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Donnerstag Prozessbeginn Peter Madsen - Ex-Geliebte: Er liebte Rollenspiele

Erfinder Peter Madsen und die schwedische Journalistin Kim Wall auf der Brücke des Todes-U-BootsFoto: Privat

Kopenhagen -

Der Fall bleibt spektakulär wie rätselhaft: In einem selbstgebauten U-Boot fahren Journalistin Kim Wall und Erfinder Peter Madsen am 10. August 2017 auf die Ostsee hinaus. Kurz darauf ist sie tot. Teile ihrer zerstückelten Leiche werden später an Land gespült und im Meer gefunden. Was wirklich an Bord der „Nautilus" geschah, weiß nur einer: der mutmaßliche Mörder Peter Madsen.

BILD hat die wichtigsten Fakten über das Verfahren zusammengetragen. Der Prozess

► Die Verhandlung beginnt im Kopenhagener Stadtgericht, Saal 60, am Donnerstag um 9.30 Uhr. Anberaumt sind bis jetzt zwölf Prozesstage, verteilt auf fünf Wochen. Das Medieninteresse ist riesig: 95 Journalisten aus zwölf Ländern sind akkreditiert.

Der genaue Verlauf des Prozesses ist jedoch unklar, da in Dänemark im öffentlichen Sektor Streiks drohen. Wenn es zu keinen Verzögerungen kommen sollte, fällt das Urteil am 25. April 2018.

Peter Madsen hat als Angeklagter von einem selten genutzten Recht Gebrauch gemacht und ein Schwurgericht abgelehnt. Deshalb besteht das Gericht aus der Richterin Anette Burkø und zwei Laien-Beisitzern.

Statt Geschworenen gibt es also Schöffen!

► Das Gericht wird vor allem die Frage klären müssen: War es - wie von Madsen behauptet - ein Unfall? Oder war es - wie die Staatsanwaltschaft sagt - ein bis ins kleinste Detail geplanter und äußerst brutaler Sexualmord?

Das Opfer Kim Wall, eine schwedische Journalistin, die in Kopenhagen lebte. Fünf Monate vor ihrem Tod feierte sie ihren 30. Geburtstag.

Sie hatte in New York studiert, arbeitete als freiberufliche Journalistin, hatte bereits mehrere große Reportagen in internationalen Medien veröffentlicht. Nun wollte sie mit ihrem Freund für einige Jahre nach China ziehen.

In ihrem Namen wurde inzwischen eine Stiftung gegründet, die Journalistinnen unterstützen soll.

Der mutmaßliche Täter Peter Madsen (47), Erfinder, Raketen- und U-Boot-Bauer. In Dänemark war er seit Jahrzehnten als schillernde Persönlichkeit bekannt. Mit seinen verrückten Erfindungen und Ideen unterhielt er die Öffentlichkeit.

Madsen ist ein Scheidungskind, nach der Trennung der Eltern blieb er beim Vater, weil er dort so viel in der Werkstatt basteln konnte, wie er wollte.

Der Vater verbot dem Sohn, die Mutter öfter als einmal im Jahr zu besuchen.

Nach seiner Verhaftung kamen immer mehr Details seines Privatlebens an die Öffentlichkeit: Er verkehrte regelmäßig in Sado-Maso-Studios in Kopenhagen, hatte zahlreiche Freundinnen und oft mehrere gleichzeitig. Er ist verheiratet, seine Frau scheut jedoch die Öffentlichkeit und hat inzwischen die Scheidung eingereicht.

Das Verbrechen

Kim Wall und ihr Freund gaben am 10. August eine Abschiedsparty, wenige Tage später wollten sie nach China fliegen. Da erhielt sie von Peter Madsen eine SMS.

Kim Wall kannte den bekannten Tüftler oberflächlich. Sie hatte ihn gefragt, ob sie eine Reportage über sein U-Boot schreiben darf. Nun kam eine spontane Einladung: Heute Abend könne sie mitfahren!

Sie verließ die Party, wollte aber nach ein paar Stunden zurück sein.

► 10. August, 19 Uhr: Das U-Boot fährt an der Nordspitze der Insel Amager los. Kim Wall schickt in der ersten Stunde mehrere SMS an ihren Freund. Sie ist offensichtlich begeistert. Dann bleibt das Handy stumm.

► 11. August, 2.30 Uhr morgens: Kims Freund meldet sie als vermisst.

► 11. August, 10.14 Uhr: Zeugen sehen das U-Boot östlich von Amager.

► 11. August, 11.20 Uhr: Das U-Boot sinkt südlich von Amager, Peter Madsen wird gerettet. Er lächelt in die Kamera und zeigt den Daumen nach oben.

Kurz darauf wird er festgenommen. Das U-Boot wird einige Tage später gehoben.

