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Psychedelische Medizin: Warum Investoren wie Angermayer auf Magic Mushrooms setzen | t3n - digital pioneers

LSD, MDMA, Ketamin und Psilocybin: Für Microdosing-­Anhänger sind die Partydrogen Produktivitäts-Booster, ­Wissenschaftler sehen in ihnen den Schlüssel zur Heilung ­psychischer Erkrankungen. Investoren wittern ein Milliardengeschäft.

Ein Wundermittel für mehr Lebensfreude? Gibt es bisher nicht. Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen gegenwärtig meist täglich Tabletten nehmen, probieren oft verschiedene Präparate aus - und selbst die wirken manchmal nicht wie erwünscht. Zumindest bisher. Es gibt aber einen neuen Hoffnungsträger: keine neu entwickelte Chemikalie, sondern ein uralter Wirkstoff. Bereits die alten Azteken und sogar ihre Vorfahren kannten und nutzten ihn. Er heißt Psylocibin und kommt in der Natur in Pilzen vor, die zum Beispiel Psilocybe semilanceata oder Psilocybe cubensis heißen - besser auch bekannt als Magic ­Mushrooms.

Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass Substanzen, die viele vor allem als illegale Drogen kennen, geradezu durch­sch­lagend wirken gegen Krankheiten wie Depressionen, Angst­störungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder Sucht­erkrankungen. Neben Psilocybin steht auch das sehr ähnlich wirkende LSD hoch im Kurs, außerdem das Amphetamin-Derivat MDMA und das eigentlich als Narkosemittel entwickelte Medikament Ketamin.

Diese Stoffe wirken unterschiedlich, gemeinsam haben sie, dass sie psychoaktiv sind. Sie beeinflussen die Wahrnehmung und das Bewusstsein, können Halluzinationen auslösen und, je nach Substanz und Dosis, leichte bis sehr tief greifende Rauschzustände hervorrufen. Das Abhängigkeits- und Gefahrenpotenzial von MDMA ist laut einiger häufig zitierten Arbeiten des Psychopharmakologen David Nutt oder des Psychologen Robert Gable vergleichsweise gering und liegt zum Beispiel weit unter dem von Alkohol. LSD und Psilocybin schneiden in diesen Untersuchungen tendenziell noch besser ab.

Ihrer Euphorie über diese sogenannte „psychedelische ­Medizin" lassen Unternehmer wie Christian Angermayer freien Lauf: „Wir wollen komplett verändern, wie wir über Depressionen nachdenken, und Menschen heilen, die daran leiden", sagt der deutsche Investor und Gründer der Firma Atai Life Sciences, die in die Erforschung neuer Medikamente investiert. Er glaubt, dass die Psychedelika Menschen dabei helfen können, glücklicher zu sein. Mit denen anzufangen, die so unglücklich sind, dass ­Ärzte es „Depression" nennen, ist folgerichtig, aber das ist für ihn nur der Anfang. Und so erzählt er begeistert von seinen eigenen Pilz-Trips - ganz ohne medizinische Indikation.

Atai-Gründer Christian ­Angermayer über seine Trip-­Erfahrung Bevor ich von meinen eigenen Erfahrungen berichte, will ich betonen, dass Psychedelika nur unter kompetenter - idealerweise medizinischer oder psychologischer - Aufsicht eingenommen werden sollten. Meine Biotechfirma Atai und deren Tochter Compass Pathways arbeiten daran, dass synthetisches Psilocybin und andere Psychedelika ­wieder als Medikament unter ärztlicher Aufsicht legal werden. Ich halte nichts davon, dass diese frei erhältlich sind. Dafür sind sie zu wirkungsmächtig, und Konsumenten könnten Fehler bei der Anwendung machen. Meine eigenen Erfahrungen habe ich mit einem sehr kompetenten Betreuer in Ländern, in denen Psychedelika heute schon legal sind, gemacht.

Mein erster Pilz-Trip war im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich und das beste Einzelerlebnis meines Lebens. Der Erste wurde dann durch weitere ergänzt und zusammen bilden sie die bedeutsamste Gesamterfahrung, die ich je gemacht habe. Man lernt sehr viel über die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen, weil es eine mystische, transzendente Erfahrung ist. Ich versuche eigentlich, Begriffe wie „Gott" zu vermeiden, weil diese für jeden Menschen eine andere Bedeutung haben, aber es ist schwierig, ohne religiöse Terminologie auszukommen. Ich würde sagen, man erkennt den Sinn der Existenz in allen seinen Details. Das Bewusstsein wird freigemacht von all den Konventionen, Anforderungen und Druck von außen, den Wünschen der Gesellschaft, wie man zu sein hat. Man erkennt sich selbst in einer puren, reinen Version. Und eine solche radikale Selbsterkenntnis muss nicht immer Spaß machen, das kann durchaus auch anstrengend sein. Deshalb eignen sich Psychedelika überhaupt nicht als Party­droge, und ich kann nur nochmals betonen, dass man eine solche Erfahrung nicht alleine machen sollte, sondern begleitet von einem Therapeuten.

Mir geht es dabei überhaupt nicht um Rausch im Sinne von Exzess, ich trinke zum Beispiel überhaupt keinen Alkohol. Ein psychedelischer Trip ist eine Reise ins Ich und es ist auch eine Art Tabula rasa - das Gehirn ist danach sozusagen besser beschreibbar mit den positiven Aspekten des Lebens, von denen es so unendlich viele gibt. Nur haben die meisten Menschen verlernt, sie wahrzunehmen. Ich mache das deshalb auch nur selten, maximal einmal im Jahr, und nur in einem zeremoniellen Rahmen mit genügend Zeit davor, um mich ­darauf einzustimmen, und genug Zeit danach, um das Gelernte zu verarbeiten, und in mein Leben zu integrieren.

„Der Grat zwischen Therapie, medizinischer Anwendung, Wellness und Freizeit ist schmal", schreibt etwa Anne ­Philippi, Gründerin der Plattform The New Health Club. Auf ihrer ­Website ist von einem „neuen Lifestyle" dank Psychedelika die Rede. „Die Befürworter von Psychedelika sind keine homogene ­Gruppe", sagt Adele Byrne, ­Senior Analystin bei der Beratungsfirma ­Prohibition Partners, die auf den Markt für medizinisches ­Cannabis und Psyche­delika spezialisiert ist. „Es gibt Menschen, die sie vollständig legalisieren wollen, andere wollen sie entkriminalisieren, wieder andere ausschließlich medizinisch nutzen."

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