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Integration und Deutschrap: „Deutschland ist richtig schönes Roggenbrot"

Zu Beginn des Videos stehen Celo und Abdi vor einem Obststand im Frankfurter Bahnhofsviertel und überprüfen die Qualität einer Wassermelone. Im Off-Ton zu dieser Szene erläutern die beiden in einem Satz, was Deutschland für sie bedeutet. „Deutschland ist das beste Land der Welt", ertönt die gutgelaunte Stimme von Abdi. Celo drückt sich bildsprachlicher aus: „Deutschland ist für mich auf jeden Fall richtig schönes Roggenbrot." Beim Ausspruch von Roggenbrot rollt dem Rapper das R über die Zunge, ein Markenzeichen. Nach dieser Einstiegsfrequenz erscheint in brachialer Frakturschrift das Wort „Germania" - ein Begriff den die meisten Deutschen mit Tacitus Germanenbericht oder der von Hitler und Speer entworfenen neuen Reichshauptstadt verbinden. Doch Celo und Abdi sind keine Historiker. Die beiden gebürtigen Frankfurter sind zur Zeit eines der erfolgreichsten Rapduos im deutschsprachigen Raum - und sie sind beide Kinder von Migranten. In „Germania" äußern sie sich zu ihrem Verhältnis zu Deutschland.

Bevor die zwei Musiker vom Feuilleton der großen Tageszeitungen entdeckt wurden, hatten sie sich bereits einen Namen in der Deutschrapszene gemacht. Zusammen mit ihrem Labelchef, dem Rapper Haftbefehl, läuteten sie 2010 eine Trendwende ein. Anstatt Texte in Hochdeutsch einzurappen, erschufen sie einen babylonischen Straßenslang - geprägt von jugoslawischen, arabischen und türkischen Begriffen aus den Milieudialekten deutscher Vor- und Innenstädte. Drogendeals, Prostitution und Auseinandersetzungen mit den staatlichen Behörden sind die großen Themen der beiden. Zugegeben: Das klingt integrativ nicht besonders wertvoll und scheint die Ressentiments von Rechtspopulisten gegenüber jugendlichen Migranten zu bestärken. Aber im Gegensatz zu anderen Gangsterrappern glorifizieren sie die Kriminalität nicht und beschränken sich auch nicht auf dieses Thema. Auch um Einwanderung und Globalisierungskritik geht es in ihren Texten.

Besser als Bushidos Bambi für Integration

Einwanderung und der damit verbundene Identitätskonflikt sind auch die großen Themen des Youtube-Formats „Germania", das unlängst seinen ersten Geburtstag feierte. Die Sendung wird von „Funk" produziert, dem Internetangebot von ARD und ZDF, das vor allem eine junge Zielgruppe ansprechen soll. Dass sich Prominente in der Integrationsdebatte zu Wort melden, ist keine Neuerung. Allerdings kamen solche Beiträge noch nie so frei und unbeschwert daher wie in den kurzen Clips. Der Sender selbst beschreibt das Format als Zeichnung „eines aktuellen Portraits von Deutschland - und das ausschließlich durch die Augen von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sprechen über ihr Identitätsgefühl, deutsche Eigenheiten und Marotten." In Gestalt von Model Sara Nuri und der Youtuberin Shirin David erzählen auch junge Frauen ihre Geschichten.

Allein dadurch hat das Format einen größeren Mehrwert als so manche Talkshow, in der Rappern ein Bekenntnis zur Integration entlockt wird. Lobenswert ist aber auch, dass die Sendung das Verhältnis von Deutschrap und Integration nicht beschönigt. Das zeigt sich besonders bei einem anderen Protagonisten der Serie: dem Rapper AK Außerkontrolle.

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