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Drittes Geschlecht: Was steht künftig in Jjs Ausweis?

Weder Mann noch Frau: Vanja hat mit Erfolg gegen die Festlegung auf ein Geschlecht vor dem Bundesverfassungsgericht gekämpft. Foto: dpa

Es war ein bahnbrechendes Urteil: Im Herbst entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Personenstandsrecht um einen dritten Geschlechtseintrag erweitert werden muss. Doch die Euphorie ist längst verflogen.


Stuttgart - Eine Frage stellt sich gleich zu Beginn. Wenn Menschen weder weiblich noch männlich sind, also nicht als Frau oder Mann angesprochen werden können: Was sagt man dann? „Das ist eine sehr individuelle Sache, womit sich Menschen wohlfühlen. In einer E-Mail kann man zum Beispiel ‚Guten Tag Jj Link' schreiben, den Vornamen und Namen benutzen. So mache ich das, wenn ich nicht weiß, wie eine Person angesprochen werden möchte", sagt Jj Link. Link, kurze Haare, dunkles Jackett, wurde nach ihrer Geburt als Mädchen betrachtet und bekam den Namen Jasmin. Heute, 36 Jahre später, hat Link zwei Kinder und wird mit Jj angesprochen, als Abkürzung für Jasmin-Janosch.

Ich habe mir schon als Kind viele Gedanken darüber gemacht, dass ich irgendwie anders bin", sagt Link. Denn Link fühlt sich dem männlichen Geschlecht näher als dem weiblichen. Als Mann fühlt sich Link aber auch nicht - und würde das auch gerne so im Personalausweis stehen haben.

Gesetzentwurf wird als Schmalspur-Lösung kritisiert

So einfach ist das aber nicht. Denn der Gesetzgeber vergibt eine historische Chance auf ein modernes Gesetz. Das zumindest sagen Opposition und LGBTI-Verbände (Verbände für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle). Selbst die Regierung ist sich offenbar uneins über die Auslegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen November. Die Richter hatten entschieden, dass das Personenstandsrecht um einen positiven Geschlechtseintrag erweitert werden muss. Sprich, dass es neben männlich und weiblich noch eine dritte Option geben muss: „Weiteres" soll sie heißen. Die anfängliche Euphorie der Betroffenen ist längst verflogen. Der aktuelle Entwurf aus dem Innenministerium wird von Verbänden und Opposition als Schmalspurlösung bezeichnet.

Ein großer Kritikpunkt ist, dass nur Intersexuelle den neu geschaffenen Geschlechtseintrag nutzen dürfen. Das Gesetz soll also nur für die gelten, bei denen medizinisch nachweisbar ist, dass Geschlechtsmerkmale wie Hormone, Keimdrüsen oder Chromosomen nicht eindeutig in die Kategorie „männlich" oder „weiblich" fallen. Das bedeutet zum einen, dass es Trans-Personen nicht möglich sein wird, vom reformierten Gesetz Gebrauch zu machen. Zum anderen heißt es auch, dass eine medizinische Diagnose und ein Gutachten erstellt werden müssen. Das ist ein absolutes Unding für Interessenverbände, die fordern, dass auch Trans-Personen von der Neuregelung profitieren.

Bisher keine Reform des Transsexuellengesetzes vorgesehen

Wenn der Entwurf wie bisher bestehen bleibt, würde etwa Link das neue Gesetz nichts nutzen. Link fühlt sich nicht den traditionellen zwei Geschlechtern zugehörig - ohne dass es eine körperlich sichtbare Grundlage oder medizinische Diagnose dafür gibt. Link könnte das bisherige Transsexuellengesetz nutzen. Das würde aber ein Gerichtsverfahren, zwei unabhängige psychiatrische Gutachten und Kosten im vierstelligen Bereich mit sich bringen.

„Deutschland muss sich fragen, wie es im internationalen Vergleich dastehen will", sagt Link. Denn in anderen Ländern wie Malta gibt es bereits Gesetze, die einen dritten Geschlechtseintrag selbstbestimmt ermöglichen - also ohne Gutachten. Erst am Mittwoch hat Luxemburg ebenfalls ein solches Gesetz verabschiedet. Dort reicht künftig ein schriftlicher Antrag aus.

Kritik an „geschlechtsangleichenden" OPs an Kindern

Auch das Bündnis „3. Option" wünscht sich einen selbstbestimmten Prozess ohne Gutachten. Eine weitere wichtige Forderung der Kampagne ist ein Operationsverbot an Kindern. Denn „geschlechtsangleichende" Operationen für intersexuelle Säuglinge kommen immer wieder vor. Die Forderung wird auch von FDP, Linken und Grünen unterstützt.

Die Oppositionsparteien sparen nicht mit Kritik am aktuellen Gesetzentwurf. „Für die geschlechtliche Identität eines Menschen gibt es keinen besseren Experten als diesen Menschen selbst", sagt Jens Brandenburg, Sprecher für die Rechte von LSBTI der FDP-Fraktion im Bundestag. Er fordert die SPD auf, sich nicht vom Koalitionspartner Union über den Tisch ziehen zu lassen. Der Gesetzentwurf hatte bereits im Frühjahr für Kontroversen innerhalb der Regierung gesorgt. Die Justizministerin Katarina Barley und die Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) blockierten einen ersten Entwurf, in dem der dritte Eintrag im Personenstandsrecht „anderes" heißen sollte.

„Mann und Frau werden nicht abgeschafft"

Jj Link kann nicht verstehen, weshalb sich die Bundesregierung mit der Umsetzung eines modernen Gesetzes so schwer tut: „Mann und Frau sollen nicht abgeschafft werden, niemand möchte etwas wegnehmen. Aber es ist wichtig, dass etwas für die anderen geschaffen wird. Für die, die bisher nicht ins Schema reinpassen."

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