Kein Wind, kaum Sonne: Im Januar ist die Ökostromproduktion mehrfach eingebrochen. Blackouts drohen bei solchen „Dunkelflauten" dennoch nicht, erklärt die Bundesnetzagentur gegenüber Energie-Winde.
Das graue Winterwetter im Januar ist vielen aufs Gemüt geschlagen - Ökostromproduzenten ganz besonders. Denn wenn der Wind wie oft zum Jahresanfang nachlässt und sich die Sonne hinter Wolken versteckt, liefern die Erneuerbaren deutlich weniger Energie. Die Branche spricht von einer Dunkelflaute. Sie kann vereinzelt oder mehrere Tage in Folge auftreten.
Jedes Jahr entbrennt dann die Diskussion, wie gefährlich das für die Stromversorgung ist. Kritiker der Energiewende warnen, dass das Risiko von Blackouts stetig steigt. Denn durch den Ausstieg aus der Kernenergie und das absehbare Ende der Kohlekraft stünden immer weniger Stromlieferanten bereit, die im Zweifelsfall einspringen können. Panikmache oder reale Gefahr?
Energie-Winde hat bei einem unabhängigen Experten nachgefragt: Fiete Wulff ist seit 2006 in der Bundesnetzagentur. Er arbeitete zunächst in der Energieabteilung, dann fünf Jahre lang als persönlicher Referent des Präsidenten und Leiter des Präsidiumsbüros. Seit Ende 2014 verantwortet er die Öffentlichkeitsarbeit.
Herr Wulff, Kritiker behaupten, die Erneuerbaren fallen in den
dunklen Wintermonaten wochenlang als Energielieferanten fast völlig aus
und bedrohten dadurch die Netzstabilität. Würden Sie das so
unterschreiben?
Fiete Wulff: So pauschal kann man
das nicht sagen. Natürlich liefern die Erneuerbaren an Tagen mit wenig
Sonne und Wind weniger Energie. Dem Netz ist es aber egal, ob es Strom
aus erneuerbaren oder fossilen Brennstoffen transportiert. Die
Situation, dass unsere Versorgung an dunklen, windstillen Tagen auf
fossilen Brennstoffen fußt, kennt das Netz seit Jahrzehnten.
Wird beim Thema Dunkelflaute also Panikmache betrieben?
Wulff:
Die Szenarien, in denen das Netz hoch belastet ist, sind definitiv
kritisch zu betrachten. Die Dunkelflaute ist aber generell aus Sicht des
Netzes nicht unser größtes Problem.
Sondern?
Wulff:
Situationen mit hoher Last im Süden und der starken Winderzeugung im
Norden sind problematischer für das Netz. Die räumliche Verlagerung der
Erzeugung ist der Faktor, der das Stromnetz herausfordert.
Wie ernst muss man die Dunkelflaute nehmen?
Wulff:
Wir haben derzeit genügend Reserven aus konventionellen Energieträgern,
auf die wir im Zweifelsfall zurückgreifen können. Problematischer ist
die regionale Verteilung der Erzeugung. Deswegen brauchen wir den
Netzausbau: So können wir sicherstellen, dass das Netz der regionalen
Veränderung der Erzeugung gewachsen ist. Stichwort Winderzeugung im
Norden: Wenn die Windkraftwerke in Schleswig-Holstein wesentlich mehr
Energie erzeugen, als vor Ort benötigt wird, muss der Strom nach Süden
abtransportiert werden, wo der Verbrauch höher ist als die Erzeugung. Um
Überlastungen zu vermeiden, greifen die Netzbetreiber in die Erzeugung
ein. Wir nennen diese Eingriffe Redispatch – dabei werden einzelne
Kraftwerke herab- oder hinaufgeregelt. Diese permanente Anpassung kostet
viel Geld und ist immer mit operativen Risiken verbunden.
Kritiker warnen immer wieder vor Blackouts. Wie real ist diese Gefahr?
Wulff:
Ungeplante Ausfälle sind nach wie vor sehr unwahrscheinlich. Die
deutsche Stromversorgung ist überaus zuverlässig: Deutsche Haushalte
haben pro Jahr eine durchschnittliche Unterbrechungsdauer von zwölf
Minuten. Das ist im internationalen Vergleich ein sehr guter Wert. Und
bei den Versorgungsunterbrechungen sehen wir keine Einflüsse der
Energiewende oder der Einspeisung volatiler erneuerbarer Energien.
