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Dänisches Gesundheitswesen - Dicke sollen „ermittelt" werden

Übergewicht ist ungesund, das ist klar. Doch müssen zu dicke Menschen wirklich ermittelt werden?Foto: Getty Images

In aller Ruhe und Gemütlichkeit dick und rund werden - das wird in Dänemark bald nicht mehr möglich sein. Das „Sundhedsstyrelse", die höchste dänische Gesundheitsbehörde, will, dass schwer Übergewichtige in Zukunft von kommunalen Mitarbeitern direkt angesprochen und zu einer Diät aufgefordert werden.

Alle, die im öffentlichen Dienst arbeiten und Kontakt mit den Bürgern haben, sollen sich - so die Empfehlung der Behörde - in die Figurprobleme der Betroffenen einmischen. So könnten selbst Mitarbeiter der Arbeitsagenturen oder die Lehrer der Kinder in Zukunft zu einem verdutzten Bürger sagen: „Du musst eine Diät machen."

▶︎ Der Entwurf für die neuen Richtlinien im Umgang mit übergewichtigen Bürgern liegt seit Oktober 2019 vor. Sie haben den Titel „Lebensstilinterventionen für schwer Übergewichtige". Empfehlungen für kommunale Angebote für Kinder und Erwachsene." Die geplanten Richtlinien wurden nun öffentlich bekannt, als es bei einem Treffen mit dem Verband der Allgemeinmediziner zu einem Eklat kam. Auszug aus den Richtlinien: „... Bei Verdacht kann man den Bürger dazu auffordern, zum Arzt zu gehen. Andere kommunale Mitarbeiter können die Ermittlungsarbeiten unterstützen, z.B. in Arbeitsagenturen, in Gemeindezentren und in Wohn- und Aktivitätsangeboten. Bei Bedarf sollten diese Mitarbeiter den Bürger dazu auffordern, mit dem Gesundheitszentrum Kontakt aufzunehmen, da eventuell ein Bedarf für eine Lebensstilintervention besteht." Ermitteln und intervenieren

In den Richtlinien ist der Ausdruck „ermitteln" besonders beliebt. So soll man die schwer Übergewichtigen gezielt suchen und „ermitteln" und ihnen dann eine „Lebensstilintervention" anbieten. Unter einer Intervention versteht man im Allgemeinen ein aktives Eingreifen. Typisch sind Interventionen bei Drogensüchtigen oder Alkoholkranken. Bei einer klassischen Intervention sind zu einem bestimmten Zeitpunkt Angehörige, Freunde und Ärzte anwesend. Gemeinsam versuchen sie, den Kranken zu einer Behandlung zu bewegen.

Dr. Rasmus Köster-Rasmussen ist Sprecher des Ärzteverbandes. Er ist über die behördlichen Richtlinien entsetzt. „Es ist einfach unethisch, Leute auf diese Art aufzusuchen. Das ist eine Hexenjagd. Schließlich können wir nicht einmal eine richtige Behandlung anbieten. Erwachsene wissen selbst, wenn sie zu dick sind."

In einem anderen Abschnitt heißt es: „Es ist wichtig, junge Frauen mit Übergewicht zu ermitteln, bevor sie schwanger werden." Oder auch: „Es wird empfohlen, dass Mitarbeiter im mobilen Pflegedienst oder in Pflegeheimen Übergewichtige identifizieren und sie systematisch nach ihrem Gewicht befragen."

Bei einem Treffen zwischen der Behörde und dem Verband der Allgemeinmediziner reagierten einige Ärzte so entsetzt, dass sie das Treffen verließen. Verband und Behörden wollten die Einzelheiten des Entwurfs diskutieren und ihn am Ende absegnen. Ob die Richtlinien nach dem Treffen mit dem Ärzteverband nun abgemildert werden, war am Mittwoch noch nicht bekannt.

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