Kugelmüller,
Posamentierer, Feilenhauer, das sind Berufe, die so gut wie
ausgestorben sind. Und dieses Schicksal droht immer mehr alten
Kunsthandwerken. Trotzdem gibt es immer wieder Menschen, die dieses
Erbe wachhalten oder neu zum Leben erwecken und meinen: Das Interesse
an altem Handwerk wächst wieder. Iris Milde hat eine
Kunsthandwerkerin besucht, die in der Mitte ihres Berufsleben noch
einmal ganz neu angefangen hat.
Reppe
„So, wir gucken mal nach einem Model. Model oder Druckstock genannt.“
Autorin
Cordula Reppes Druckstube befindet sich in einem kleinen Fachwerkhäuschen in Pulsnitz bei Dresden. Die Decken sind niedrig. In einem Holzregal liegen Model in verschiedenen Größen und Formen. Druckstöcke mit Tausenden, winzigen, auf einer Holzplatte eingelassene Metallstiften, die zusammen ein Muster ergeben.
Reppe
„Die Anzahl der Model ist eigentlich der Schatz einer Werkstatt.“
Autorin
Über 1000 Model hat die Blaudruckerei in Pulsnitz, die ältesten über 100 Jahre alt. Cordula Reppe greift sich ein quadratisches Blumenmuster heraus.
Reppe
„Also, es gibt so viele Model mit so wunderbaren Motiven. Man kann jetzt auch nicht sagen, welches das Schönste ist. Es gibt Model, die sind schwer zu drucken, ja. Früher war das ja mehr ein Männerberuf. Da sind also die Eingriffe sehr breit gestaltet, für Männerhände. Da hat man manchmal bisschen Probleme als Frau.“
Autorin
Die Mittfünfzigerin mit Kurzhaarschnitt und dickem Wollpulli unter der Blaudruckschürze geht mit dem Model zu einem Holzrahmen, in dem dünn eine mintgrüne Masse verschmiert ist, der Papp.
Atmo
streichen
Reppe
„Papp ist Kaolin vermischt mit Gummiarabikum. Das müssen wir jetzt erst gleichmäßig einstreichen, dass es schön glatt ist, dann können wir es eintauchen. So, jetzt haben wir uns den Papp schön auf die Spitzen geholt.“
Atmo
schlagen
Autorin
Vorsichtig balanciert Cordula Reppe das Model an den schrägen Drucktisch, wo eine Bahn Baumwollstoff ausgelegt ist und drückt es auf den weißen Stoff.
Reppe
„So, und jetzt haben wir die Reservierung aufgebracht. Dieser Papp verhindert praktisch das Eindringen der Farbe in die Fasern. Und das, was jetzt grün zu sehen ist, das ist hinterher dann weiß und alles, was man weiß sehen kann, das kann dann blau eingefärbt werden.“
Autorin
Der Blaudruck kam im 17. Jahrhundert mit der Niederländischen Ostindienkompanie nach Europa. Seine Blüte erlebte er im 18. und 19. Jahrhundert. Heute gibt es in Deutschland noch 12 Werkstätten. Die Pulsnitzer Werkstatt wurde vermutlich 1633 in Schlesien gegründet. Nach 1945 strandete die Blaudruckerfamilie in der sächsischen Kleinstadt, wo sie ihr Handwerk weiterführte. Als der letzte Besitzer vor sechs Jahren in Ruhestand gehen wollte, fasste sich Cordula Reppe, bis dato Chefin des Pulsnitzer Stadtmuseums, ein Herz.
Reppe
„Ich kannte die Werkstatt schon. Da ich ja immer mit Reisegruppen schon hier gewesen bin und das hat mich schon immer fasziniert hier. (lacht) Das war schon immer toll, hier mal zuzuschauen. Und das jetzt selber zu machen, ist natürlich noch toller!“
Autorin
Innerhalb weniger Wochen lernte sie alle Handgriffe vom erfahrenen Vorbesitzer.
Reppe
„Wir haben dann doch noch eine ganze Zeit zusammengearbeitet. Also, er ist immer hergekommen, hat mir alles gezeigt und dann habe ich es eben selber probiert.“
Autorin
2018 wurde der Blaudruck in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Und das Interesse der Kundinnen und Kunden war da.