Ursache sind eher Ereignisse wie zum Beispiel Blitzschlag oder Bagger,
die ein Kabel durchtrennen.
Wie wird sich die Situation mit fortschreitender Energiewende verändern?
Wulff: Die Bundesnetzagentur stellt regelmäßig Szenarien für die nächsten zehn und 20 Jahre auf. Wir schauen uns an, wie sich die Stromerzeugung bis dahin verändert und welche Anforderung diese Veränderungen an das Stromnetz stellt. In den aktuellen Szenarien gehen wir davon aus, dass bis 2035 die installierte Leitung konventioneller Energieträger zurückgeht - wir haben also weniger Braunkohle und Gas, während wir einen starken Zuwachs vor allem im Wind- und im Fotovoltaikbereich haben. Nichtsdestotrotz erwarten wir in der 20-Jahresperspektive noch immer einen nennenswerten Anteil fossiler Brennträger. In Zahlen gesprochen: Die konventionelle Kapazität liegt im ambitioniertesten Szenario bei 75 Gigawatt, während 170 Gigawatt Leistung aus regenerativen Energien installiert sind. Die Energie aus fossilen Brennstoffen wird auch 2035 noch gebraucht. Unsere Aufgabe ist es im Moment auch, dafür zu sorgen, dass keine Kraftwerke abgeschaltet werden, die wir für die sichere Stromversorgung benötigen. Deshalb haben wir in der Vergangenheit immer widersprochen, wenn die Betreiber systemrelevante Kraftwerke in Süddeutschland abschalten wollten.
Brauchen wir Technologien wie Speicher, um die Schwankungen im Netz managen zu können?
Wulff:
Speicher sind im Prinzip durchaus geeignet, um die volatile
Energieerzeugung mit der nicht deckenden Nachfrage in Einklang zu
bringen. Derzeit gibt es aber keine Generallösung für Speicher, das Feld
ist in weiten Bereichen noch immer in der Entwicklungsphase. Und ganz
wichtig: Der Netzausbau lässt sich durch Speicher nicht vermeiden.
Wir brauchen also bessere Netze?
Wulff:
Ja! Insbesondere die Nord-Süd-Verbindung muss massiv aufgerüstet
werden. Für die Leitungen Südlink und Südostlink werden wir in Kürze die
Planungs- und Genehmigungsverfahren starten, damit sie wie geplant bis
2025 in Betrieb gehen können. Wir erwarten im Frühjahr Vorschläge und
Anträge der Netzbetreiber Tennet und 50Hertz, wo genau die Leitungen
verlaufen können. Solch große Projekte rufen natürlich teilweise auch
Widerstände bei der Bevölkerung in den betroffenen Regionen hervor. Mit
dem Vorrang der Erdverkabelung in Deutschland beobachten wir aber, dass
sich diese Situation entspannt hat. Volkswirtschaftlich gesehen ist der
Netzausbau die beste und günstigste Lösung.
Könnten wir auch Strom importieren, um die Dunkelflaute auszugleichen?
Wulff: Wir haben heute schon einen intensiven Stromaustausch mit unseren Nachbarländern. Wir importieren und exportieren Strom. Es sollte aber nicht unser Ziel sein, unseren Stromverbrauch nicht selbst decken zu können. Wir haben momentan immer wieder die Situation, dass überschüssiger Strom aus Norddeutschland in die Netze unserer Nachbarländer drückt und diese stark belastet. Dauerhaft kann es keine Lösung sein, unsere Probleme so zu unseren Nachbarn zu exportieren. Die Energiewende funktioniert nur, wenn wir die Versorgungssicherheit auch selbst gewährleisten können. Als Vorreiter in Sachen Energiewende steht Deutschland da international unter Beobachtung.
Wulff: Im Moment kostet vor allem der verzögerte Netzausbau Geld: Die Kosten für die Systemstabilisierung werden jährlich teurer. Das trägt am Ende der Verbraucher. Generell muss man sagen, dass die Zeiten sinkender Netzentgelte wahrscheinlich fürs Erste vorbei sind.
Zum Original