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Das sind die 7 spannendsten neuen Designer aus Stockholm

Das Bild der schwedischen Mode (und damit von Designern aus Stockholm) war lange Zeit von cleanen Looks und minimalistischen Designs geprägt - und bekam deshalb den Ruf, vielleicht etwas einseitig zu sein. Auf der letzten Stockholm Fashion Week präsentierten einige Labels innovative Designkonzepte, die ganz neue Sichtweisen auf den sogenannten "Scandi Look" eröffneten. Darunter: ein Newcomer-Label, das Upcycling und High Fashion vereint, Schmuck, der mystischen Sagenwelten entstammt, und Taschen, die von den schwedischen Street-Style-Stars gefeiert werden.

1. Stand

Seit einigen Saisons gehören die Entwürfe von Stand zu den Highlights der Stockholm Fashion Week. Die bunten Faux-Fur-Mäntel und Lederkreationen sind nicht nur bei schwedischen Street-Style-Stars beliebt, auch Supermodel Bella Hadid wurde Anfang des Jahres fotografiert, wie sie in einem schwarzen Ledermantel mit pinkem (Fake-)Fellbesatz an Kragen und Ärmel von Stand ihr New Yorker Apartment verließ.

Nellie Kamras gründete vor vier Jahren das Label mit der Idee, hochwertiges Leder zu erschwinglichen Preisen zu verkaufen. Die Designerin lernte schon als Kind die Modeindustrie und insbesondere die Verarbeitung von Leder kennen, da ihr Vater selbst lange mit Lederwaren arbeitete. Dieses Wissen lässt Nellie Kamras in ihre Designs mit einfließen und so verwundert es nicht, dass vor allem die Lederkreationen zu den Key-Pieces jeder Saison zählen.

Auch in der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 dominierte weiches Leder, das die cleanen Schnitte unterstrich, den Laufsteg. Wie bereits in früheren Kollektionen setzte Kamras auf Kontraste, was Material und Farbe angeht. So wurde zum Beispiel ein Lederkleid mit schmalen Trägern in Pastellgelb mit schwarzer Spitze am Ausschnitt besetzt. Der Faux-Fur-Mantel, zur Hälfte in Fuchsia, zur anderen Hälfte in Orange, wird sicherlich bald nicht nur von den schwedischen Street-Style-Stars getragen werden.

2. Ida Klamborn

"Let me show what I like" hieß eine der ersten Kollektionen, die Ida Klamborn auf der Stockholm Fashion Week vor zwei Jahren präsentierte. Damals trugen die Models T-Shirts mit der Aufschrift "Porn" oder mit der Skizze einer Frau, die sich selbst befriedigte. Klamborn wollte mit der Kollektion ein Zeichen für die selbstbestimmte Frau und gegen Slut-Shaming setzen. Auch in den darauffolgenden Jahren blieben ihre Kollektionen weiterhin politisch, wenn auch weniger plakativ.

Die Mode, die Ida Klamborn für die Frühjahr/Sommer-Saison 2019 zeigte, ließ sich als Ergänzung zu ihrer vorherigen Kollektion verstehen. Eine rosa Wickelbluse aus Satin, die Klamborn im Winter mit einer roten Hose kombinierte, trug das Model jetzt zum Faltenrock, und der kurze Hosenanzug aus Samt in Petrol wurde in einer langen Version gezeigt. Doch die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2019 wirkte gereifter und zeigte vielseitigere Designs und spannendere Looks als im Jahr zuvor.

Angelehnt an die 90er-Jahre, trugen die Models transparente Bucket Hats, kombiniert mit Slip Dresses, die vorne oder seitlich geknotet wurden. Andere Entwürfe zeigten See-through-Blusen in Lila oder Mint, die zu Faltenröcken mit transparenten Socken und Dr. Martens kombiniert wurden. Bereits in der Kollektion zuvor hatte Ida Klamborn erklärt, dass See-through-Mode für sie ein Statement für Power Dressing sei, denn jede Frau solle die Freiheit haben, das zu tragen und von ihrem Körper zu zeigen, was sie möchte.

Nicht ohne Grund also tragen besonders gerne junge feministische Künstlerinnen Klamborns Mode. Die Künstlerin Arvida Byström, deren Selfies die weibliche Körperbehaarung thematisieren und mittlerweile über Instagram hinaus bekannt sind, modelte bereits für Ida Klamborn. Kein Wunder, dass das Label bei diesen jungen Frauen so beliebt ist, denn: Die Mode strahlt die Freiheit aus, für die sich diese Künstlerinnen einsetzen, und sieht Gleichberechtigung als eine Selbstverständlichkeit an, die mittlerweile ohne eindeutige Statements auskommen sollte.

