"Es ist nicht das, was soziale Bewegungen von 2020 wollten. Das heißt, es ist jetzt nicht, als ob wir Freudensprünge machen, dass wir jetzt Onlinedemos machen", erzählt Ronja Weil vom Anti-Kohle-Bündnis „Ende Gelände". "Das ist natürlich unbefriedigend, wenn man dann nur über Hashtags kommuniziert, und trotzdessen ist es etwas, dass jetzt super wichtig ist, weil viele jetzt einfach vergessen. dass neben Coroakrise ganz viele weitere Herde am Brennen sind.
Normalerweise besetzen die Aktivist*innen von Ende Gelände zu Tausenden Kohle-Reviere. Ziviler Ungehorsam, der von physischer Präsenz lebt. Aber: Die Pandemie ist da und wird eine Weile bleiben. Der Aktivismus muss sich umstellen. Die Seebrücke hat vor kurzem zu ihrer ersten großen Online-Demo aufgerufen - ein zweistündiger Livestream. Anlass: Die Lage in den griechischen Geflüchtetenlagern. Emilia Zimmermann aus Berlin hat die Onlinedemo moderiert. Im Interview erzählt sie uns: "Es war ein bisschen skurril, weil es mal so ne ganz andere Form von Protest war und wir beide zu zweit bei mir im Zimmer saßen und eigentlich nur einen Computer vor uns hatten, und irgendwann mal haben wir uns die Zuschauer*innen-Zahl angeguckt und waren so, 'Oh Gott, jetzt gucken hier 6.000 Menschen zu'."
Der Aktivismus muss sich umstellen - und veranstaltet Online-DemosProtestsongs, Redebeiträge, Gedichte, Demoschilder - alles digital. Fotos oder Videos kommen oft aus dem eigenen WG-Zimmer. Zimmermann erzählt weiter: "Die Form hat sich geändert, wie wir aktiv sind, aber es wird nur noch dringlicher. Es ist nicht nur so, dass all die Krisen wie in den Lagern auf Lesbos weitergehen, sondern sie verschlimmern sich ja auch und werden nochmal potenziert durch einen Coronavirus."
Ein Vorteil des Demostreams: Man kann sich das Video auch jetzt noch anschauen. Demo on Demand quasi. Mittlerweile hat der Stream 40.000 Views. Die Seebrücke ist zufrieden - laut Emilia aber nichts, worauf man sich ausruhen könnte. Zum Einen, weil sich an der Lage in Griechenland immer noch nichts geändert hat - und man zum Anderen aufpassen müsse, dass man die Wirkung von Onlineprotesten nicht überschätzt: "Weil sonst ist es im Zweifelsfallfall irgendwo einen Live-Stream mit 6.000 Zuschauer*innen, aber den kann man eben sehr viel besser ignorieren, als wenn da 6.000 Menschen auf der Straße stehen würden."