BAYERN 2 am Samstag Vormittag
Jahrhundertealte Artenvielfalt, aber teurer Unterhalt: wie umgehen mit uralten Bäumen?
Beeindruckend steht sie da, die „1000jährige Eiche“ bei Küps in Oberfranken: 4 Meter Stammdurchmesser, über 10 Meter Stammumfang. Es braucht fünf Menschen, die sich an den Händen fassen, um die Eiche zu umgreifen. Allerdings die Eiche ist gar nicht 1000 Jahr alt, vermutlich nur 500 Jahre, höchstens 700. Und das weist auf ein Problem hin. In Deutschland erreichen Bäume nur selten ihr mögliches Maximalalter. Der Baumforscher Prof. Andreas Roloff von der Technischen Universität Dresden hat eine Studie durchgeführt, die zeigt, das es in Deutschland keinen einzigen Baum gibt, der wirklich 1000 Jahre alt ist. In England jedoch , so Roloff, sind hunderte verzeichnet.
Andreas Roloff, TU Dresden
„Für die alten Bäume sieht es in unserem Land sehr tragisch aus. Es gibt meines Wissens keinen 1000jährigen Baum in Deutschland. In England dagegen hunderte! Wir machen irgendetwas anders und das muss sich ändern.“
Daher hat Andreas Roloff eine Initiative gegründet und ruft alte Bäume, die mindestens 400 Jahre alt sind, als „Nationalerbe Baum“ aus. So auch im Rahmen einer kleiner Feier am vergangenen Samstag die sogenannte 1000jährige Eiche bei Küps. Das Ziel: Er will mehr Bewusstsein für den Schutz und Erhalt alter Bäume schaffen, so dass diese die Chance haben tatsächlich einmal 1000 Jahre alt zu werden.
Warum es in Deutschland im Vergleich zu England so wenige alte Bäume gibt, ist unklar. Denn auch dort werden Bäume als Bau- und Brennholz genutzt, fallen Stürmen zum Opfer, leiden unter Dürren und Schädlingen. Andreas Roloff hat daher einen anderen Verdacht und das hat mit der „Verkehrssicherungspflicht“ zu tun: „Eine wesentliche Ursache ist unsere, ich sage mal ganz nüchtern, Überängstlichkeit. Der Eigentümer eines Grundstücks ist für Sachen und deren Sicherheit dort zuständig und, Bäume sind Sachen.“
Ein
Baum, der alt ist, hat mehr morsche Äste, die herunterfallen und
Passanten verletzen können. Um das und Schadenersatzklagen zu
verhindern wird der Baum dann beschnitten, meist mehr als nötig ist,
um jede Gefahr zu beseitigen.
Wenn der Baumpfleger anrückt, kann das schon mal 1.500 Euro kosten. Die Devise vieler Besitzer alter Bäume lautet daher: Lieber einmal stark zurückschneiden, auch wenn der Baum dann kürzer lebt. Als Baum-Experte weiß Roloff, dass durch falschen und starken Beschnitt der Baum schaden nimmt: „Dann entwickelt sich dort eine Fäule, die in den Stamm wandert, sich im ganzen Baum sich ausbreitet und dann das Lebensende damit eingeleitet wird.“
Mit der Aufnahme in die Liste „Nationalerbe Baum“ übernimmt daher eine Stiftung alle weiteren Kosten und somit für eine sanfte Pflege. Über 100 alte Bäume will Roloff in ganz Deutschland in den nächsten Jahren begutachten und in das Schutzprogramm aufnehmen. Die 1000jährige Eiche bei Küps in Oberfranken ist der erste so geschützte Baum in Bayern.
Der Erhalt der Eiche hat für Andreas Roloff auch wissenschaftliche Gründe. In den Bäumen leben geschätzt bis zu 6oo Insektenarten. Hinzu kommen Spinnen, Vögel, Moose, Flechten und Pilze – eine oft über Jahrhunderte entstandene, einzigartige und noch nicht erforschte Artengemeinschaft. Und auch die Bäume selbst entwickeln sich auf überraschende Weise, so Andreas Roloff „Wenn wir uns bei dieser alten Eiche mal oben die Äste ansehen, die sind 200 Jahre alte, wo der eine nach links, der andere nach rechts geht. Die haben jedes Jahr unterschiedliche genetische Mutationen, da findet kein genetischer Austausch mehr statt. Da ist die Vermutung, dass die verschiedener sind als zwei verschiedene Bäume.“
Solche epigenetischen Veränderungen können Reaktion auf Umweltveränderungen sein – auf Trockenheit, Kälte oder Schädlinge. Der Wissenschaftler hofft künftig wertvolle Informationen zu bekommen, wie es die alten Bäume schaffen, sich so der Umwelt immer wieder anzupassen. Andreas Roloff ist zuversichtlich, dass mit seiner Initiative die alten Bäume Deutschlands künftig bessere Chancen haben, noch viel älter zu werden – und auch besser erforscht werden können.
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