Jasmin Sarwoko

Journalistin Video/TV/Online/Social Media, Johannesburg

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CSD in Hamburg - "Ali liebt Anton, na und?"

Foto: dpa

"Das ist ja besser als Karneval!", ruft ein kleines Mädchen ihrer Mutter zu. Die beiden stehen am Straßenrand und winken den feiernden Menschen auf den Trucks zu. Der Umzug schlängelt sich durch die Lange Reihe in dem bei Schwulen beliebten Hamburger Viertel St. Georg, begleitet von lauter Musik. Mit Glitzer, Seifenblasen und hohen Absätzen tanzen Tausende Homosexuelle gemeinsam mit Heterosexuellen am Samstag auf der Parade des Christopher Street Day in Hamburg. Auf Schildern steht "Für ein buntes Deutschland" und "Nur die Liebe zählt".


"Ich stehe auf Vielfalt, und die Stadt steht für Vielfalt", sagt Ludmilla. Die 20-jährige Hamburgerin posiert in einem hautengen Kleid mit Zebramuster und roten Federn auf der Straße. "Den Federkranz habe ich selbst gemacht, für das ganze Kostüm habe ich zwei bis drei Wochen gebraucht." Warum ist sie hier? "Ich möchte mitlaufen und gut aussehen", sagt sie. Aber sie hat auch klare Forderungen. "Homosexuelle Paare sollen endlich die gleichen Rechte erhalten wie heterosexuelle Paare!"


Auch die 33-jährige Sarah ist mit ihrer Freundin Isabelle, 49, gekommen, um Flagge zu zeigen. "In der nächsten Legislaturperiode wird sich vermutlich nichts ändern für uns Lesben und Schwule. Aber ich finde es wichtig zu zeigen, dass es uns gibt, dass wir viele sind und keine Minderheit!"


Aktivisten erinnern an Attentat von Orlando

Doch bei der Parade mit den nach Polizeiangaben 15.000 Mitwirkenden und 150.000 Zuschauern geht es nicht nur um die Situation in Deutschland. Denn auch an das Attentat auf einen Lesben- und Schwulenclub in Orlando erinnern die Teilnehmer. Aktivisten des Vereins CSD-Nord tragen eine riesige, schwarze Flagge mit der Aufschrift "Seite an Seite mit Orlando". Vor sich halten sie Porträts der 49 Opfer, die bei dem Attentat im Juni in den USA getötet wurden.


"Wir wollen den Betroffenen beistehen. Das war ein Anschlag auf unsere Community", sagt Thomas Sieverding, Vorsitzender des CSD-Nord. Der 48-Jährige fährt sein weißes Cabrio mit bunter Querflagge auf der Motorhaube durch die Mönckebergstraße, Hamburgs Einkaufsmeile. Er hofft, mit der Aktion mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen. "Hamburg ist der Magnet für den Norden, was den Christopher Street Day angeht", sagt Sieverding.


Flüchtlinge machen auf Situation in Heimatländern aufmerksam

Auch die Veranstalter der CSD-Parade zeigen sich zufrieden. "Es lief super, alle waren ruhig und fröhlich!", sagte Stefan Mielchen, Vorsitzender des Vereins Hamburg Pride. Besonders bemerkenswert findet er, dass dieses Jahr die Türkische Gemeinde Hamburg zum ersten Mal mitläuft - und das von sich aus. Die Gemeinde habe wahrscheinlich lange über eine Teilnahme diskutieren müssen, um Vorbehalte und Vorurteile zu überwinden, vermutet Mielchen. "Das ist ein großes Zeichen, und wir heißen sie herzlich willkommen." Darin stecke auch die heutige Botschaft: "Wir müssen miteinander reden statt übereinander." Auf einem ihrer Plakate steht: "Ali liebt Anton - Na und?"


Auch Flüchtlinge sind bei der Parade dabei und machen auf die schwierige Situation für Schwule und Lesben in ihren Heimatländern wie etwa im Irak aufmerksam.

Unter tosendem Applaus kommt der Zug schließlich am Jungfernstieg an, wo an Dutzenden Buden und mit Live-Musik bis zum Sonntagmorgen weitergefeiert wird. Die Parade bildet gleichzeitig den Abschluss und den Höhepunkt der Pride Week in der Hansestadt.

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