Russland bislang verhältnismäßig niedrig. Doch dass sämtliche Corona-Tests anfangs zur Auswertung in ein einziges Labor in Nowosibirsk gebracht werden mussten, half bei der zuverlässigen Feststellung der Fallzahlen ebensowenig wie der Umstand, dass die ersten an Covid-19 Erkrankten und Gestorbenen zunächst als Fälle einer schwer verlaufenen Lungenentzündung galten.


Seit Präsident Wladimir Putin im apokalyptisch anmutenden Schutzanzug eine Klinik besuchte und sich zwei Tage später mit einer Ansprache an das Volk wandte, ist endgültig Schluss mit lustig. Russland könne sich vor der Gefahr nicht abschotten, stellte Putin klar. Doch der Krisenplan des Kreml für die Pandemie klang eher wie ein Hilfsprogramm für die heimische Wirtschaft:


Der ganze Text ist verfügbar unter https://www.deine-korrespondentin.de/ferien-vor-der-grossen-krise/

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