Eine klare Message ließ sich die Designerin nach ihrer Präsentation auch diese Saison nicht nehmen: Mit Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen in Schweden betrat sie den Laufsteg in einem T-Shirt mit dem Aufdruck "Vote with heart and empathy".

3. Maria Nilsdotter

Die Schmuckdesignerin Maria Nilsdotter war schon als Kind von der dunklen Seite der schwedischen Mythologie fasziniert, deren Symbole sie immer wieder in ihre Entwürfe einfließen lässt. Für die Präsentation ihrer Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 wählte die Designerin den wohl spektakulärsten Ort der Stockholm Fashion Week: Unter dem Titel "Moondust" lud Maria Nilsdotter zur Präsentation in eine Kirche, wo die Besucher mit Nebel und Musik in eine Mischung von skandinavischer Sagenwelt und Techno-Club der 90er-Jahre gerieten.

Zu Harfen-Klängen, die später mit lautem Techno-Sound untermalt wurden, präsentierten Models in silbernen Slip Dresses, weißen Plateau-Schuhen und Baggy Pants Nilsdotters neuen Schmuck. Für ihre neue Kollektion ließ sich Maria Nilsdotter auch dieses Jahr wieder von der skandinavischen Mythologie, allen voran vom schwedischen Maler John Bauer, inspirieren. Bauers Zeichnungen zählen bis heute zu den bekanntesten schwedischen Märchen-Illustrationen.

Insbesondere die großen Halbmond- Ohrringe aus Silber, die mit Perlen und Diamanten besetzt sind, wirkten, als seien sie direkt aus einem Bild des Malers entsprungen. Neben den Ohrringen umfasste die Kollektion auch Haarschmuck in Blüten- oder Sternenform, große Perlenketten, die mehrfach und eng um den Hals getragen wurden, sowie Hüftgürtel. Alle Stücke wurden von Hand gefertigt und mit Diamanten, Rubinen, Saphiren oder Mondstein besetzt.

4. Nhorm

Mathilda Nilsson und Hanna Rudebeck lernten sich an der Swedish School of Textiles in der schwedischen Stadt Borås kennen und gründeten daraufhin 2011 ihr Label Nhorm. Die Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 war die zweite Präsentation, die das Label auf der Stockholm Fashion Week zeigte. Schon für die letzte Kollektion haben sich die Designerinnen an der (derzeit so beliebten) R&B- und Hip-Hop-Ästhetik der späten 90er- und frühen 00er-Jahre orientiert - zu erkennen etwa an den asymmetrischen Kleidern mit Cut-outs aus Seide.

Erweitert wurden die Entwürfe um typische Beachwear-Elemente wie Schnürungen an Hosen oder Kleider, die durch die eingeknoteten Perlen an Bikinis erinnerten. Beinahe Strandtuch-ähnlich sahen die Minikleider aus, die seitlich über der Brust gebunden wurden. Nhorm war wahrscheinlich das Label in Stockholm, das den zeitgenössischen Look am besten einfing. Die Schnitte wirkten frisch und (natürlich) in sync mit dem allgegenwärtigen Streetwear-Hype - verdeutlicht etwa an einem langen Poncho in Schwarz mit Nhorm-Logo auf der Brust.

Für die Schau kooperierte Nhorm mit der schwedischen Plattform Amaze, die es sich zur Aufgabe macht, die schwedische Kreativbranche, wie Designer, Musiker, Künstler und Fotografen, zusammenzubringen. Auch bei der Präsentation der neuen Kollektion spiegelte sich dieser Gedanke wider. Denn mit dem Setting der Show - einer gedeckten Kaffeetafel, an der den Besuchern vor Beginn Kuchen serviert wurde - sollten die Grenzen zwischen verschiedenen Kulturen überwunden werden. Die Teller zierten dabei Aussagen wie: "Zero tolerance for racism", "The eye as window to the soul" oder "No borders".

5. ATP Atelier

Das beliebteste Accessoire-Label der letzten Stockholmer Fashion Week, gemessen an den Schwedinnen, die auch noch an den Tagen nach der Präsentation die Taschen trugen, war ATP Atelier. Vor sieben Jahren gründeten die guten Freunde Maj-La Pizzelli und Jonas Clason ATP. Der Name der Marke zitiert "All Tomorrow's Parties", die melancholische Hymne von Velvet Underground und Nico.