Reppe
„Das hat jetzt weniger mit dem Weltkulturerbe zu tun. Es ist allgemein, dass die Nachfrage gestiegen ist nach Blaudruck. Man möchte wieder richtige Handarbeit zu Hause haben.“
Atmo
Regen, Schritte, Tür
Autorin
Bei strömendem Regen huscht Cordula Reppe über den Hof zum Hinterhaus.
Reppe
„Das ist praktisch das Färberhaus.“
Autorin
Im Färberhaus sind drei Bottiche von etwa einem Meter Durchmesser in den Boden eingelassen. Darin befindet sich eine dunkelblaue Flüssigkeit.
Reppe
„Der Stoff wird praktisch an Färbersterne angehängt, das sind Eisenräder mit spitzen Haken und dann lassen wir ihn über diese Winde in die Küpe ein. Und ich färbe mit synthetischem Indigo, womit also auch die Jeans gefärbt werden.“
Atmo
tropfen, Wasser
Autorin
Rund fünf Mal müssen die Bahnen ins Farbbad hinabgelassen werden. Zunächst färbt sich der Stoff grün, dann wird er jedes Mal ein wenig blauer.
Reppe
„Es gibt zwei Punkte, die für einen Färber unglaublich spannend sind. Nämlich, wenn man das erste Mal den Stoff aus der Küpe holt. Wie sieht das Grün aus? Und zum Zweiten dann, wenn der Stoff fertig getrocknet ist. Weil dann sieht man, ob es wirklich gute Arbeit ist oder nicht. Und da gibt es einen alten Färberspruch, der sagt: Was gudd grient, dut gudd blaun, drum auf Gott vertraun.“
Autorin
Wenn Cordula Reppe über ihre Arbeit spricht, blüht sie förmlich auf.
Reppe
„Das ist ein Handwerk, was es ja nun schon viele Tausend Jahre gibt. Es hat was mit Stoff zu tun, was für mich ja sowieso schon eine Faszination hat und zum Anderen ist auch jeden Tag was Anderes zu tun. Das Drucken, das Färben, es hat Jedes seine Spannung dabei. Und letztendlich ist natürlich: Man kann so viel schöne Sachen daraus fertigen.“
Atmo
eintreten in Lädchen
Autorin
Die verkauft die gelernte Schneiderin in ihrem Lädchen im Vorderhaus.
Reppe
„Das ist das Lädchen, genau... Also ich fertige nur, was in Haushalt und Küche gebraucht wird, also Tischdecken, Gardinen, bis hin zur Schürze. Ich habe noch eine Kollegin hier, mit der wir alle Sachen alleine nähen.“
Autorin
Seit einiger Zeit arbeitet sie eng mit einer Dresdner Modedesignerin zusammen, die moderne Outfits aus Stoffen in traditioneller Blaudrucktechnik entwirft.
Reppe
„Es gibt also Zeiten, da komme ich mit Drucken und Färben gar nicht hinterher, so groß ist die Nachfrage. Dann haben wir wieder Zeiten, wo man sagt: Wir können wieder vorarbeiten. In welchem Beruf oder in welchem Job ist jeden Tag Sonnenschein? Das gibt’s nicht. Ich sage immer: man muss das große Ganze sehen und wenn das stimmt und die Arbeit Spaß macht, dann ist es doch die richtige Entscheidung.“
Autorin
Kritisch wird es für viele alte Handwerke, wenn eine Werkstatt an einen Nachfolger übergeben werden soll. Findet sich niemand, gehen Wissen und Fertigkeiten unwiederbringlich verloren.
Reppe
Naja, ich gucke ja schon immer, aber mhm, so direkt habe ich noch keinen gefunden oder war noch keiner da, der gesagt hat: Ja, ich würde das dann übernehmen. Deswegen arbeite ich ja viel mit Studenten zusammen und nehme auch gerne Praktikanten.“
Autorin
Blaudrucker ist – wie viele alte Kunsthandwerke – kein Ausbildungsberuf mehr.
Reppe
„So eine alte Tradition fortführen, was wirklich schon über 1000 Jahre besteht, ein Handwerk, das wieder als Ausbildung. Das wäre schon ganz prima.“
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