Von Jan Söfjer
Den Mann mit den immer schmutzigen Händen fanden selbst die Gäste einer edlen Sylter Strandbar interessant. Sie umringten ihn, stellten Fragen und kamen näher und näher. Wie oft sieht man schon einen Böttcher bei der Arbeit? Die meisten Menschen wissen ja nicht mal mehr, was das ist, außer einem verbreiteten Nachnamen.
Gemeint ist ein Holzfassbauer, auch Küfer oder Fassbinder genannt. Uraltes Handwerk. Nur noch wenige bauen die Fässer und Bottiche mit bis zu 20.000 Litern Volumen per Hand. Einer von ihnen ist Ralf Mattern, 39, Böttcher-Meister aus dem pfälzischen Deidesheim. Ein Mann mit befreitem Lachen - und einem Beruf mit Zukunft.
Im Sommer heuerte ihn ein Gastronom auf Sylt an, um ein 1,40 Meter hohes Weinfass am Strand zu bauen. Unterhaltung für die Gäste - und Marketing. Matterns sechsjährige Tochter war auch dabei, in original Böttcher-Kluft mit blau-weiß gestreiftem Arbeitshemd. Mattern hat seinen Betrieb erst vor zwei Jahren gegründet, doch es läuft so gut, dass er am liebsten expandieren würde. "Ich könnte zwei Leute das ganze Jahr auf Montage schicken, nur um alte Fässer zu reparieren."
Derzeit hat Mattern zwei Angestellte und ein paar Aushilfen. Die Büroarbeit macht seine Frau. Per Stellenausschreibung im In- und Ausland sucht er nun Verstärkung. Er bietet unbefristete Festanstellungen, doch vermutlich wird er niemanden finden. "Es gibt keine freien Böttcher auf dem Markt." Und mit dem Nachwuchs sei das so eine Sache. Vielen ist die Arbeit zu hart, zu laut, zu schmutzig. Wegen der Gerbstoffe des Holzes bekommt man die Hände auch mit Seife kaum sauber.
Immerhin, zwei Lehrlinge hat er jetzt beisammen. Einer, Daniel Kraft, sein Neffe, kommt manchmal sogar an Samstagen vorbei, weil er noch "etwas lernen möchte". Gerade spannt der 16-Jährige mit vollem Körpereinsatz ein Stahlseil mit einer schweren Ratsche zusammen, das um ein zwei Meter hohes Fass liegt. Mit jedem Zug wird es unten ein Stück enger. In der Mitte des noch offenen 4000-Liter-Fasses brennt ein Feuer. Kraft legt eine Hand von außen ans Holz. Warm genug, er spannt weiter. Immer wieder über Stunden.
Die Hitze macht die Eiche biegsam und setzt Aromen wie Vanille frei. Je länger getoastet wird, wie der Fachmann sagt, desto stärker werden die Aromen, die einmal den Wein prägen werden. Dann muss das Fass gedreht werden. Das Stahlseil wird durch einen Metallreif ersetzt, der von Kraft mit endlosen Schlägen eines zweihändigen Hammers an die richtige Stelle gebracht wird.
Ausbildung im Böttcher-Internat
Gerade war er drei Monate in Österreich. Hierzulande gibt es keine Berufsschulklassen mehr für Böttcher, sie machen bei den Tischlern mit. Bei den Österreichern können sie die Berufsschule in einer Art Internat am Stück absolvieren. "Wir waren nur zu dritt", sagt Kraft. Da ist es schon ein kleines Wunder, dass Mattern jetzt sogar einen zweiten Lehrling gefunden hat. Hans-Peter Weichert, 17, hat die richtige Motivation: "Ich möchte mit Holz arbeiten, aber Tischler war mir zu viel Feinarbeit."
Bis zu 30 Kilogramm wiegt eine Daube, ein vom Daubenhauer aus dem Baumstamm abgespaltenes Stück Holz. Noch so ein fast ausgestorbener Beruf. "Es müssen Dauben sein, weil sie das Fass dichter und stabiler machen", sagt der Meister. Vorher müssen sie aber mindestens drei Jahre lagern.
In Matterns Hof stehen mehrere Türme aus Dauben, drei Meter hoch aufgeschichtet. "Durch Luft, Schnee und Regen wird das Holz harmonisch. Man kann es auch in der Trockenkammer in drei Wochen trocknen, aber dann ist die Qualität weg. Und so ein Fass soll ja Generationen halten", sagt Mattern. Die Arbeit seiner Fassmanufaktur hat sich herumgesprochen. 50 bis 100 Fässer baut er im Jahr und liefert sie bis nach Spanien, Südafrika, Ukraine, Chile und Kalifornien. Sogar rund um Bordeaux stehen Fässer von ihm.
Den Massenmarkt in Deutschland bestimmt allerdings das günstigere Stahlfass. "Einen Wein für 1,29 Euro kann man nicht im Holzfass ausbauen", sagt der Verbandspräsident des Deutschen Fass- und Weinküfer-Handwerks, Jürgen Wörthmann. Ein handgefertigtes 4000-Liter-Fass kostet rund 10.000 Euro. Auch macht der Ausbau des Weins im Holzfass mehr Arbeit. Erst ab vier, fünf Euro die Flasche lohnt sich das. "Doch seit ein paar Jahren setzen Weingüter wieder verstärkt auf das traditionelle Verfahren", sagt Wörthmann. Durch die Poren des Holzes erhalte der Wein Sauerstoff und werde harmonischer und aromatischer.
Das zahlt sich aus: Ein paar Weingüter haben schon Medaillen für Weine gewonnen, die in Ralf Matterns Fässern gereift waren. Aber es müssen keine Preise sein. "Mir ist es schon Bestätigung genug, auf einer Weinmesse jemanden zu sehen, dem ein in meinen Fässern gereifter Wein schmeckt", sagt Mattern.