Das Designer-Duo verbindet schwedisches Design mit italienischem Handwerk: Alle Schuhe und Taschen werden in Italien gefertigt. Das Leder aus der Toskana wird dabei pflanzlich gegerbt. Das Sortiment von ATP Atelier wurde mit der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 durch neue Materialien und Farben erweitert. So gab es die beliebten Sandalen und Henkeltaschen, für die ATP Atelier bekannt ist, jetzt auch in Kaminrot und leuchtendem Gelb zu sehen. Neben kleinen Taschen entwarf ATP Atelier aber auch einige neue, große Modelle wie eine Bucket Bag in Cognac-Ton mit Schlangen-Print.

Denn die ATP-Frau solle für jede Tageszeit, ob Office oder After Work, die geeignete Tasche finden, erklärten die Designer. Maj-La Pizzelli erzählte außerdem, dass es ihr immer am meisten Spaß mache, nach besonderen Materialien für ihre Kreationen zu suchen und die Experten zu finden, die in der Lage sind, diese zu verarbeiten. Bei der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 waren das Federn, die zum Highlight der Präsentation wurden. Die Schuhe - flache Slipper wie auch Mules, die mit Federn geschmückt waren - lösten während der Präsentation im Stockholmer ATP-Store große Begeisterung bei den Schwedinnen aus.

6. Rave Review

Nachdem die Stockholm Fashion Week seit einigen Jahren auf große Namen verzichten muss - Acne zum Beispiel zeigt seine Damenkollektion seit 2013 in Paris -, soll Nachwuchsdesignern eine größere Plattform geboten werden. Die Initiative "Swedish Fashion Talents", vom Swedish Fashion Council gegründet, fördert vielversprechende junge Designerinnen und Designer und gibt ihnen die Möglichkeit, sich vor einem internationalen Publikum zu präsentieren.

Zu den Talenten in den vergangenen Jahren zählten heute etablierte Marken wie House of Dagmar oder Stutterheim. Während der Frühjahr/Sommer-Show 2019 der Swedish Fashion Talents stachen vor allem die Entwürfe des Labels Rave Review hervor. Josephine Bergqvist und Livia Schück studierten gemeinsam am Beckmans College of Design in Stockholm und gründeten vergangenes Jahr ihr Label, dessen erste Kollektion sie in Paris zur Frühjahr/Sommer-Saison 2018 zeigten. Rave Review beweist, dass Upcycling und High Fashion zusammenfinden können und daraus innovative Entwürfe entstehen können.

Auf diese Idee kamen Josephine Bergqvist und Livia Schück während ihres Studiums. Sie entschieden damals, dass Mode nicht genügend nachhaltig produziert werde - also begannen sie damit, Kleidungsstücke aus bestehenden Textilien zu entwerfen. Für ihre erste Kollektion wählten die Designerinnen alte Spitzentischdecken. Aus demselben Material hatten Josephine Bergqvist und Livia Schück im Rahmen des Umwelttages "Tag der Erde" im April dieses Jahres auch exklusiv für unsere Kollegen von der US-Vogue ein grünes Spitzenkleid entworfen. Nichts an dem Kleid lässt darauf schließen, dass es aus zwei alten Tischdecken zusammengesetzt wurde.

Auf der vergangenen Stockholm Fashion Week zeigten die Designerinnen von Rave Review erneut, mit welchen innovativen Materialideen sie arbeiten können. Die Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 beschäftigte sich mit den stereotypischen Grundlagen einer Sommergarderobe und mixte Beachmode wie Badeanzüge und Sonnenhüte mit der Campingmode der 80er-Jahre, die anhand von beigefarbenen, ärmellosen Jacken und asymmetrischen Hosen mit großen aufgesetzten Taschen daherkamen. Entstanden war die Kollektion aus bunten Retro-Handtüchern, alten Herren-Chinos und Bürohemden.

Der Name "Rave Review" bedeutet übersetzt übrigens glänzende Kritiken. Die dürften Josephine Bergqvist und Livia Schück auch wieder nach der Präsentation ihrer zweiten Kollektion erhalten haben.

7. Little Liffner

Das schwedische Taschenlabel Little Liffner präsentierte zum ersten Mal seine neuen Designs im Rahmen der Stockholm Fashion Week. Vor sechs Jahren gründete Paulina Liffner von Sydow das Label und entwirft seitdem Taschen in klassischen und cleanen Silhouetten, die aber durch kleine Details wie abgerundete Ecken oder Metallringe einen neuen und eigenen Twist bekommen. Hergestellt werden die Taschen aus italienischem Leder in einer Fabrik in der Nähe von Florenz.

...und was die wichtigsten Trends der Stockholm Fashion Week waren, lesen Sie hier!
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