► Bis 20. August: Keine Spur von Kim Wall. Peter Madsen behauptet, er habe sie am Abend an Land abgesetzt und habe keine Ahnung, wo sie sein könnte.

► 21. August, 15.41 Uhr: Ein Spaziergänger findet an der Südwestküste von Amager den Oberkörper von Kim Wall. Spätestens jetzt ist klar: Die Journalistin ist tot, ihre Leiche wurde zerstückelt. Die Polizei durchsucht die Werkstatt und den PC von Madsen und findet unter anderem Videos, die reale Sexmorde an Frauen zeigen.

► Herbst 2017: Nach und nach findet die Polizei alle Leichenteile von Kim Wall, auch ihren Kopf. Die Teile sind teilweise verpackt und mit Rohren beschwert. Die gerichtsmedizinischen Untersuchungen ergeben, dass Kim Wall mindestens 14 Messerstiche in den Genitalbereich erhalten hatte. Ihre Arme weisen Fesselspuren auf.

Ermittler der dänischen Polizei suchen nach Leichenteilen von Kim Wall

Das Teil-Geständnis Peter Madsen präsentierte nach seiner Festnahme unterschiedliche Versionen des Geschehens.

► Nachdem das U-Boot gehoben worden war, behauptete er plötzlich, die Journalistin sei an Bord bei einem Unfall gestorben - er habe sie schließlich auf hoher See beigesetzt.

► Nach dem Fund der Leichenteile hielt er an der Unfallversion fest, gab nun aber zu, die Leiche „in Panik" zerstückelt zu haben.

► Auch über den angeblichen Unfalltod hatte er verschiedene Versionen parat. Zunächst behauptete er, dass Kim Wall den schweren Luken-Deckel des Boots auf den Kopf bekommen habe. Nach dem Fund des - unbeschädigten - Schädels von Kim Wall sprach er plötzlich von einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Die Zeugen Insgesamt 39 Zeugen sind geladen.

Sie beobachteten beispielsweise, wie Peter Madsen eine Säge und anderes Werkzeug vor dem Auslaufen des U-Boots an Bord brachte. Oder berichteten, dass Madsen von einem „perfekten Verbrechen" träumte.

► Ebenfalls im Zeugenstand: Deirdre King (39), eine Ex-Geliebte von Madsen, die im dänischen TV-Sender „Kanal 5" bereits über Peter Madsens Vorliebe für Sex im U-Boot auspackte.

Sie sagte: „Es endete immer als Rollenspiel. Er setzte den Kapitänshut auf und nannte sich Kapitän Wladimir. Dann bewegte er sich anders und sprach auch anders. Alles wurde zum Spiel. Er suchte und überschritt Grenzen. Egal, ob es sich um den Bau von Raketen, um das Betreten eines Dark Rooms oder um irgendetwas anderes handelte. Er suchte überall nach Grenzen, die er überschreiten konnte."

Laut Deirdre King wirkte Peter Madsen auf Frauen sehr anziehend. „Mir ging es ja genauso." Der Ermittlungsleiter

Jens Möller-Jensen (59) - seit 2011 Leiter des Kopenhagener Mord-Dezernats. Um die Jahrtausendwende hatte er nach langen Jahren im Drogen-Dezernat ein Burn-out. Seitdem achtet er darauf, dass er in stressigen Phasen genügend Pausen bekommt.

Der Ankläger Jakob Buch-Jepsen (41) - sein größter und zugleich sein letzter Fall.

Der Jurist arbeitet seit 2002 für die Staatsanwaltschaft und führte in einigen großen Prozessen die Anklage. Am Wochenende vor Prozessbeginn wurde bekannt, dass er seinen Posten aufgibt und nach dem Prozess gegen Peter Madsen in einer Kanzlei beginnt, die sich auf interne Polizeifragen spezialisiert hat.

Die Anklage geht von einer vorsätzlichen Tötung aus, da Madsen eine Säge, einen scharfen Schraubenzieher, Riemen und Rohre mit an Bord gebracht habe.

„Das ist ein sehr ungewöhnlicher und extrem brutaler Fall", erklärte Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Gefängnisstrafe, was in Dänemark durchschnittlich 16 bis 17 Jahre Haft bedeutet. Sollte Madsen als nicht schuldfähig eingestuft werden, soll er nach dem Willen der Anklage in eine zeitlich unbegrenzte Sicherungsverwahrung.

Die Anwältin Bettina Hald Engmark (44) - sie arbeitete selbst 15 Jahre lang für die Staatsanwaltschaft und sagte über den Fall: „Ich bin über das große Interesse sehr überrascht."

Sie ist hauptsächlich auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert, und es ist ihr erster großer Mordfall. Es heißt, dass sich Peter Madsen und Bettina Hald Engmark privat kennen und er sie deshalb zu seiner Anwältin gemacht hat.

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