Im Fokus der Erzählung von Regiedebütant Robert Stromberg steht die Titelfigur Maleficent (in Deutschland unter Malefiz bekannt), die glücklich im Wald mit skurrilen Tieren, Feen und Pflanzen lebt. Als eines Tages der junge Stefan erscheint und sich mit Maleficent befreundet, scheint das Glück perfekt. Doch mit Aussicht auf die Thronfolge von King Henry hintergeht der König in spe seine neue Freundin. Tief verletzt sinnt Maleficent auf Rache und belegt Aurora, das Neugeborene des Königs Stefans (Sharlto Copley), mit einem Fluch: An ihrem 16. Geburtstag soll sich Aurora (Elle Fanning) an einer Spindel stechen und in einen 100 Jahre andauernden Schlaf fallen. Nur durch der wahren Liebe erster Kuss kann das Mädchen aufgeweckt werden.
Dass Regisseur Stromberg ursprünglich aus dem Effektfach und vom Produktionsdesign kommt, macht sich gleich zu Beginn deutlich bemerkbar. Der mit all seinen grellen Farben und merkwürdigen Wesen kreierte Spielort ruft unweigerlich Erinnerungen an Disneys Alice im Wunderland und Die fantastische Welt von Oz hervor, nur dass es diesmal weder sprechende Kaninchen noch plappernde Äffchen zu sehen gibt. Im Kontrast dazu zeichnet Stromberg das königliche Gebiet in biederen Grautönen und voller Gefahren für die schöne, heile Welt zwischen Bäumen und Moor.
Nichts für Kinderaugen
Visuell ist das Szenario ansprechend und abwechslungsreich (auf 3D darf indes gerne verzichtet werden), aber für Disney-Verhältnisse recht schaurig und gewaltsam geraten. Um einer Freigabe ab zwölf Jahren aus dem Weg zu gehen und auch kleine Zuschauer zu erreichen, fielen in der deutschen Fassung rund 54 Sekunden der Schere zum Opfer. Es lässt sich nun darüber streiten, ob die fehlende Minute die Geschichte beeinträchtigt oder nicht. Ich denke, dass selbst die geschnittene Version für die ganz jungen Besucher ungeeignet ist. In einem rauen Kampf zwischen Königreich und Waldbewohnern kracht es anfangs gewaltig. Im späteren Verlauf sorgt eine schlagkräftige Armee für Unbehagen. Ich bezweifle, dass Sechsjährige die Geschehnisse auf der Leinwand schon richtig einordnen und verarbeiten können. Selbst Maleficent ist trotz ihres gelungenen Looks sehr düster geraten. Was zur Folge hatte, dass aus Angst vor der Figur keines der gecasteten Kinder die Rolle der jugendlichen, dunklen Fee übernehmen wollte und der Part schließlich an Jolies Tochter Vivienne ging.
Davon abgesehen ist Stromberg ein stimmiges Erstlingswerk gelungen, das von seinen Spezialeffekten und den tollen Schauspielern lebt. Angelina Jolie gibt die mit äußerst spitzen Wangenknochen versehene Fee diabolisch und elektrisierend, macht außerdem die verletzliche und liebevolle Seite des Charakters in tragischen Szenen zugänglich. Fanning hingegen spiegelt das unschuldige, immer fröhliche Prinzesschin wieder, das jederzeit von einer strahlenden Aura begleitet wird. Und Copley darf nach Oldboy und Elysium einmal mehr als charismatischer Bösewicht ran.
Fazit: Die Idee, Dornröschens bekannte Sage aus der Sicht der bösen Hexe zu erzählen, macht sich bezahlt. Im Finale überraschen die Macher mit einem nett ausgesponnenen Kniff, der ebenfalls gegen die ansonsten so streng eingehaltenen Disney-Tugenden gebürstet ist. Der obligatorische Orchester-Score und die mystische Atmosphäre machen aus Maleficent ein untypisches Märchen mit Fantasytouch, das eine klare Botschaft äußert: Jede Schattenseite hat auch ihren Glanz – und umgekehrt.
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